Riesenmaschine

26.01.2006 | 18:43 | Anderswo | Fakten und Figuren

Träge lag die Bombe da


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die "gelernte" Karlsruherin und Harfenistin Angelika Maisch, "allerorten bekannt für ihren subtilen Humor, ihre Fotosammlung gefrorener Wäsche und ihre unleserliche Handschrift" (Thomas Kapielski), hat im Alter von 7 Jahren ihre erste Atombombe gebaut. Wie sie vor 2 Jahren anlässlich der Streichholz-Ausstellung "Zünd ab" des rührigen Kunstvereins Ahaus in ihrem schonungslos offenenen Katalogbeitrag beschreibt, hätte sie, angeregt durch die A-Bombenhysterie der Kennedyära, ihren gleichaltrigen Cousin Andreas davon überzeugen können, mit ihr "das Scheusslichste vom Scheusslichen, das Verbotenste vom Verbotenen" zu basteln, um eine Offensive gegen die globale atomare Bedrohung zu starten. Sie schütteten alles greifbar Giftige zusammen, flüssiges Putzmittel, sandiges Scheuerpulver, Schuhcreme, Medikamente, übel schmeckende Nahrungsmittel und Essensreste, und verrührten das mit eindickendem Sand in einem alten Blecheimer zu einem Bombenbrei, der, als er zu fest war, mit Wasser wieder cremig und "musig" gemacht wurde, so wie sich der Laie das Innere einer Bombe vorstellt, also wie ein Nougatei. Zuguterletzt spickten sie das Ganze noch zu einem hochexplosiven Igel mit Streichhölzern. Und ohne einen Gedanken an das entsetzliche Elend, das die Detonation zeitigen würde, zu investieren, zündeten sie das Gebräu an. Nichts geschah. "Träge lag die Bombe da. Eine Amsel sang. All die Arbeit umsonst. Wie konnte Gott so eine Demütigung zulassen? Gab es ihn überhaupt?" Niedergeschlagen gingen sie heim und spielten eine "tüchtige" Partie Mensch-Ärgere-Dich-Nicht.

Eine effizientere Bombe ist oben abgebildet, eingedoster und verfaulter Fisch, Surströmming genannt, eine schwedische Delikatesse für wenige Mutige, weil nach Öffnen der Büchse ein pestilenzialischer Geruch entweicht, changierend zwischen einer Kloake, tagelang in brütender Sonne vergessenem Müll, aber auch, Forensiker haben das bestätigt, einer verwesenden Leiche. Mit einer einzelnen Dose hat man im Nu ein komplettes zehnstöckiges Haus menschenfrei gebombt, ohne auch nur einen minimalen baulichen Schaden zu hinterlassen. Smarter gehts wohl nicht.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Wunderwaffenwoche in der Riesenmaschine

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link


21.01.2006 | 10:32 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen | Sachen anziehen

Antipoden quälen


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Ist es Zufall, dass die zwei Körperteile, die vom Besitzer am meisten gequält, gedemütigt und gefoppt werden, ausgerechnet des Körpers Pole, der Kopf und die Füsse sind? Bei Mariah Carey korrespondieren sie sogar direkt miteinander, sie bekomme ohne High-Heels Kopfschmerzen, weil sie über keinerlei Erfahrung im Laufen ohne Absätze verfüge, meinte sie Freitag in einem Münchner Gesellschafts-Magazin. Und ihr Berliner Kollege Farin Urlaub bemerkte ebenfalls (in einem ringelnatzschen Liedchen) eine Bereitschaft zur Kommunikation, wiewohl okkulteren, zwischen beiden Antipoden: "Am Ende meines Körpers (von den Füssen aus gesehen) wachsen Haare, der Weg dorthin ist lang, ... die Reise dauert 7 Jahre. An regnerischen Tagen sind die Haare von hier unten kaum zu sehen ... sie sind ein bisschen unheimlich und seltsam und nachts machen sie oft Krach." Menschen setzen sich "Basketball- oder Rappermützen" (Joachim Lottmann), auf den Kopf, hinten hängt ein mit einem Frotteering zusammengehaltener Zopf heraus, und auf den Schirm wird die Sonnenbrille geschoben, wo sie so lange bleibt, bis die Mütze verwest ist. Bei den Füssen das gleiche Schauspiel, alles, was geht, bekommt Absätze, Turnschuhe und Gummistiefel und dazugehörige Schonbezüge, und man wartet, nachdem die Gesundheitsfirma Birkenstock nun die neue Saison wieder mal mit Flip Flops angeht, deren Eleganz der einer Scheibe Graubrot mit Tilsiter in nichts nachstehen, wann sie wohl mit Ballettschuhen "antanzen" wird.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (7)


14.01.2006 | 18:02 | Fakten und Figuren

Der Schwamm


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Es ist tragisch mitanzusehen, wie ein lustiger Bub wie Christoph Schlingensief so ganz ohne künstlerische Visionen versucht, irgendeine relevante Kunst zu machen, die wenigstens ein bisschen Innovation atmet. Aber es geht und geht nicht, heraus kommt immer das, was dem Hofnarren auch eingefallen wäre, wenn der König müde war, die üblichen "Provokationen" halt, ein paar Purzelbäume, Taschenspielertricks und eine ulkige Stimme. Schlingensief sieht, dass um Ihn herum alles schon getan, gesagt und ausprobiert wurde und wird. Und also kommt er – der tief in sich spürt, dass seine überbordende Gefallssucht verständlicherweise unbedingt verbergen muss, nur der Weissclown mit der verbogenen Klarinette zu sein – auf die Idee, all das zusammen zu packen, was schon getan, gesagt und ausprobiert wurde und daraus seinen eigenen Kunstbrei zu kneten.
Eine konsensuell kakophonische Mischung aus schlecht kopierten Elementen von Tobe Hooper, Helge Schneider, Rainer Werner Fassbinder, aus Unterschichtsfernsehen, Udo Lindenbergs Hippie-Freakshows mit Kleinwüchsigen, Werner Herzog, Joseph Beuys, Matthew Barney (siehe Foto), Wiener Aktionismus, sehr viel Paul McCarthy, Black Metal, Erlebnisgastronomie, André Hellers Luna Park, Dieter Roths Müllmanifeste, man weiss gar nicht, wo man anfangen und wo aufhören soll, alles muss absorbiert, annektiert, und wenn das nicht geht, dann als Gast zugekauft werden.

So wie für sein Spektakel "Area 7", das diese Woche am Wiener Burgtheater beginnt, den Maler Jonathan "Satansmerzbau" Meese, den vor Jahren vom Meisenfachmann Wolfgang Müller entdeckten Klaus Beyer und die unfassbar dumme, hässliche und bedeutungslose Brotspinne Patti Smith.
Und dieses Prinzip ist ganz praktisch, das Publikum, das doofe wie das so genannte intellektuelle, kann immer etwas erkennen, was es bereits schon mal irgendwo mitgenommen hat, muss sich also nicht aufregen, hier droht nicht DAS NEUE, DAS UNBEKANNTE, DAS UNHEIMLICHE, DAS HEHRE, DIE KUNST, hier droht allenfalls ein lärmender Kindergeburtstag, um 8 kommt dann der Clown Christoph mit den grossen quietschenden Schuhen.


02.01.2006 | 04:39 | Fakten und Figuren

Keiner hilft keinem


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Jahrzehntelang hatten die Männer nur ein Motto: Feuer, Pfeife, Stanwell, ein süsslich stinkender Tabak, mit dem die aus dem Krieg heimgekehrten Männer ruhiggestellt werden sollten (Wärme, Haltegriff, Essen). Doch dann kam Jörg Schlick und gründete den Geheimbund Lord Jim Loge, mit dessen Dreieinigkeits-Logo (Sonne, Busen, Hammer) er endlich eine vernünftige Alternative anbot, und die, man kann es ruhig so sagen, das geheime Vorbild für die Riesenmaschine ist. "Durch Schlicks Positionierung von Logo und Leitsatz in jeder seiner Arbeiten, veröffentlicht er das Geheimnis der Bundesmitglieder, die sich aus Abenteurern und Künstlern hierarchie- und statutenlos zusammensetzen und jeweils als 'Einer von uns' erkannt werden, kein Geheimnis zu haben, also der Indiskretion, verdeutlicht in deren Leitspruch 'KEINER HILFT KEINEM', und entlarvt damit politische, wirtschaftliche, religiöse und freundschaftliche Zusammenschlüsse als Machtbereicherungsstätten, deren Hülsen er aber beibehält und neu auflädt, um damit Institutionen ebenso wie geltende Wertvorstellungen und Kunstbegriffe in Frage zu stellen." (Elisabeth Fiedler). Am 29.12. 2005 starb Jörg Schlick im Alter von 54 an Knochenkrebs.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


30.12.2005 | 03:47 | Alles wird schlechter | Fakten und Figuren

Ausgangsleistung im Zeptowattbereich


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Die grosse Doppelbegabung Herschell Gordon Lewis war Zeit seines Lebens nicht nur von Blut, Schorf, Eiter und vom Geräusch ausgerissener Zungen fasziniert, sondern naheliegernderweise auch von richtig schlechter Werbung. Zahlreiche Filme und Bücher hat er zu beiden Themen gemacht, und man kann vermuten, dass er seine helle Freude an aktueller deutscher Werbung hätte. Stellvertretend für die harschen Zustände derzeit zwei kesse Beispiele:
Die CMA (=Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH) punktet nicht nur durch eine sagenhaft scheussliche Anzeigenserie, sondern liefert auch noch die Erklärung, warum sie sich nicht logischerweise CMG oder CMGDDAMBH abkürzt: Finde mal ein Wort in dem sich diese Buchstabenkombination so gut einbetten lässt wie in GesCMAck.
Die Firma T+A (steht für "Theorie und Anwendung") vergleicht in der neuen Kampagne (Spiegel 52/05, Seite 47) eine ihrer Lautsprechersäulen mit einem Zierkarpfen (Motto "Das Duell/Teuer gegen teuer!"), natürlich hat der Fisch mehr Nachteile, weil seine "Ausgangsleistung im Zeptowattbereich" liegt und das Lautsprechergehäuse "selbstverständlich ohne Gräten" kommt. Und wo findet man das Zeug?
"Bewundern Sie unsere Geräte in diesen liebevoll gepflegten High-End-Teichen" (Es folgt der Händlernachweiswimmeltext).
Für diesen abstrusen Rotz würde sich nicht nur Herschell Gordon Lewis am Geräusch der zur Strafe bestialisch ausgeweideten Agenturknechte weiden.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


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