Riesenmaschine

21.08.2007 | 12:34 | Berlin | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Scheibenwelten


"Na?! Auch schon mal beim Scheibenkratzen erwischt worden? Voll peinlich! Und die Kohle für den neuen Player ist auch flöten" (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Als ich diese neue Massnahme der S-Bahn-Betreiber gegen den Trendsport junger Randalisten, das "Scheibenkratzen", sah, dachte ich bei mir, ob es trotz seiner unfassbar anbiedernden, gewollt jugendsprachlichen Plumpheit eventuell nicht doch wirken könnte. Es folgte die allgemeine Überlegung, ob die richtige und damit wirksame Ansprache für Vollidioten logischerweise nicht auch vollidiotisch sein müsste. Mit einem Mal öffneten sich mir bisher verborgene, alleserklärende Gedankenwelten, die auf der Annahme beruhten, dass alles Bescheuerte und Bekloppte auf der Welt von Klugen und Umsichtigen absichtlich bescheuert und bekloppt gemacht wurde, um den armen Bescheuerten und Bekloppten gerecht zu werden.

Dann aber sah ich, dass das gegenüberliegende S-Bahn-Fenster vollkommen zerkratzt und überdies mit einer – vom Zerkratzen ausgesparten – Werbung für einen mp3-Player beklebt war. Meine zurechtgehoffte Theorie fiel in sich zusammen, wurde am Boden von meinen Tränen der Ernüchterung benetzt, ich stieg aus der S-Bahn und versuchte erfolglos, nicht selbstmitleidig zu werden.


17.08.2007 | 22:58 | Berlin | Vermutungen über die Welt

Am Anfang war das Wort


Berlin, Schönhauser Allee (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Seit vielen Tausend Jahren versucht sich der Mensch den drögen, schnöden, spröden Alltag zu versüssen und erfand dazu irgendwann Kultur. Samen der Kultur ist die Sprache, das Wort. Als der Urmann der Urfrau eines Morgens einen Mammut versprach und am Abend wegen eines ausgedehnten Kneipenbesuchs mit einem Kaninchen zurückkam, wurde zuerst die Lüge ("hab' alles versucht, Mammut war zu schnell!") erfunden. Die Frau konterte mit der Erfindung der Ironie ("Ja, klar"). Der Mann wusste sich nicht anders zu helfen und erfand schnell die Stilfigur, also eine Mechanik, Worte nach Gutdünken finezutunen und interpretativ anzureichern. Er rechtfertigte sich unbeholfen metaphernartig ("schmeckt aber wie Mammut"), die Urfrau aber antwortete angemessen ("kurzbeiniger Lügner") und erfand so gleichzeitig Hendiadyoin und Pleonasmus. Der Mann war tödlich beleidigt und reagierte mit der Erfindung der Hassliebe, also eines waschechten Oxymorons. Um ein Haar wäre so am Oxymoron Hassliebe die Menschheit vermehrungstechnisch nicht in Gang gekommen. Deshalb beschleicht uns noch heute ein gewisses Unbehagen, wenn uns ein Oxymoron begegnet, erst recht, wenn es sich um ein so schmerzhaftes handelt wie "Kelleroase".


11.08.2007 | 11:01 | Berlin | Nachtleuchtendes | Was fehlt

I Drink Your Blood (and I Eat Your Skin)

Dank Tarantino & Rodriguez wissen inzwischen alle (fast), worum es sich bei Grindhouse handelt. Doch leider bleibt dieses Wissen zumeist auf eine sehr theoretische Ebene beschränkt, weil in Kino und Fernsehen aus unerfindlichen Gründen nach wie vor eher wenig Filme laufen, die von SM-Orgien in Frauengefängnissen, blutfressenden Zombiehippies, SS-Werwolffrauen mit sehr grossen Brüsten und ähnlichen Themen handeln. Äusserst lobenswert ist daher die Aufklärungsarbeit des Berliner Kinos Central, wo aktuell und noch bis zum 22.8. die Filmreihe Last Night at the Central Grindhouse läuft: Jeden Abend werden zwei Sex-, Black- oder Sonstwasploitation-Filme gezeigt, zwar nicht hintereinander, aber immerhin parallel.

Ergänzt wird das Programm samstags von mehrfilmigen Themennächten mit kostenlosem Kaffee. Leider schon vorbei sind die Abende zu "Sex" und "Blood" (mit "Blood-Orgy of the She-Devils", "I Drink Your Blood", "Blood Feast" und "Blood Diner"). Heute folgen aber immerhin die ähnlich spannenden Themenkomplexe "Monster" und "Zombie", in einer Woche wird dann das etwas diffuse Feld "Tarantino" abgearbeitet. Und wenn man dann schon mal im Haus Schwarzenberg aufhält, sollte man natürlich auch gleich noch die aktuelle Ausstellung in der Galerie Neurotitan besuchen. Bis zum 25.8. werden dort Arbeiten von anderen Hausbewohnern gezeigt, unter anderem das sehr empfehlenswerte Exponat "Archäopaläofotografische Erfassungen 1927-2003, Schultheiss, Coca-Cola, Hamburg, Berlin" vom Erratik Institut Berlin.


08.08.2007 | 23:53 | Berlin | Nachtleuchtendes | Supertiere

Flederhouseparty

Der neueste Partytrend aus den Metropolen – Fledermäuse, die Überflieger des Nachtlebens, haben ihn erfunden. Auf ein geheimes Ultraschall-Zeichen hin versammeln sie sich spontan und Flashmob-artig an privaten Locations, deren Bewohner meist gar nichts davon wissen und von der tosenden Party überrascht werden, wenn sie nach Hause kommen. So geschehen bei Malte B., der so geistesgegegnwärtig war, das Geschehen zu filmen, bei Youtube einzustellen und uns darauf hinzuweisen. Was hecken die Party-People der Lüfte als nächstes aus? Spontane Air-Raves in Fussgänger-Unterführungen? In Sparkassen-Foyers? Wir sollten auf alles gefasst sein.


07.08.2007 | 13:30 | Berlin | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Wo 24 Stunden 24 Stunden sind


(Foto: glasgows) (Lizenz)
Weltverbesserung vollzieht sich selten von heute auf morgen, sondern meist in vielen kleinen, mühsamen Schritten, man denke an die Arbeit am 26-Stunden-Tag. So war die Freude gross, als in Berlin Ende vergangenen Jahres das Ladenschlussgesetz dahingehend geändert wurde, dass die Geschäfte so lange auf haben können, wie sie wollen (ausser sonntags) – bloss dummerweise wollte keiner. Also musste man weiterhin um 22 Uhr schon wissen, was man drei Stunden später zu Abend essen würde. Ein Teufelskreis!

Aber jetzt: Wie die Berliner Zeitung gestern meldete hat seit einer Woche die Reichelt-Filiale in der Berliner Strasse in Wilmersdorf ununterbrochen geöffnet (ausser sonntags). Nun ist Wilmersdorf zwar nicht gerade der Mittelpunkt des urbanen Berlins, aber immerhin, ausserdem gibt es ab 22 Uhr kostenlosen Kaffee. Und vor allem: Schon zieht Kaiser's nach, zumindest ein wenig, und lässt seine Filialen in der Zossener Strasse, der Schönhauser Allee und der Bismarckstrasse bis 24 Uhr offen. Schon bald werden auch die anderen Ketten fallen wie die Dominosteine (ausser sonntags).

Aus Deggendorf erreicht uns derweil die Meldung, dass seit gestern die städtischen Tiefgaragen rund um die Uhr geöffnet sind. Der Nachttarif kostet pauschal 1,10 Euro.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Am selben Ort, etwas später


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