Riesenmaschine

03.03.2006 | 19:49 | Alles wird schlechter

Thermonuklearer Spass


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Willkommen zurück im Kalten Krieg! Nachdem es inzwischen ja wieder ultimatives Spassprojekt jedes auf Schutz vor amerikanischer Bedrohung bedachten Landes ist, eigene Atombomben zu basteln, und die USA mit der Entwicklung von atomaren Kleinwaffen endlich handliche Gegenentwürfe zur weltweiten nuklearen Zerstörung fast am Start haben, beweisen die "Bedroom-Programmers" Introversion Software Sinn fürs Wesentliche. Die Briten repräsentieren eine Form von Spiele-Underground, die, wie so viele interessante Projekte, auf Autonomie und Selbstausbeutung beruht. Ihr erstes Projekt, "Uplink" (released 2001), war eine liebevolle, grafisch extrem reduzierte Simulation weltweiten Hackens und fand dank Webvertrieb ein grosses Publikum, ihr zweites Werk, "Darwinia", überzeugte 2005 mit futuristischem Retrodesign und einfachem, aber ausgefuchstem Gameplay leider hauptsächlich die Presse. Das kommende dritte Werk , "Defcon", geht grafisch wieder einen Schritt zurück, und zwar ins Jahr 1983. Der "Jugendlicher-Hacker-löst-aus-Versehen-fast-Atomkrieg-aus"-Plot des Films War Games (1983) stand Pate. Doch auch das hysterische, schwarzhumorige Amiga-Spiel Nuclear War (New World Computing, 1989) kommt als Uropa des im April erscheinenden, stylish reduzieren "Defcon" in Frage (unvergesslich der "Victory"-Screen von "Nuclear War": auf einer zerbombten Erde hüpft ein bei "Spitting Image" abgekupferter Politiker-Zwerg herum: "I win! I win!"). "It's Global Thermonuclear War, and nobody wins. But maybe – just maybe – you can lose the least", lautet der zynische Teaser für Introversions reduziertes, fast abstraktes Strategiespiel, in dem der Spieler sein atomares Vernichtungsarsenal aus der Sicht eingebunkerter Führungsstände steuert. "Dr. Strangelove" lässt grüssen. Vielleicht ist das Zynismus, möglicherweise auch britischer Humor. Thematisch jedenfalls beweisen Introversion gutes Timing.


02.03.2006 | 21:45 | Anderswo | Alles wird schlechter

Völkermord in der Schweiz!


Völkermord: so einfach gehts
(vorher – nachher) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Das Böse schlägt ja oft dort zu, wo man es am wenigsten erwartet: zum Beispiel in der idyllischen Schweizer Bergwelt. Also dort, wo die vierte Schweizer Landessprache zuhause ist, das Rätoromanisch. Es handelt sich beim Rätoromanischen um eine eigenständige, lateinische Sprache, die gerade noch von rund 35.000 Berglern gesprochen wird. Erschwerend kommt dazu, dass das Rätoromanische wiederum in 5 sehr unterschiedliche Dialekte zerfällt, die langsam aussterben. Bereits 1938 wurde die Sprache als vierte Landessprache anerkannt, in den 1980er Jahren wurde mit dem Rumantsch Grischun eine gemeinsame Schriftsprache geschaffen und seit 1999 ist diese offizielle Amtssprache. Natürlich wird das Rätoromanische, wie alles was alt ist und ausstirbt, mit Bundesgeldern und per Gesetz gehätschelt und gepflegt. Wer also sein Manuskript oder sein Demotape immer wieder zurück geschickt bekommt oder schon immer eine eigene Zeitschrift herausgeben wollte: ist das Ganze in Rätoromanisch, ist ihm Unterstützung von ziemlich weit oben gewiss.

Doch kürzlich scheint es den Verantwortlichen im Bundesamt zu bunt oder einfach zu teuer geworden und man bat die Kollegen vom Bundesamt für Gesundheit um nichts Geringeres als um Behilfe zum Völkermord oder zumindest zur ethnischen Säuberung. Die rätoromanische Minderheit soll ausgerottet werden. Dazu hat man sich eine äusserst hinterhältige Methode ausgedacht: während man neuerdings alle anderen Sprachgruppen vor den tödlichen Folgen des Rauchens mit riesigen Hinweisen auf den Zigarettenpackungen warnt, lässt man die rätoromanischen Minderheit blauäugig und naiv in den Lungenkrebshammer laufen. Kein Wort über Gefahren und Risiken, sie werden alle sterben.

Das, liebe Verantwortliche im Bundesamt, wird euch in der Karma-Endabrechnung dereinst teuer zu stehen kommen. Die verlegen gemurmelte Ausrede, es wäre gar nicht ernsthaft um eine Warnung gegangen, sondern lediglich darum, die Zigarettenpackung hässlich und uncool zu machen, die wird euch dann nämlich nichts mehr nützen.


28.02.2006 | 17:49 | Anderswo | Alles wird schlechter

Schwerter zu Flugscharen

Seit der Teppichmesseraffäre im September 2001 werden Flugzeugentführer weltweit immer erfinderischer. Wie nebenstehendes Beweisfoto beweist, konnten tapfere Sicherheitskräfte am Terrorknotenpunkt Zürich sorgfältig geplante Attentate durch Plastikschwerter, Spielzeugpistolen und dreitausend Papierscheren verhindern, in dem sie, ein ausgereifter Trick, die Waffen konfiszierten und in einen Plexiglasbehälter sperrten. Denn: Nur eingesperrte Papierscheren sind gute Papierscheren. Aber wie besorgniserregend sind diese Zeiten? In denen gewissenlose Menschen mit Papierscheren verreisen? Was werden sie als nächstes illegal im Handgepäck verstecken? Muss man den Verbrechern demnächst Fingernägel und Zähne entreissen, nur damit sie den Piloten nicht zerkratzen und aufessen? Leider kann man solche Fragen oft gar nicht beantworten.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


26.02.2006 | 15:26 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Kopfhörer (nachher)


Das Auge hört mit (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Dass das richtige Produkt glücklich machen kann, wird jeder Mathematiker bestätigen. Vielen gilt die Riesenmaschine inzwischen als massgeblich bei Tierauswahl und Produktbeschaffung, ja, oft genug wird ihr eine quasiklerikale Unfehlbarkeit der positiven wie negativen Konsumkritik zugeschrieben. Das Wort "Produktpapst" geistert hier und da durch die Flure der Republik. Es ist an der Zeit, mit dieser leicht überzeichneten Fremdwahrnehmung aufzuräumen und einen Fehler zuzugeben. Einen Fehler, den wir im Sommer gemacht haben, ärgerlicher noch, den ich im Spätsommer gemacht habe, indem ich den Kopfhörer MDR-EX71 über den grünen Klee gelobt habe. Nur wenige Monate später sieht genau dieses Produkt aus wie eine Karre Mist (Foto). Aus irgendeinem Grund hat sich die einst weisse, glatte, flexible Aussenhaut des Kabels in einen grauen, klebrigen Schleim verwandelt, der sich durch blosse Betrachtung bereits von selbst vom Kupferdraht abknibbelt.

Zwar ist der Klang noch immer tadellos, aber wer steckt sich gerne zwei von Schleimfäden zusammengehaltene, stinkende Gummiklumpen ins Ohr? Nein, die Enttäuschung sitzt tief, so schnell werde ich mich wohl nicht wieder in einen Ohrhörer verlieben, denn wir passten fantastisch ineinander, ich konnte ihm stundenlang zuhören, lieh ihm im Ausgleich stets ein Ohr, wenn er etwas zu sagen hatte, ein schwerer Schlag. Vielleicht bin ich einfach nicht der Typ für Sonys.

Dieser Beitrag ist leider ein Update zu: Real Ohropax


15.02.2006 | 16:17 | Berlin | Alles wird schlechter

Schweinebauch-Aussenwerbung


Der Peuble geht auf die Strasse (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Als Schweinebauch-Werbung bezeichnet man in der Branche jene Form der Brachialreklame, die mittels marktschreierischer Aufmerksamkeitseffekte und einer starken Betonung des Preisarguments für vermeintliche oder tatsächliche Sonderangebote bei Discountern werben soll. Zumeist begegnet sie einem in Form der Wimmelanzeigen oder als Beileger in Tageszeitungen, zunehmend auch als Postwurfsendung im Briefkasten, wie der Werbeblogger in einer verdienstvollen Collage dokumentiert hat. Neu ist, dass sie wie bei diesem ästhetisch herausgeforderte Angebot des Trash-Textil-Discounters Zeeman in den Aussenbereich migriert und als 18/1-Plakat das Stadtbild verunziert, dienten Billboards doch bislang eher der Lancierung von Neuprodukten sowie der Marken- und Imagebildung. Was solls? Gleichviel. Wird die Stadt eben zu einer bewohnbaren Wimmelanzeige. Wenn eh alles immer trashiger wird, können wir auch auf den schönen Schein der Webung getrost verzichten. Und auf einigen anderen überflüssigen Luxus der Zivilgesellschaft ohnehin. Wie Harald Schmidt einmal richtig bemerkte, gibt es sowieso nur noch zwei sinnvolle Bundesländer: Aldi Nord und Aldi Süd.


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