Riesenmaschine

05.03.2007 | 03:10 | Anderswo | Alles wird besser

Billigflug der Fantasie


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Welcher Reisende hat sich nicht schon über die bürokratisch penible Schrulle der Realität geärgert, Flüge nach, sagen wir, Amsterdam, mit ermüdender Zwangsläufigkeit auch tatsächlich in Amsterdam landen zu lassen, anstatt in interessanten Orten wie Aktyubinsk? Für Freunde des experimentellen Reisens war beim Flugverkehr bislang nichts zu holen.

Geändert hat das nun ausgerechnet die kleine, listige Slowakei. Die dort ansässige Fluglinie Skyeurope hat flugs das Konzept Sneak Preview mit dem Konzept Billig-Airline fusioniert und bietet zweimal am Tag Flüge nach Mystery City an. Welch weltmännischer Thrill, erst beim Hinunterhüpfen von der Gangway zu erfahren, ob man in Mumbai, Moyale oder im sagenumwobenen Mu gelandet ist, mit lediglich Bikini und Baströckchen im Gepäck in Murmansk oder mit Mantel und Muff in Maui.

Die Flugzeit beträgt sowohl von Bratislava als auch von Prag kurzweilige 60 Minuten, mit nonchalanter Triangulierung ergibt sich daraus, dass Mystery City entweder auf einem Acker östlich von Łódź oder auf einer Südtiroler Almwiese liegen muss. Zumindest, wenn die Flugroute parallel zur Erdkruste verläuft, andernfalls landet man im tantenhaft benannten, gleichwohl mystischen Agartha.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Folgen Sie dem unsichtbaren Pfeil


04.03.2007 | 23:00 | Alles wird besser | Papierrascheln

Technologisches SprechaSprech


Das optomechatronische Auge von der Teekanone
(Foto: Kai Schreiber)
In der lustigen Online-Adventure-Parodie Kingdom of Loathing gibt es ein Monster, den "MagiMechTech MechaMech", in dessen Beschreibung es heisst, es sei "ein grosser Roboter, angetrieben von einer finsteren Mischung aus Magie und Technologie, aber weil hinreichend fortgeschrittene Technologie von Magie nicht unterscheidbar ist, ist das Mischungsverhältnis nicht zu erkennen." Die Beschreibung basiert auf Clarkes drittem Gesetz, das nicht nur für Technologien, sondern auch für die Beschreibung dieser Technologien gilt. War der "MagiMechTech MechaMech" noch eine Parodie eines der Science Fiction nahestehenden Unterhaltungsgenres, gilt für das grade neu gegründete International Journal of Optomechatronics vermutlich das genaue Gegenteil. Aber weil eben jede hinreichend fortgeschrittene Technologiebeschreibung nicht von Technobabbel unterscheidbar ist, werden wir es so bald nicht erfahren.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Vom mechanischen Verhalten biomedizinischer Substanzen


03.03.2007 | 14:29 | Anderswo | Alles wird besser

Gegen den Strunk


(Foto: Pressefoto vom Verleih)
Lange Zeit galt ja Michael Kliers "Überall ist es besser, wo wir nicht sind" als der schönste topophobe Titel in der Geschichte des deutschsprachigen Films. Am 9. März bekommt dieser nun Konkurrenz, wenn in Österreich Antonin Svobodas "Immer nie am Meer" (Trailer hier) startet, eine Komödie, die nicht nur im Titel Ortsfrust verbreitet, sondern tatsächlich 70 Minuten in einem eingekeilten Mercedes spielt.
Am Drehbuch schrieben neben Svoboda die drei Darsteller, die Wiener Radiomatadoren Christoph Grissemann und Dirk Stermann, sowie das Hamburger Studio-Braun-Mitglied Heinz Strunk mit, und so verzweifelt wie deren Humor ist auch der Film; als Komödie ist er Helge Schneiders miesepetrigem Meisterwerk "Jazzclub" verwandt, und wer dort gelacht hat, tut es vermutlich auch hier.

Das Schönste an "Immer nie am Meer" ist aber wahrscheinlich nicht mal Absicht: Nach zehn Millionen europäisch koproduzierten Roadmovies, die möglichst viele Grenzen überfahren, während schrullige Aussenseiter zu sich selbst finden – "Im Juli", "Heller als der Mond", "Blue Moon", "Donau" (als Dampfschiffvariante) undsofort – war es höchste Zeit, dass dieser Film passiert. Dass mal jemand die Karre nimmt und das perfideste aller EU-Filmförderungs-Abzock-Genres gegen den Baumstamm setzt. Schluss, aus. R.I.P.


03.03.2007 | 05:40 | Supertiere | Alles wird besser

Ferngesteuerte Schöpfung


Wenn Blicke von Tauben töten könnten, man müsste sich fürchten vor dem Mann mit der Fernsteuerung
(Foto: mybuffo) (Lizenz)
Man könnte behaupten, die Neigung der Menschen, an Magie und Fernwirkungen zu glauben, hänge damit zusammen, dass sie sich aus allem, was sie so um sich rum sehen, ein inneres Modell zusammenbasteln, und mit diesem Modell dann ja tatsächlich nach Belieben inneres Schindluder treiben können. Wenn man sich vorstellen kann, den schiefen Turm von Pisa gradezurücken oder eine Ente im Flug zu rupfen und zu braten, dann kann man das vielleicht tatsächlich. Man muss womöglich nur in die ohnehin schon halbdurchlässige Wand, die das Ding von seiner Repräsentation trennt, mit dem Denklaser ein schmurgelndes Loch brennen, fertig. Durch das Loch kommen dann zwar Fantasiesoldaten hereingepurzelt und usurpieren die Realität, aber das macht nichts, weil man die ja dann fernsteuern kann.

Lange Zeit war die Sprache das beste Mittel zu solcher Fernsteuerung, Kommandoton für Menschen, Hokuspokus für alle anderen, aber dann entdeckte der Mensch die Strahlen, den Servomotor und die Elektrode, und es konnte so richtig losgehen. Ferngesteuerte Autos, Unterhosen und Segelflugzeuge waren der Anfang, ferngesteuerte Küchenschaben, Ratten, Haie und – neueste Weltneuheit aus China! – ferngesteuerte Tauben sind ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Aber erst wenn wir uns durch das Umlegen eines Fernsteuerungshebels selbst dazu bringen können, einen Fernsteuerungshebel umzulegen, kann das Projekt Weltkontrolle als abgeschlossen gelten, und wir wieder ruhig durchschlafen. Durch beherzten Druck auf den Durchschlafknopf nämlich.


02.03.2007 | 18:04 | Anderswo | Alles wird besser

Die Zukunft ist ein Schlammbad


Foto: Lofter, Lizenz
Und während anderswo noch über Technologie, Innovation, Zivilisation oder einfach nur Gadgets diskutiert wird, führt Englands Weg unbeirrt zurück in die Steinzeit. Das kann man nur konsequent nennen, denn bei der wellenförmigen Natur jedweder Entwicklung kürzt es einfach den Weg über den Fortschrittsbuckel ab. Daher ist es bedauerlich, dass wir den wohl wichtigsten Schritt dorthin verpasst haben, den im Januar stattfindenden Tough Guy-Contest, ein unbeschreibliches Survival-Schlamm-Spektakel, bei dem nur jeder Fünfte durchkommt, basierend auf dem Erfahrungsschatz aus mehreren Weltkriegen und noch mehr sibirischen Ferienlagern. Gerade eben legt der amerikanische Sportjournalist Jim Caple bei ESPN ein bestürzendes Zeugnis darüber ab ("drunk is the only time to fill out the race application"). Der dazugehörige Film zeigt, ach, das soll sich jeder selbst ansehen, aber er zeigt jedenfalls die Zukunft, soviel sei verraten. Eine Zukunft, bei der man am Eingang einen "Death Warrant" unterschreibt (wie im richtigen Leben auch), und ausserdem angibt, welcher Religion man angehört, "for last rites before burning". Und dann kann man sich wirklich nicht über mangelnde Unterhaltung beschweren, auf der "Mr. Mouse Farm for Unfortunates" in Wolverhampton, dem Venue des Ereignisses, man wird sozusagen, äh, ständig und zuverlässig bei SEHR schlechter Laune gehalten, durch eiskalte Wassergräben, Feuerhaufen, Stromschläge, Schlammlöcher, Dreckbrühe, insgesamt sieht Takeshi's Castle dagegen aus wie Kindergeburtstag. Und wenn man glaubt, damit in Würde fertig zu sein, taucht irgendein Engländer auf, der das Ganze in Unterhosen bewältigt hat. Aber wenn das in der Zukunft eben so ist, meine Güte, so be it. Wir geloben jetzt schon, im nächsten Jahr dem Beispiel Englands zu folgen.


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