Riesenmaschine

07.08.2006 | 12:19 | Anderswo | Alles wird besser | Was fehlt | Essen und Essenzielles

Alkoholikerbedarf

Manchmal sind chinesische Produkt- und Markennamen wirklich imponierend brutal auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten: So stehen auf dieser bereits hastig leer gemampften Erdnusspackung die vier Zeichen 'Jiu Gui Hua Sheng', wobei 'Hua Sheng' Erdnuss und 'Jiu Gui' Alkoholteufel bedeutet. Letzteres ist die landläufige chinesische Bezeichnung für einen Alkoholiker. Wer also diese, übrigens sehr gut mit Salz und getrockneten Chilischoten gewürzten Erdnüsse erwerben will, sagt am Wasserhäuschen in Peking: "Äh, und dann noch ne Packung Alkoholikererdnüsse, bitte." Wäre Gleiches wohl auch im Rest der Welt möglich? In Deutschland gar, im Porscheladen: "Ich glaube, ich nehme 'Angeberkarre 911 Turbo' in Silbermetallic da hinten"? Im Handyshop: "Hm, das Hartplaste-Handyschutzhüllen-Modell 'Vollhorst' gefällt mir ganz gut." Auf dem Weg ins Theater: "Ich seh' heute mit meiner 'Zahnarztgattin' ein Stück von 'Schlingensief'." Schön wär's.

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Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (9)


06.08.2006 | 00:45 | Anderswo | Alles wird besser

Where The Streets Have Yo Name


Populärkunst, bald auch in Deiner Strasse.
(Foto: Maggie loves Hopey / Lizenz)
Hipness ist für gewöhnlich nicht eine Eigenschaft, die von Gemeinderäten gemeinhin erwartet wird. Schon gar nicht in Wien, wo man vor allem damit beschäftigt ist, Plätze nach toten Professoren zu benennen und es bisher als Gipfel des kommunalen Jugendappeals galt, dass sich Planungsstadtrat Schicker offiziell von Rudolf in Rudi umbenannt hat.

Doch auf der Website der Stadtverwaltung findet man ausser Putzigem wie der Einladung zum Sammeln von Kübeln und zum Graben für Greise auch die Verkündigung, dass man im Rahmen des Stadterneuerungsprojektes Kabelwerk ein Stück Asphalt Graffitistrasse (runterscrollen) getauft und somit das "street" back in die street credibility geputtet hat. Während man in Berlin jährlich 50 Millionen Euro für die Beseitigung von Wandbesprühungen ausgibt, weiss man in Österreich längst, dass es sich hierbei um "Popularkunstwerke" (Zitat Rudi) handelt. Letztlich versteckt sich dahinter natürlich nur die übliche Gentrifizierung eines Arbeiterviertels, aber trotzdem: Respect, Wien. Schliesslich bekommt auch der tote Exbundespräsident Thomas Klestil nur eine zugige Plaza in einem schrundigen Bürokomplex am Stadtrand nach sich benannt, und darf noch nicht mal seinen Doktortitel mitnehmen.

Als nächstes böten sich diese zur Zeit an Wiens Fassaden aufpoppenden Populärkunstwerke zur Vereinnahmung an, und wenn wir uns dereinst mit dem Fiaker vom Stammbeisl nach Hause in die Space-Invaders-Gasse fahren lassen, werden wir der Stadt Wien und ihrem Kunstverständnis das nächste "Respect" entgegenlallen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Da Bürgamasta

Maik Novotny | Dauerhafter Link


04.08.2006 | 14:20 | Anderswo | Alles wird besser

Chinas neue Zellen


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Wenn man Zellen mit China in Verbindung bringt, dann fallen einem zunächst nur gefolterte Dissidenten und Mondbären ein. Dies jedoch ist die Vergangenheit, denn die Zukunft von Chinas Zellen wird vom MIT gestaltet: Links abgebildet ist der Entwurf für das neue Institut für "Nanobiomedical Technology and Membrane Biology" in Chengdu, entstanden durch einen Zirkelschluss aus Architektur und Molekularbiologie. Von aussen sieht es aus wie eine riesige Zelle, während es von innen genau wie eine riesige Zelle aussieht, mit Mitochondrien, Endosomen und sonstigen lebensnotwendigen Features. Vermutlich sind sogar Ionenpumpen eingebaut. Vorhersehbarerweise nennen die Erfinder das Ganze "molekulares bioarchitektonisches Design" – schon allein um sich vom in Europa seit geraumer Zeit virulenten Biomorphismus abzusetzen – und sehen in ihrer und unserer Zukunft einen neuen Trend zum zellbiologischen Gebäude. Klar ist jedoch, dass die neue chinesische Zellwelle nur dann eine Chance hat, wenn sich zunächst mal jemand einen geschmeidigeren Namen oder wenigstens ein lustiges Akronym dafür ausdenkt. Vielleicht am Stammzellentisch.


02.08.2006 | 18:58 | Alles wird besser

Speichel auf Rezept


Speichelfabrik (typähnlich) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Endlich! Beziehungsweise sehr bald schon wird man künstlichen Speichel kaufen können. Die Pharmafirma BioProgress erbarmt sich dieser unfassbar klaffenden Marktlücke und bringt ein Salivaspray namens HypoSalix auf den Markt. Das war gar nicht so einfach, denn wie alle wissen ist menschlicher Speichel ein kompliziertes Sekret und besteht zudem fast ausschliesslich aus dem komplexen und schwer handhabbaren Chemieprodukt Wasser. Zum einen technologisiert das Speichelspray die alte Kulturtechnik des Anspuckens, der daher eine neue Hochphase vorausgesagt wird. Zum anderen steht mit HypoSalix endlich ein adäquates Mittel gegen die Volkskrankheit Xerostomia (oft auch "trockener Mund" genannt) zur Verfügung, die unter anderem im Zusammenhang mit Krebstherapien oder seltener nach schwerwiegendem Alkoholmissbrauch auftritt. Oder halt einfach wenn der Mund ausgetrocknet ist. Wegen der unberechenbaren Nebenwirkungen von künstlichem Wasser möchte Bioprogress sein Speichelspray verständlicherweise nur gegen ärztliche Verschreibung verkaufen. Salivajunkies, ihr müsst weiterhin am Wasserhahn schnüffeln.


02.08.2006 | 10:27 | Anderswo | Alles wird besser

Neues aus Lüdenscheid


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Neues aus Lüdenscheid: Nach langem Hin und Her wurde im Zuge der Neugestaltung des Rathauses auch der Rathausplatz renoviert und passend zur iPod-weissen Rathausfassade mit hellem chinesischen Granit ausgekleidet, der sich allerdings als überaus empfindlich erweist. Insbesondere nach Markttagen wie heute häufen sich Obst- und Gemüseflecken, die bleibende Spuren hinterlassen: "Kirsch- oder Aprikosenkerne, achtlos fallen gelassen von Kunden, die an den Ständen probiert haben. Heruntergefallenes Obst, unabsichtlich zertreten. Abgeknickte Blüten und Blätter. Oder auch Blumenerde: An Markttagen ist das einfach so, liegt all das auf dem Boden herum – nicht nur in Lüdenscheid", fassen die Lüdenscheider Nachrichten gestern das Ärgernis ebenso atemlos-dramatisch wie ratlos-lakonisch zusammen. Schon wird diskutiert, ob die Lüdenscheider künftig wenigstens die Schuhe ausziehen sollen, wenn sie die "gute Stube" der Kreisstadt betreten.

Derweil schreitet unter der Erde die Verhübschung mit Siebenmeilenstiefeln voran. Das Forum-Parkhaus unter dem ehemaligen Wellenbad, das zunächst eine Grossraumdisko werden sollte, nun jedoch einen Kinderspielplatz beherbergen wird, wurde von Künstlerhand umgestaltet. Jede Säule trägt eine eigene künstlerische Handschrift, die einen grübeln macht, was an anonymen und kargen Parkhäusern so schlimm war.

Die eigentliche Basisinnovation stammt jedoch vom Lüdenscheider ÖPNV. Die örtliche Verkehrsgesellschaft MVG hat kurzerhand eine zusätzliche Einnahmequelle erschlossen, indem sie die Namen der Bushaltestellen an örtliche Gewerbetreibende verkloppte, und das deutlich günstiger als zum Beispiel anderswo in NRW – für eine Einrichtungsgebühr von 99 Euro und eine Monatsmiete von 59 Euro pro Haltestellenpaar heissen die Stopps nun nach Autohäusern, Steuerberater-Praxen, Optikern und Heilpraktikern, oder nach dem einzigen McDonald's am Ort. Der Bürgerprotest angesichts der Vermarktung des öffentlichen Raumes hielt sich bislang im Rahmen. Anders als Lenin hat die Reclaim the Streets-Bewegung es bislang anscheinend nicht bis Lüdenscheid geschafft.


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