Riesenmaschine

17.09.2006 | 13:28 | Anderswo | Zeichen und Wunder

Chemnitzer Elegie


Chemnitz, Linie 56 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Allenthalben vergeht die Industrie zugunsten des Dienstleistungsgewerbes und gänzlich rätselhafter Berufszweige wie der Bloggerei. Wo sind sie hin, die grossen Gebäude mit den vielen Rohren dran, die es noch vor gar nicht langer Zeit überall gab? Manche verfügten, so hört man, sogar über rauchende Schlote, und wenn an einem Gebäude "Backfabrik" oder "Schlachthof" dranstand, so war Industrie darinnen und kein Club. Wo ist nun das eiserne Ross? Wo sein Reiter? Wo ist die Hand an der Esse, wo das lodernde Feuer? Wer wird den Rauch der verbrannten Braunkohle sammeln gehen? Dahin ist der Lärm der Bürger, die uralten Werke der Riesen stehen leer. Wie die Zeit vergangen ist, ins Dunkel der Nacht, als sei sie nie gewesen.


16.09.2006 | 16:38 | Anderswo | Sachen kaufen

Mit Kropf-Band und Promin-Ente


Lebkuchenherz zum Selbstbeschriften (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Am Anfang war das Lebkuchenherz. Später kam der Schaumgummihammer schwer in Mode. In den 80er Jahren wurden blinkende Teufelshörnchen der Renner, gefolgt von der Plastikkeule, dem spitzen Tirolerfilzhut mit Kordel, dem weiss-blauen Bierkrugfilzhut mit Woll-Schaum und dem Lederhosenträger-T-Shirt. Die Geschichte des Oktoberfestes ist nicht nur eine Geschichte der Massen-Besinnungslosigkeit, der Bierpreiserhöhung oder der Looping-Vervielfachung bei Achterbahnen. Es ist vor allem eine Geschichte des Wiesn-Gadgets.

Wenn an diesem Samstag ums Mittagsläuten herum der Münchner Oberbürgermeister Ude wieder einmal mit einem "Ozapft is" das grösste Volksfest der Welt eröffnet, dann beginnt auch der Wettbewerb um das erfolgreichste Wiesn-Mitbringsel 2006. Zur Wahl stehen dieses Jahr alte Bekannte wie die Retro-Krüge im Stil der 60er oder das Kropf-Band aus der Epoche des Jodmangels. Etwas moderner kommt da schon das PC-Spiel Wiesn-Gaudi daher. Mit dem kann man auch zu Hause bei "oans, zwoa, g'suffa" die Gäste im Zelt mit Bier versorgen. Es ist allerdings schade, dass es kein Feature gibt, mit dem man dort – wie im Real-World-Bierzelt – den Bayrischen Defiliermarsch dirigieren kann.

Favoriten für 2006 sind ohnehin die Spatzl-Tasche und für Kinder die Promin-Ente. Aber wer weiss das schon so genau. Am Ende verkauft sich der Bierflaschen-Zinndeckel doch noch wie warme Semmeln oder das zünftige Oktoberfest-Armband aus Silikon schlägt dem Fass den Boden aus.

Jörg Meyerhoff | Dauerhafter Link


14.09.2006 | 19:53 | Anderswo | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Leichtathletik in der Form von Sylt

Nahezu unbemerkt von der Weltöffentlichkeit fanden im August die Leichtathletikweltmeisterschaften der Junioren in Peking (China) statt. Zu Recht unbemerkt, denn bemerkenswert an dem an sich völlig uninteressanten Ereignis war eventuell gerade noch, dass, wer mochte, hier eine Weltleichtathletikordnung heraufdämmern sehen konnte. Beim abschliessenden Medaillenspiegel belegte Kenia den ersten Platz, fünfter wurde Estland, während Deutschland (zwei Jahre zuvor selber noch auf Platz 5) hinter Trinidad und Tobago elfter wurde. Nun ja, gähn.

Viel interessanter als diese Überlegungen zur Zukunft des staatlich geförderten Rennens, Rumschmeissens und Hopsens ist das offizielle Plakat zum Event, an das allerdings niemand auch nur einen Gedanken verschwendete. Aber wieso bloss springt die Frau hier wie Sylt? Und warum trägt Sylt ganz oben eine Fackel? Soll Dänemark (Schnullervergifter) angezündet werden? Das alles sind Fragen, auf die selbst wir Alleshalbwisser und Zusammenreimer keine Antwort haben.

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (6)


14.09.2006 | 12:10 | Anderswo | Alles wird schlechter

White Man's Hail


Zur falschen Zeit direkt neben dem falschen Ort (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Dank Daily Show wissen seit Montag nicht nur die Fachleute, sondern die gesamte Welt von der kürzlich gegründeten World Hunting Association, die, so ein Mann namens David Farbman, ausserdem der Chef des Ganzen, schon bald Profijagen in TV-tauglicher Turnierform veranstalten will. In attraktiven Tarnfarben gekleidete Superjäger werden durch Michigans Wälder robben und echte Rehe schiessen, alles live, mit teuren Werbepausen, hyperinteressanter Webpräsenz, echten Rehen und ausserdem hot Chicks in attraktiven Tarnfarben! Seltsam: Nicht etwa die Rehe protestieren, sondern die richtigen Jäger, denn die WHA hatte tatsächlich zunächst vor, die Huftiere nur zu betäuben und nach dem Spektakel einfach wieder freizulassen. Aber warum? Das fragt sich Farbman mittlerweile auch und schlägt sich aus Mangel an Gegenargumenten auf die andere Seite.

Das neue Format: Die Rehe müssen richtig sterben! Jawohl! Denn was die Fernsehzuschauer heute sehen wollen, ist echte, unverfälschte Wirklichkeit, nicht so eine inszenierte Scheisse wie 9/11. Fraglich ist allerdings trotzdem so ein bisschen, wer sich das Gemetzel ansehen wird. Schon beim Irak-Krieg, als man auch von vornherein wusste, wie es ausgeht, waren die Einschaltquoten schliesslich miserabel. Farbman kann das alles nicht von weiterem sinnlosen Enthusiasmus abhalten; er verspricht, dass aus der WHA die "NASCAR des Jagdsports" wird. Aber, um die Pointe von Jason Jones zu übernehmen: Ist nicht die NASCAR schon die NASCAR des Jagdsports?


13.09.2006 | 12:46 | Anderswo | Fakten und Figuren

Die wunderbare Welt der Wehrkraft


Bring mich zum Licht! (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Nach dem Tod von Crocodile Hunter Steve Irwin wurde in Australien bekanntermassen kurz überlegt, ein Staatsbegräbnis für den Verstorbenen abzuhalten. Daraus wurde zwar doch nichts, weil der Tote es gar nicht gewollt hätte, aber seine Anhänger wissen sich auch ohne staatliche Unterstützung zu helfen. In seiner Heimat wurde Irwin zu Ehren am vergangenen Freitag Khaki getragen, Fans mit robusterem Trauerauftrag üben sich im Stachelrächen. Und wie bei Kotaku zu erfahren ist, ist auch im Massivmultispieleronlinerollenspiel World of Warcraft eine Beerdigungszeremonie geplant.

Vorgeschlagen wurde die ganze Sache von BubbRubb aus dem Frostwolf-Clan der Orks: "We need to pay our respects to this man and lay his Azerothian soul to rest, so I propose a memorial service at the serene ocean front setting of the Zoram Strand. I would like to spell out CRIKEY with players as a tribute to his wonderous catch phrase, and then we can dance and swim in the ocean to celebrate his life instead of mourning his death." Nach einem sinnvollen Einwurf von Benefice ("bubb, how about a spot where there actually are crocs?") wird die Beerdigung jetzt am Southfury River in Durotar steigen, Treffpunkt ist das Ufer in der Nähe von Ogrimmar, und zwar am Freitag um 18 Uhr (Pacific Time).

Eine hübsche Idee, aber sicherheitshalber sollte noch mal mahnend an eine frühere Beerdigung in der WoW erinnert werden, die ein ziemliches Debakel war: Die Gedenkfeier für die in der echten Welt verstorbene Userin Fayejin wurde von einer Horde Störenfriede überfallen und die Trauergemeinschaft grösstenteils ausgelöscht, wie dieses Video zeigt. Doch das wird dieses Mal nicht passieren, man lernt auch in Azeroth aus Fehlern, und statt auf einem für Kämpfe offenen PvP-Server wird die Beerdigung in diesem Fall auf einem gesitteten PvE-Server stattfinden. Und kommen dürfen alle, sowohl Vertreter der Horde als auch der Feinde von der Allianz – Gnome und Tauren, Zwerge und Untote, Trolle und Nachtelfen werden gemeinsam am Southfury River stehen und vielleicht auch miteinander tanzen und schwimmen. Wenn es in Azeroth einen Friedensnobelpreis gäbe, Steve Irwin sollte ihn posthum verliehen bekommen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Down Under Syndrom


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