Riesenmaschine

31.05.2006 | 15:01 | Alles wird besser | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Vorlaute Bescheidenheit


Getränke, die lauthals herummeinen, sind nicht jedermanns Sache. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Nicht jeder Pilz ist ohne Schnörkel, das haben die Forscher der Riesenmaschine längst bewiesen und besprochen. Und auch bei der Gestaltung von Pilsverkaufsgefässen wird zur Verzierung gerne mal kräftig in die Lamettaschatulle gegriffen, manchmal wird sogar Gold draufgeschrieben, um ganz sicher zu gehen. Eichblätter, Frakturschriften, kastrierte Rindviecher, ewig wildgeredete Mitteljungschauspieler und andere landgasthofästhetische Elemente zieren Flaschen und Dosen, dass einem oft schon schlecht wird, bevor man noch halbwegs anständig betrunken ist.

Freudig, wenn auch mit Dosenpfandgewissen wahrgenommen wurde deshalb zunächst die Pilsvariante "5,0 Original", kommt sie doch in schwarz und weiss daher, ganz ohne Bauernhof- und Waldhornschnickschnack. Leider währt die Freude nicht lang, denn es wird zwar – theoretisch bescheiden – auf "keine aufwendige Prägung" und "ohne Schnörkel" hingewiesen. Allerdings konnte man sich vor lauter Sparen wohl auch keinen dieser irrsinnig kostspieligen Punkte am Ende des Satzes leisten. Nur so ist zu erklären, dass der sparwillige Neunundzwanzig-Cent-Trinker es sich gefallen lassen muss, von seinem Bier angebrüllt, ja, angebrüllt zu werden – und das noch vor dem ersten Schluck. Da kann man ja gleich heiraten, denkt der geneigte Alkoholkonsument, wohl zu Recht.

Die kurzfristig anberaumte Verkostung – eine ausführlichere, riesenmaschinenunabhängige findet sich bei Frank Sesselmann – ergab übrigens, dass "5,0 Original" tatsächlich auch mit Goldaufdruck nicht besser schmecken würde.


25.05.2006 | 01:58 | Alles wird schlechter | Essen und Essenzielles

Fleisch trifft Pommes


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Manche Produktinnovationen ergeben sich einfach durch die ingeniöse Rekombination zweier Komponenten, die für sich genommen zum unspektakulären Inventar des Lebens zählen. Man mus halt nur drauf kommen. Und zack, Raum trifft Kraft, Samen trifft Zeit, findet eine neue Urzeugung statt, eine kalte Kernfusion an deren Ende ein neues, nie da gewesenes Produkt steht, das allen den Stecker rauszieht. Zack: Pullover + Mütze = Hoodie. Zack: Sportwagen + Jeep = Cayenne. Zack: Bier + Limonade = Alsterwasser. Genau so ist es bei "Servet's KebabBag" nicht, den es seit Neuestem (0 Googletreffer, Stand heute) am Hackeschen Markt zum Mark-up-Preis von 3 Euro zu beziehen gibt. Genauer gesagt: Es passiert gar nichts. Dönerfleisch und Pommes mit Mayo und Ketchup liegen unversöhnlich Seite an Seite in der Papiertüte, von einander abgewandt, wie ein altes Ehepaar, das schon seit Äonen keinen Sex mehr hatte. Geschmacklich: Keine spontane Kettenreaktion, nicht mal ein Amalgam entsteht, vielmehr eine unbefriedigende Emulsion aus laffen Pommes- und laffen Döneraromen, eben so, als hätte noch jemand Öl aufs Fett gegossen und nicht aufs Feuer. Nur die Sauce suppt unten aus der Spitze der Tüte aufs Hemd und macht den "KebabBag" alles in allem zum grössten Dreck, den sich die Branche seit dem Dönerburger ausgedacht hat.


16.05.2006 | 14:16 | Anderswo | Alles wird schlechter

Hi, ich bin's nur


Von diesem Plakat möchte
man nicht angerufen werden,
oder vielleicht gerade doch. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Als in den 90er Jahren das beleuchtete CityLight-Plakat die Innenstädte endgültig erobert hatte, verursachte Anna Nicole Smith auf der Urmutter aller H&M-Plakate vermutlich mehr Verkehrsunfälle als irgendjemand anderes vor ihr. Gegen eine neue Generation von Plakaten wird ihr Werbestern jedoch sicher verblassen. Denn in Paris werden demnächst Plakate erprobt, die Passanten auf ihrem Handy anrufen (gesehen bei Technovelgy). Zwar müssen diejenigen, die in den Genuss eines Plakatanrufs kommen möchten, ihr Einverständnis geben und eine Software herunterladen. Der nächste Schritt ist aber leicht zu erraten: Handy mit Werbung für lau, Handy ohne Werbung für unlau – das fühlt sich unlauter an. Natürlich kann das Plakat einem auch kleine Videos schicken, SMS sowieso oder Coupons, mit denen man etwas billiger bekommt, was man im Zweifel nicht mal geschenkt haben möchte. Trotzdem oder vielmehr deshalb betonen die Verantwortlichen der Firma JCDecaux, man müsse "sehr behutsam sein, damit der User nur die Werbung bekommt, die ihn interessiert". Angesichts der grossartigen Erfolge der interessegesteuerten Filtertechnik in den meisten anderen Medienkanälen sind wir zuversichtlich, dass auch Plakatanrufe in der Zukunft nur das bringen, was man wirklich möchte, also Penisvergrösserung. Das allerdings hatte Anna Nicole Smith auch schon geschafft, auf eine Art.


15.05.2006 | 11:09 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

The end of the w.c. as we know it


Die häufigste Frage steht nicht in den FAQ: Warum? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Riesenmaschine kämpft nebenberuflich gegen Kulturpessimismus. Nichts ist ermüdender als eine Beschwerde ohne Grund und nichts zerstört die Wirkung echter Kritik nachhaltiger als eine Kaskade Belanglosigkeiten im kritischen Gewand. Wer sagt, dass alles immer schlechter wird, sollte zur Strafe die 80er nochmal erleben müssen. Die Riesenmaschine kämpft auch gegen Fortschrittsfeindlichkeit. Fortschritt bedeutet Freiheit. Wer "mehr Fortschritt" mit "mehr Atomkraftwerke" verwechselt, ist doof. Die korrekte Haltung gegenüber dem Fortschritt ist kritisch-distanzierte Begeisterung. Wer sagt, dass früher alles besser war, sollte seine Jeans von Hand waschen müssen.

Leider fallen diese schön am Kneipentisch ausgedachten Grundsätzlichkeiten für Stunden und Stunden in sich zusammen, wenn man unvorbereitet mit dem Neorest von Toto konfrontiert wird (via). Es handelt sich dabei um ein HighTech-Klo mit Fernbedienung mit LCD-Display, patentierter Cyclone-Spülung, stufenlos verstellbarer Sitzheizung, Öffnungsautomatik mit Bewegungsmelder und einem ausfahrbaren Spritzdüsenstab. Wir wollten nie ein Klo mit Resetknopf. Es ist wahrscheinlich das einzige Elektroklo auf der Welt mit einem 360°-Quicktime-Film auf der Website. Wie soll man so den Menschen den Fortschritt schmackhaft machen. Es gibt keinen stärkeren Keil als den vom eigenen Holz.


02.05.2006 | 14:07 | Alles wird schlechter

Tätowationen für alle


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Nachdem der letzte Schmetterling auf der Schulter gelandet war, der letzte Delphin, der letzte Tribalquatsch sich um den Arm geschlängelt hatte, und alle Steissbeine mit Geweihen versehen waren, wurden die Tätowierer müde, sie legten ihre Nadeln beiseite und ruhten sich aus und überlegten, was man der nicht endenwollenden Schlange der Tätowiersüchtigen noch in die Haut stechen könnte. Der Junkie Pete Doherty war einer der ersten, der den Trend zum notizenhaften Gekritzel wieder populär machte, wie sein grosses Vorbild GG Allin, der, wie auch er, recht grosszügig auch mit einer anderen Nadel umging, womit er sich dann, wie er es angekündigt hatte, auf der Bühne ein pathetisches Ende bereitete, etwas, was Doherty noch bevorsteht. Und für all jene, die befürchten, dieser räudige Chic könnte für sie eines Tages karrierehemmend beim Vorstellungsgespräch sein, lanciert man nun, nachdem auch die nur in der Disco sichtbaren Tätowierungen, Tätowierungen für Hasenfüsse und die Stilmöbel bereits durch sind, den allerneusten Trend: Auf den Finger tätowierte Schnurrbärte. Und dann braucht man auch nicht mehr den kleinen albernen Taschenkamm, wenn man mal wie Mel Brooks den Hitler macht.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


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