Riesenmaschine

25.03.2006 | 01:07 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Die Grenzen der Automatisierung

Die Zeit der Resignation ist vorbei! Die Wirtschaft boomt! Deutschland gründet wieder! Diese Denkweise ist verbreitet in den Niederungen der Dienstleistungsindustrie und führt dazu, dass man irgendwann glaubt, da fährt ein Zug los, auf den man irgendwie mitaufspringen muss. Da geht die Stampede einer jungen Bullenherde los, und man muss nur mit dem Schrotgewehr draufhalten – einer wird schon fallen! Von Schrot zu Schrott: Da gründen drei engagierte, junge Menschen eine Partnergesellschaft für Marktforschung und lassen sich in irgendeinem Register eintragen. Das Register wird durchforstet vom Computer einer Firma für Werbekugelschreiber, der vollautomatisiert einen Laser steuert, der wiederum den Firmennamen auf einen Kugelschreiber brennt. Soweit, so geschickt geplant, bzw. verplant verschickt:

"Sehr geehrte Damen und Herren,
Sind Sie überrascht, Ihren Firmennamen FISCHER BOCHOW KUHRCKE PARTNERGES FÜR MARKTFOR-SCHUND per Laserstrahl in diesen hochwertigen Celebrity Kugelschreiber graviert zu sehen?"


Fast hört man sie ausrufen "Ja, wir sind überrascht, liebe Firma Adler Werbegeschenke, wir sind sogar sehr überrascht." Na dann. Mission erfüllt. Die jungen Firmengründer gründlich überrascht. Mehr kann man nicht erreichen.


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)


22.03.2006 | 02:13 | Alles wird schlechter | Was fehlt | Fakten und Figuren

SWF – Sinnloseste Website in Flash


Einer der besten Treppenliftsimulatoren überhaupt (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Flash ist das Tranchiermesser unter den Programmierwerkzeugen. Einige begabte Köche können damit die schönsten Gurkenhaie und Kohlrabi-Blüten schnitzen, aber in den falschen Händen taugt es leicht für ein Massaker ersten Grades, bei dem alle überlebenden Beteiligten für immer traumatisiert bleiben. Obwohl ich selbst grosser Freund der gezielten Flashanwendung bin, weil sie durch ihre flirrend bewegte Buntheit hervorragend verkaufbar ist, gebe ich gerne zu, dass viele Flashseiten so sinnlos sind wie ein verschneiter März.

Und siehe da, die Riesenmaschine wurde von Herrn Knappe Wamba aufmerksam gemacht auf die derzeit amtierende SWF, die "Sinnloseste Website in Flash". Es handelt sich um eine virtuelle Probefahrt mit einem Treppenlift der Firma Lifta (Update: die uns um Entfernung des Links gebeten hat). Der begeisterte Treppenliftaficionado kann für die Probefahrt zwischen den naheliegenden Parametern "Wandfarbe", "Treppenfarbe" und "Polsterfarbe" wählen. Als echtes Premiumfeature, was in dieser Form von keinem anderen Treppenliftsimulator weltweit angeboten wird, lässt sich die Sitzfläche auf Knopfdruck hoch- und runter-klappen – und das beliebig oft! Da gerinnt die Möglichkeit, immer wieder die Treppen hinauf und hinab zu fahren, fast zur Nebensächlichkeit.

Die Riesenmaschine möchte die Gelegenheit nutzen und von nun an den Preis "SWF" unregelmässig vergeben. Vorschläge mit kurzer Begründung gerne in die Kommentare oder an input@riesenmaschine.de schicken.


14.03.2006 | 17:33 | Berlin | Alles wird schlechter | Fakten und Figuren

The DJ is dead

Als die fantastischen Pet Shop Boys im Oktober 1991 die Single "DJ Culture" veröffentlichten, fing offiziell die DJ-Dekade an, die 90er Jahre, in denen bootgeleggt und regemixt wurde, was einem unter die Nadel kam – nicht nur in der Musik. Der DJ wurde eine Ikone, ein Superstar, die Musiker hinter ihm zur Staffage. Er schaffte es sogar bis in die Fernsehwerbung von Persil und Sparkasse. Womit eindeutig sein Niedergang eingeleitet worden sein dürfte.

(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Und heute eröffnet in einer ehemaligen Sparkassenfiliale am Berliner Hackeschen Markt Puma einen Flagship Store und stellt einen DJ ins Schaufenster. Das ist die Möbelhaus-Eröffnung des 21. Jahrhunderts, der DJ ist toter als tot, er kann sich ab sofort gemeinsam mit Wolfgang Lippert beim Zange klauen im Baumarkt erwischen lassen, er würde keinen Ansehensverlust erleiden.

Das war es also mit dem DJ, ein trauriger Tod, eingerahmt von einem Ampelmännchensymbol und einem abgestellten, aber nicht abgeschlossenen Damenrad, umringt von 60jährigen Zufallspassanten, die vor dem Schaufenster nicht einmal hören, was aufgelegt wird. Die coolen Kinder werden inzwischen VJ, das geht bestimmt noch drei Jahre, und dann kommt etwas Neues. Vielleicht Klingelton-Jockey oder gleich Tastenton-Jockey. Man weiss es nicht. Und will es irgendwie auch nicht wissen.


14.03.2006 | 14:11 | Berlin | Nachtleuchtendes

Allianz Ausschlag


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ich rufe in den Zeugenstand: Kathrin Passig, Holm Friebe, Gott. Diesen dreien wird man glauben, wenn sie bestätigen, dass ich vorliegende Idee bereits im Spätsommer 2004 hatte. Ich meine damit nicht, mich an die Grenzen der Erträglichkeit von unscharfen, unterbelichteten Fotos heranzutasten. Sondern ein Gebäude als Graphic Equalizer Anzeige zu benutzen.

Gut, die Idee trudelt so halb im Fahrwasser der Leuchtfenster-
pixelinstallation Blinkenlights herum, die ja ihrerseits im Fahrwasser des belgischen Projekts Marnix 2001 dümpelte, welches wiederum bereits im Fahrwasser eines MIT-Projektes von 1993 schwamm. Trotzdem hätte irgendein regionaler Berliner Radiosender sicher viel Geld dafür bezahlt, wenn sein grafischer Ausschlag über Berlin zu sehen gewesen wäre. Aber nun ist der gefühlt 300 Meter hohe Büroturm der Allianz-Versicherung mit einem Graphic Equalizer versehen und aus Protest weigere ich mich, nachzurecherchieren, warum, von wem, für wen und wie lange das so ist. So gut ist die Idee letztlich auch nicht. Und ausserdem alt.


13.03.2006 | 12:09 | Was fehlt | Fakten und Figuren | Sachen kaufen

Vom Pyrrhussieg der Erbsenzähler


Weniger Pimp geht nicht. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Warum sind deutsche Werbespots eigentlich so oft so schlecht? Diese häufig gestellte Frage wurde früher von Marktforschern beantwortet: "Die Konsumenten wollen es so, sehen Sie hier bitte die Exceltabellen 29 bis 137, dieser in der Fussgängerzone von Plön gedrehte Waschmaschinenspot ist der wirksamste seit Jahren". Traurig gingen dann die Kreativen zurück in die Agenturen, schrieben schlechte Spots und koksten die Bedenken fort.

So war es, bis das Internet kam und schnell genug war, dass Filmchen online angesehen werden konnten. Die Marktzähler und Erbsenforscher freuten sich zunächst, dass man im Internet ganz genau zählen konnte, wie oft welcher Spot angesehen wurde und sie dachten, sie würden die Welt beherrschen. Dann aber mussten sie feststellen, dass ihre wirksamsten Spots von grob geschätzt vier Menschen online angesehen wurden. Andere unterhaltsame Spots hingegen, wie die bekannte Reihe "Unpimp your auto" von Volkswagen wurden innerhalb von ein paar Tagen eine Million Mal angesehen. Und anders als beim Fernsehen waren das nicht ungefähre, abgeschätzte, hochgerechnete Zahlen, sondern echte Menschen, die dazu noch genau den Spot betrachten wollten. Weil er interessant war. Da weinten die Erbsenzähler bitterlich, denn sie befürchteten, dass von nun an nur noch interessante, unterhaltsame Werbespots produziert würden und auch die Fernsehsender weinten bitterlich, weil sie ihre Felle davonsurfen sahen.

Doch zum Glück kam alles anders, denn rechtzeitig fand man heraus, dass da draussen eine grosse, schweigende, verhältnismässig dämliche Mehrheit ist, die sich von schlechter Fernsehwerbung noch immer und auch für immer beeinflussen lassen wird. Und so starb weder die schlechte Werbung noch das Fernsehen. Sondern nur der intelligente Zuschauer.


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"Inception", Christopher Nolan (2010)

Plus: 1, 22, 24, 36, 66, 73, 80, 124
Minus: 1, 9, 102
Gesamt: 5 Punkte


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