14.12.2006 | 19:06 | Anderswo | Fakten und Figuren | Sachen kaufen
Wenn man Werber fragt, wofür sie niemals Werbung machen würden, sagen ca. neun von zehn nach mittlerer Bedenkzeit: "äh ... Landminen". Nur konsequent, dass es jetzt Werbung für quasi das Gegenteil gibt. Am Göttinger Bahnhof bewirbt der ortsansässige Healthcare-Anbieter Otto Bock (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Kunststoffhersteller mit dem grandiosen Claim "Best in foam") eines seiner Spitzenprodukte: Unterschenkelprothesen. Die federführende Lead-Agentur konnte leider nicht ermittelt werden, aber die Kampagne darf als gelungen gelten. Weil nach wie vor das Gros der Deutschen sich mit englischsprachigen Werbeslogans schwertut, wird die eingängige Kernbotschaft "Technology for people" eleganterweise mit übersetzt. Auch das Key-Visual ist mit Autoreifen gut gewählt. Schliesslich sind Reifen so etwas wie die künstlichen Beine des Autos, ohne die es auch nicht laufen könnte. Und wird nicht das Mängelwesen Mensch erst durch die technologisch erweiterten Handlungsspielräume des Individualverkehrs, sprich: durch das Tele-Organ des Autos buchstäblich zum "Prothesengott"? Doch, wohl. Einziger Einwand, wenn man denn partout etwas auszusetzen finden wollte, wäre, dass auch eine noch so gelungene Kampagne in diesem Segment nicht zur Marktausweitung führt, jedenfalls nicht, so lange die Apotemnophilie noch nicht als flächendeckender Trend Raum gegriffen hat. Um die Kampagne unter dem Gesichtspunkt der Effizienz noch zu optimieren, müsste man nolens volens – es hilft ja nichts – also doch über eine flankierende Kampagne für Landminen nachdenken. Denn streng ökonomisch sind Landminen und Prothesen komplementäre Produkte auf gekoppelten Märkten (vgl. Drucker/Toner, Kaffeemaschinen/Pads).
13.12.2006 | 21:06 | Anderswo | Sachen kaufen
 the Balien Wine Commelcial Bilm, KorlaDavid Tool, ein in Peking lebender, pensionierter Oberst der US-Army, will die falschen, vorgeblich englischsprachigen Schilder in Chinas Hauptstadt bis spätestens zu den Olympischen Spielen ausgemerzt haben. Der Oberst findet es nämlich gar nicht komisch, wenn man über die Schilder und damit über die Chinesen lacht. Also hat er bereits an über hundert öffentlichen Plätzen und in über achtzig Museen aus kreativem Chinglisch wieder stinknormales Englisch gemacht. Hoffentlich fährt Oberst Tool nicht auch nach Korla, denn um dieses schöne Schild wäre es doch sehr schade. Andererseits wäre es natürlich auch interessant, ob er wüsste, was hier mit "Balien Wine Commelcial Bilm" gemeint sein könnte. Es ist auch nicht so einfach. Wissen Sie's?
12.12.2006 | 12:01 | Anderswo | Alles wird besser | Vermutungen über die Welt
 An der Typo könnte man noch feilen (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Im Jahr 2006 werden für Werbung insgesamt schnuffige 391 Milliarden Dollar ausgegeben werden. Das also ist der "Werbekuchen", von dem medial ständig herummetaphert wird. Dabei sei laut dem Zentralorgan der deutschen Werbewirtschaft, der W&V, "weltweit ein Trend erkennbar, Budgets von above-the-line- in below-the-line-Aktivitäten umzuschiften, um stärker den direkten Dialog zum Kunden zu fördern." Gut und schön, bzw. schlecht und hässlich, je nach dem, wie man zum direkten Kundendialog so steht, solche Massnahmen reichen ja vom Blutspendebus in der FuZo über Spam bis zum gesponsorten Guerilla-Event, das man doof findet, ausser man wird selbst gesponsort oder es gibt umsonst zu trinken.
Für den direkten Kundendialog hatten wir schon vor einiger Zeit einen neuen Trend ausgemacht, nämlich die Neue Werbeehrlichkeit. Jetzt gesellt sich zur Ehrlichkeit offenbar auch der Neue Minimalismus, folgend dem besten Werbeclaim jemals, "reduce to the max". Jedenfalls beim Immobilienmarketing in Bremen, wo die nebenstehende Aufnahme entstand. Zum einen ist mit dem Leuchtschild "Ladenfläche 160qm" bereits alles gesagt, denn der Ort steht fest und der Preis ist sowieso Verhandlungssache. Zum anderen zeugt es von solidem Glauben an die eigene Sache, wenn der Vermieter die Ladenfläche über die naturgegebenen Leuchtmittel des Ladens selbst kommuniziert. Hurra, die Welt wird endlich wieder einfacher, die Überforderung durch Überkomplexität, unter der alle (Jeder!) leiden, hat bald ein Ende. Ausser der Laden heisst wirklich so und es hat mit Metaebenen zu tun. In diesem Fall ist Bremen zu meiden.
12.12.2006 | 03:06 | Anderswo | Supertiere
Wenn man in unseren Breiten gerade mal froh darüber ist, dass endlich ein einheitliches Rauchverbotsgesetz für öffentliche Verkehrsmittel durchgesetzt werden konnte, ist man in Taiwan bereits etwas weiter, seit November diesen Jahres gilt es nun endlich, das totale Vogelmitfahrverbot in allen Bussen Taipeis. Stellvertretend für alle Piepmatze, Rallen wie Schnäpperartige, Ruderfüsser wie Schwalme weist das Verbotsschild dezidiert auf zwei ganz besonders verhaltensauffällige Kollegen hin, die Ente und den Specht. Schluss mit uninteressantem Geschnatter, den bürzelbedingt eingefetteten Sitzen, Schluss auch mit dem nervtötenden Geklopfe und Gehacke in den Bussen. Denn das ist es doch letztlich, warum wir alle lieber im Taxi weinen als im Bus.
11.12.2006 | 12:03 | Anderswo | Essen und Essenzielles
In Ontario ist der Winter die Jahreszeit für Bier: Es gibt ausreichend Strom, man braucht sowieso keinen Kühlschrank und würde man am See trinken, käme man vor Kälte um, weswegen draussen trinken auch verboten ist. Alles passt zusammen. Einziges Problem: Auch wenn man auf ausländische Produkte vollkommen verzichtet, verfügt das kalte Land über mindestes 30, wahrscheinlich 50 oder 100, jedenfalls aber sehr viele winzige Bierakkumulationsorte, über das recht riesige Land verteilt und versteckt in Getreidesilos, Hinterhöfen und Bärenquartieren, an denen es aus jeweils mehreren Hähnen fröhlich tröpfelt. Was soll man nur trinken? So fragt man sich daher ratlos jedes Jahr zum Winteranfang. Weil Ratlosigkeit schlecht für das Selbstbewusstsein ist und angekratztes Selbstbewusstsein Infektionskrankheiten provoziert, empfiehlt es sich, ausschliesslich nach Name und Etikett des Getränks zu urteilen, denn heute, wo die Welt im Kern ausgehöhlt ist, sorgt nur die Oberfläche für Distinktionsgewinn.
Im letzten Winter 2005/06, geprägt von Redundanz und Rekursion, gab es keine vernünftige Alternative zu Cool Beer mit seiner eiskalt blauen Beschriftung. Dieses Jahr jedoch ist anders, das merkt man sofort. Es ist ein ernsthafter, substanzieller, kerniger Winter, jedoch geplagt von Ruckeln und Klappern. Nichts geht vorwärts. Zum Glück bietet die makrohistorische Nano-Brauerei Neustadt in Neustadt am Lake Huron, das nichts zu tun hat mit den vierundachtzig Neustadt-Varianten in Europa, ein Derivat namens 10W30 an, mit einen altmodischen Kühlergrill auf dem Cover, das in den Überfarben der Saison (blau-orange) getönt ist. 10W30, dabei handelt es sich, wie jeder Bierfachmann weiss, um ein Leichtlauföl mit der Grundviskosität 30, das auch im W (Winter) leicht läuft. Mit 10W30 muss der Winter zu schaffen sein, und wenn das immer noch nicht hilft, muss man eben Gin trinken.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Kaffee-Humpen
- Definition
- 17.000 Euro einen guten Mann sein lassen
- Lunge im Blog
SO NICHT:
- uninspirierte Kringel
- Füllhorn, aus dem Scheisse kommt
- Muskelmasse
- Lücke im Block
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Cowboys & Aliens", Jon Favreau (2011)
Plus: 8, 11, 14, 18, 21, 24, 31, 73, 75, 80, 93, 96, 123, 129, 130 doppelt Minus: 1, 10, 13, 17, 38, 138 Gesamt: 10 Punkte
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