09.04.2007 | 12:01 | Anderswo | Supertiere
 Glencoe (Foto: mike138, Lizenz) Irgendwo anders (Foto: munir, Lizenz)Der Duke of Argyll ist einer der mächtigsten Menschen in Schottland. Schon immer gewesen, wird immer so sein. Nicht nur war er der Häuptling des Campbell-Clans, als es den noch gab, sondern er führt ausserdem noch ungefähr 84 andere Bezeichnungen (leicht untertrieben). Er sollte sie verkaufen, die Titel wie Viscount Lochow and Glenyla, MacCailean Mòr und Son of Colin the Great, er könnte total reich sein. Moment, ist er wahrscheinlich, schon immer gewesen, wird immer sein. Die Leute von Argyll, vereinnahmt und geadelt vom englischen Königshaus, spielten führende Rollen bei zahllosen Kriegen, wurden exekutiert und, dem jakobitischen Wahn verfallen, von Lord Dalrymple gegen ihre alten Todfeinde, die MacDonalds von Glencoe, aufgehetzt, dort wo heute die Touristen ihre Beinchen am Ben Nevis zugrunde richten. Kaum jemand in Schottland hatte jemals soviel zu melden wie der Duke von Argyll.
War immer so, wird immer so sein. Der aktuelle Duke of Argyll ist gleichzeitig der jüngste: Torquhil Ian Campbell MacCailein Mor XIII Duke of Argyll. Weil Revolutionen, Massaker und Exekutionen in Argyll heute gesetzlich von den englischen Besetzern verboten sind, lässt er seinen Herrschaftsdrang an Elefanten aus. Elefanten-Polo funktioniert genauso wie Pferde-Polo, nur mit grösseren Tieren, deren Steuerung verkompliziert wird durch die Tatsache, dass sie weder englische noch gälische Befehle verstehen und, anstatt ihren royalen Pflichten nachzukommen, offenbar gern im Bambus streunen gehen. Der 13. Duke of Argyll führte sein schottisches Elefanten-Polo-Team zu drei Weltmeisterschaften innerhalb von fünf Jahren. Bis die Dynastie 2006 zusammenbrach, als der Duke das Turnier aus unbekannten Gründen versäumte. Stattdessen wurde im Dezember 2006 der schottische Angus-Clan Weltmeister im Elefanten-Polo – späte Rache für die MacDonalds, die Campbells geschlagen mit fremdartigem Getier.
04.04.2007 | 20:51 | Anderswo | Supertiere | Alles wird besser | Essen und Essenzielles
 Algenfarm, ca. 1850 (Foto: jurvetson) (Lizenz)Das Gute an der Zukunft ist dass sie immer etwas zu wünschen übrig lässt. Auf viele Neuerungen kann man sich sein ganzes Leben freuen. Gutzuheissen ist jedenfalls, wenn sich junge Leute an die Zukunftspläne der Alten erinnern und sich beispielsweise mal wieder an Biosphäre-Experimenten versuchen, wobei sie sich für 14 Tage in eine Unterwasser-Box einsperren lassen, in der Algen Nahrung und Sauerstoff erzeugen, der Jungforscher aber den Strom über Muskelarbeit. Besser wäre es aber gewesen, wenn er sich vorher über Alternativen informiert hätte. Als Australier hätte er nun wirklich wissen sollen, dass man zur Stromerzeugung Pinguine einsetzt.
04.04.2007 | 11:39 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder
 Wo ist hier bloss der Witz?"Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts", sagt Immanuel Kant in der Kritik der Urteilskraft. Und im Prinzip sagen das die meisten anderen Lach- und Humortheoretiker auch: Es muss mindestens etwas Überraschendes sein, das uns Lachen macht. Warum aber lachen manche Menschen immer wieder über uralte Witze, längst verbrauchte Wortspiele, simple Rechtschreibfehler. Woran liegt's? Genetischer Defekt, das Alter, Komplettkaputtness? Schön wäre es, wenn die Wissenschaft mal diese Frage klären könnte. Gemeint sind Wissenschaftler, keine Freudianer, bitte! Hinhauen tut dagegen Kants alte These bei folgender Passage aus dem jüngsten Buch von Helmut Schmidt, in der der Altbundeskanzler seine Begegnung mit Mao Tse Tung im Jahr 1975 schildert, wobei Kant selbst eine kleine Rolle spielt: "Er begrüsste mich mit den Worten: 'Sie sind ein Kantianer', was so nicht stimmte, und sagte dann: 'Und ich bin ein Marxist.'" Tatsächlich: Grosse Overtüre, gespannte Erwartung, und dann das aller Welt Bekannte, somit das Nichts. Sehr komisch. War also Mao – dessen zweiter Sohn übrigens vorletzte Woche im Alter von 84 Jahren gestorben ist – letztlich der Kantianer? Auch dazu schweigt die Wissenschaft.
01.04.2007 | 13:33 | Anderswo | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles
Das ist das Etikett der weltberühmten deutschen Biermarke Blue Girl. Alles ist deutsch darauf: Die Bezeichnung "Pilsener Lager Bier", die Aufschrift "Schutzmarke", die lächelnde Germania, die eine dieser neumodischen elektrischen Lampen mit der Aufschrift "Excelsior" in der rechten Hand hält. Aber halt, "Blue Girl" ist doch gar kein deutscher Name? In Hongkong schon, wo dieses Bier das bekannteste und am meisten verbreitete "deutsche" Bier überhaupt ist. Ein typischer chinesischer Fake also, so wie Bayerische Gesundheitsideologie?
Keineswegs, auch wenn Blue Girl tatsächlich einer Hongkonger Firma gehört, die wiederum dänische Besitzer hat: Jebsen & Co. Die Vorfahren dieser Besitzer aber waren einst Deutsche, die Jacob Jebsen und Heinrich Jessen hiessen. Sie gründeten 1895 eine Handelsfirma in Hongkong, die 1906 dann Blue Girl erwarb; ein Bier, das angeblich bereits seit dem 18. Jahrhundert in Bremen gebraut wurde und an dem sich die deutschen Kolonialtruppen im chinesischen Qingdao gerne labten. Erst 1909 eröffnete Jebsen & Co. auch eine Niederlassung in Hamburg. Die Kaufleute selbst aber stammten ursprünglich aus dem nordschleswigschen Apenrade, und das war letztlich ihr Glück. Als im ersten Weltkrieg sämtliche deutsche Auslandsvermögen beschlagnahmt wurden, deren die Mitglieder der Entente habhaft werden konnten, betraf das natürlich auch Jebsen & Co. Nach dem Krieg aber waren die beiden Eigentümer plötzlich Dänen, und zwar weil 1921 Nordschleswig nach einer Volksabstimmung an Dänemark fiel. Auch ihre Firma war über Nacht dänisch geworden, so dass Jessen und Jebsen, anders als die deutschen Unternehmen im britischen Hongkong, unbehelligt weiter wirtschaften konnten.
Das Bier aber blieb deutsch. Das Etikett der Flasche jedenfalls sieht heute immer noch so aus, wie Etiketten im deutschen Kaiserreich aussehen mussten. Wie allerdings der Originalmarkenname gelautet hat, ist nirgends in Erfahrung zu bringen. Wirklich "Blaues Mädchen"? Wenn ja, könnte nicht einer diesen schönen Biernamen aus Hongkong reimportieren? Besser als Beck's Gold, Beck's Chilled Orange, Beck's Level 42 oder, ächz, würg, Beck's Fünftagebart ist er allemal.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Bayerische Gesundheitsideologie
29.03.2007 | 16:42 | Anderswo | Supertiere | Alles wird besser | Was fehlt
Der gemeine Tintenfisch ist ein ungemein vielseitiges Tier, aus dem man alles Mögliche machen kann: Aufblasbare Kinderrutschen, Kopfmassagegeräte oder Handtaschen. In Amerika schmeisst man ihn auch gelegentlich aufs Eis und glaubt, das bringe Glück. Die Amis eben. In Hongkong benutzt man den Fisch zum Bus- , Tram- und U-Bahnfahren: Die Octopus-Card ist eine Smartcard, auf die man eine gewisse Summe Hongkongdollar lädt. Bei Fahrtantritt hält man sie vor ein Lesegerät, das einem das Fahrgeld dann von der Karte abzieht. Das ist nicht nur extrem praktisch, sondern spart auch viel Zeit. Damit sich aber der ganze Vorgang nicht gar so vernünftig gestaltet, haben die Hongkonger Verkehrsbetriebe (MTR) in der ganzen Stadt so genannte Fare Saver versteckt. An diesen Säulen kann der Passant seinen Tintenfisch aufladen, ohne etwas zu bezahlen: Ganze zwei Hongkongdollar spendiert die MTR pro Smartcard. Die Fare Saver sollen angeblich der Volksgesundheit dienen, weil sie die Hongkonger zum Laufen animieren (zum Fare Saver nämlich). Sie regen aber auch den Orientierungssinn des Ortsfremden an, denn die spendierten zwei Dollar gelten nur, wenn man seine nächste U-Bahn-Fahrt von einer ganz bestimmten Station aus startet; ansonsten verfällt die aufgeladene Summe.
Zugleich eröffnen die Fare Saver findigen Start-Uppern neue Geldmachmöglichkeiten. Hier sieht man einen Hongkonger am Fare Saver an den Midlevels-Rolltreppen gleich einen ganzen Stapel von Octopus-Karten aufladen, die er wahrscheinlich in einem Grossraumbüro oder einer gut besuchten Garküche eingesammelt hat. Offenbar ist der Mann schon länger im Geschäft, denn er wurde an selber Stelle schon im Oktober 2003 beobachtet. Erhält er von den Kartenbesitzern für jede aufgeladene Karte täglich auch nur ein paar Cent von den 2 Dollar, dürfte er in der Zwischenzeit ein kleines Vermögen angesammelt haben. Und morgen kauft er sich von seinen Tintenfischmillionen eine deutsche Maschinenbaufabrik oder Drogeriekette, während BVG, RMV, HVV usw. lustig weiter schlafen. Deutschland eben.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Octopus's Grave
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Ardennenschmähen
- steppdeckenflicken
- Reinsteckvorgänge
- Klemens Polatschek loben
SO NICHT:
- Nebelmaschine
- Buch neu erfinden
- Stück Kuchen bei Bäckerei Ganze
- dumme Anspielungen
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Brokeback Mountain", Ang Lee (2005)
Plus: 3, 14, 20 Minus: 19, 51, 59, 62, 63, 96, 107, 108 Gesamt: -5 Punkte
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