22.07.2007 | 13:36 | Anderswo | Vermutungen über die Welt
 Foto: Kathrin PassigWien ist eine Stadt, in der es kein Verbrechen gibt. Nicht einmal Ordnungswidrigkeiten sind den braven Wiener Bürgern bekannt. So gibt es denn auch in Wien keine Graffiti, Hunde äusserln freiwillig ins Sackerl, und in den Parks raucht man getrocknete Bananenschalen. Das abgebildete Plakat, das die Vorteile des wilden Plakatierens auflistet, ist wie auch der Graffitikurs Teil einer Kampagne zur Hebung Österreichs auf EU-Kriminalitätsniveau. Noch herrscht Widerstand im Volk gegen die neuen Verbrechensvorgaben, das Lob des wilden Plakatierens ist von empörten Wienern schon wenige Minuten nach Aufklebung wieder halb entfernt, aber es wird schon werden, Wien.
15.07.2007 | 04:38 | Anderswo | Fakten und Figuren
 Spelling Bees (Bild typähnlich) Foto: Emelobi, LizenzAusflug in ein fremdartiges Universum: Ein Spelling Bee ist nicht etwa eine hyperintelligente Biene, sondern ein Buchstabierwettbewerb, dokumentiert im Science-Fiction-Klassiker Spellbound und im angenommenen Universum ein sehr populäres Ereignis. Bei der letzten Weltmeisterschaft, dem Scripps National Spelling Bee Ende Mai in Washington D.C., gewann Evan O'Dorney durch richtiges Buchstabieren des Wortes "serrefine", was auch immer das bedeuten mag. Pickets of English Spelling sind dann auch nicht etwa alphabetisch angeordnete Zaunpfosten, sondern Bestreikungen eines Spelling Bee. Auftritt der Simplified Spelling Society (SSS): Seit fünf Jahren bestreikt die SSS mit ihrem Maskottchen BeeMan (es ist ein seltsames Universum) den National Spelling Bee, zusammengenommen das 5th Annual Picket of National Spelling at National Spelling Bee, ein Fachbegriff, den man sich merken muss.
Die Stimmung ist schlecht im fremden Universum. Seit 99 Jahren versucht die renitente SSS eine Buchstabierreform durchzusetzen, die im Vergleich zur deutschen Rechtschreibreform aussieht wie etwas sehr Grosses neben etwas sehr Kleinem. Anlässlich des 5th Annual Picket of National Spelling liess die irdische BBC kürzlich Experten über das Spelling Dilemma diskutieren, konkret SSS-Schergin Masha Bell und Prof. Vivian Cook, bekanntgeworden mit dem Gemüsebuch Accomodating Brocolli in the Cemetary. Mit vorhersehbaren Argumenten, hier nur ein Beispiel (in korrekt vereinfachtem Englisch): Worldwide, English spelling wastes zillions, not onely in terms of time and effort, but in real munny too: for remedial education and to suport functionally illiterate adults. The latter ar also mor likely to becum yung singl parents, end up in jail, be adicted tu drugs and alcohol and hav poor helth.
Zustände sind das. Ins Gefängnis wegen schlechter Rechtschreibung? Drogenabhängig durch zerschmetternde Niederlagen beim Buchstabieren? Und die alles umgreifende Frage: Gibt es eine Sprache, die wirklich jeder Idiot schreiben kann? Gut, dass es solche Probleme bei uns nicht gibt.
13.07.2007 | 12:38 | Anderswo | Alles wird besser | Was fehlt
 Bild typähnlich, die Berliner Polizei wird vielleicht auf die Ausstattung mit Raketen und Flammenwerfern verzichten. (Foto: Elsie esq., Lizenz)Wie die Berliner Zeitung gestern meldete, plant das Innenministerium von Brandenburg, seine Polizei demnächst mit Gyrocoptern, auszustatten, da ein Flug mit dem Gyrocopter wesentlich günstiger sei als mit einem der beiden landeseigenen Hubschraubern. Die Gyrocopter sollen bei der Verkehrsüberwachung, der Verfolgung von Straftätern und bei der Vermisstensuche helfen, bereits am 1. August sollen Tests beginnen.
Das ist toll! Und es ist egal, ob die Dinger unbrauchbar sind, weil man noch nicht weiss, ob das Funknetz zwischen ihnen überhaupt funktioniert, weil man sie nicht mit Fracht beladen kann und deshalb nicht mal eine Wärmekamera zur Kindersuche mitführen darf, oder weil die Beamten, wie gemutmasst wird, sich in ihnen "bei schlechtem Wetter ernsthaft erkälten" oder "sich der Lächerlichkeit preisgeben" könnten. Denn es handelt sich erstens um Helikopterartige, die Nagetiere unter den Flugmaschinen, und zweitens, was noch viel wichtiger ist, um den lange überfälligen Beginn der Gadgetisierung der deutschen Einsatzkräfte. Bald wird die Polizei bei der Bewältigung ihres knallharten Arbeitsalltages nicht nur in der Luft, sondern auch auf dem Wasser und zu Lande auf einem aktuellen Stand sein, von neuester Waffentechnologie einmal ganz abgesehen!
11.07.2007 | 17:28 | Anderswo | Alles wird besser
Lezhi ist eine kleine Stadt von höchstens 250.000 Einwohnern in der chinesischen Provinz Sichuan. Es gibt hier rein gar nichts zu sehen, ausser vielleicht drei Reiterstandbildern und einem Museum, das General Chen Yi gewidmet ist. Der grösste Sohn der Stadt war chinesischer Vizepremier und bis zu seinem Tod im Jahr 1972 Aussenminister. Seit ca. 60 Jahren war in Lezhi kein Ausländer mehr zu Besuch, schon gar nicht im Hong-Yang-Hotel, das versteckt in einem Hof an der Dong Jie (Oststrasse) liegt. Über der Toreinfahrt zum Hotel prangen die alten Zeichen des Fortschritts, der gute Hammer und die brave Sichel. Und tatsächlich ist das Hong Yang ein Hotel, von dem die Friebes und Lobos dieses Erdballs träumen. Für nur umgerechnet 15 Euro (drei mehr als für das Standardzimmer) kann man hier ein Computerzimmer (wörtlich: Dian Nao Fangjian = Elektrogehirnzimmer) beziehen, das über einen Lenovo-Rechner mit Intel-Celeron-D-Prozessor verfügt, mit DVD-Laufwerk, passablen Boxen und einer fixen ADSL-Internet-Standleitung. Wie in jedem chinesischen Hotel gibt es dazu im Bad Zahnbürsten satt, mit drangepappten kleinen Zahnpastatuben. Hong Yang heisst in etwa: "Loben und preisen, damit die Volksmassen davon wissen." Das tun sie nun.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Hotels, wir müssen reden
07.07.2007 | 23:10 | Anderswo | Was fehlt | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles
 Schmeckt wie Softporno und frisch gebadet (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Schon seit geraumer Zeit nähert sich die Abteilung Körperpflege im Supermarkt dem Milchregal an bzw. bezieht seine Impulse für neue Geschmacksnoten von dort. Dass diese Fluktuation nicht nur in einer Richtung funktioniert, beweist die Schweizer Supermarktkette Coop mit einer gewagten Neuheit: Rose Lassi bezieht sein Aroma aus zehn Prozent "wässrigem Auszug aus Rosenblüten" und einer nicht näher bezeichneten Menge Rosenöl. Das Faltblatt im Deckel belehrt uns, dass für zehn Gramm dieses kostbaren Duftstoffes einhundert Kilogramm Rosenblätter benötigt werden – dafür erscheint der Preis von 1,95 Franken mehr als angemessen, wobei die Tatsache allein das Getränk noch keineswegs geniessbar macht.
Wer nun aber beim Stichwort Rosenöl unwillkürlich an Pudelschampu denkt oder den Geruch in der Wohnung der trutschigen Grosstante assoziiert, ist eindeutig auf dem Rosenholzweg. Tatsächlich entwickelt das an sich schwülstige Rosenaroma in Verbindung mit dem salzigen Joghurt einen irisierenden Akkord, der eine Tür in völlig neue sensorische Regionen aufstösst: das Feld des Erotischen und der Körpersäfte nämlich. Auch wenn der Vergleich mit Blümchensex an dieser Stelle etwas zu weit führen würde, lässt sich der komplexe Abgang doch wohl am ehesten damit beschreiben, wie es wäre, Kleopatras Badewasser zu trinken, dem die Sonnenkaiserin nach einer langen und anstrengenden Nacht mit wechselnden Liebhabern soeben entspannt und rein wieder entstiegen ist. Wer auf solcherlei Phantasien steht, wird auch auf den Rose Lassi komplett abfahren.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Food & Non-Food Full Circle
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Kalenderspruch (lehrreich)
- Lemniskate
- vor sich hin autonomisieren
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SO NICHT:
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- Bäckereiensterben
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AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Elementarteilchen", Oskar Roehler (2006)
Plus: 12, 29, 47, 48 Minus: 54, 93, 95 Gesamt: 1 Punkt
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