Riesenmaschine

15.04.2007 | 20:02 | Berlin | Alles wird besser

Der Zukunft zugewandt


So sieht es anderswo erst in 15 Jahren aus (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Berlin, dieser stadtgewordene Schlendervogel, der arbeitslose Flaneur unter den Metropolen, der Ort, wo unsagbar viel los ist oder sogar loser, Berlin, die pure Urbanität 24/6 (montags Ruhetag). In Berlin arbeitet praktisch niemand normal, alle sind Künstler oder Webdesigner, sind dritteltags in der Verwaltung tätig oder haben einen omninösen Forschungsauftrag. Menschen mit Internetanschluss verdienen zusätzlich Geld mit Texten für Trend- und Gesellschaftsmagazine, die man aber nicht selbst schreiben muss, denn wer in einen Trendbezirk zieht (alle ausser Zehlendorf), bekommt von der Kulturbehörde drei Artikelrohlinge zugeschickt: "Underground – Nightlife in Berlin, "Underground – junge Kunst in Berlin" und "Underground – Unterschicht in Berlin", dazu gibt es eine Software, die Zufallsadjektive in den Text einpflegt, jeder tausendste Baukasten-Artikel wird als Anreiz automatisch im Spiegel veröffentlicht. Berlin ist ein glorreiches, wunderbares, sich selbst erhaltendes System des Nichtstuns und des professionellen Herumlungerns.

Aber warum leistet sich die Bundesrepublik eine so teure soziale Plastik, dort, wo andere Länder ein kräftig pochendes ökonomisches Herz haben? Weil Berlin ein Experiment zu Gestaltung der Zukunft ist. Wo Millionen Menschen beschäftigungslos jeden Tag aufeinanderprallen, ergibt sich Neues und Neustes, dort treffen veraltete Lösungen auf Probleme von morgen, und heraus kommen Dinge wie dieser Mülleimer mit Internetanschluss, an dem man seine E-Mails abrufen kann: Die Berliner Antwort auf das grösser werdende Spamproblem.


11.04.2007 | 14:26 | Berlin | Zeichen und Wunder

Konferenz mit Rückkanal


Das Empörium spricht zurück (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Re:Publica-Konferenz in der Berliner Kalkscheune hat begonnen, und, da mit über 700 Teilnehmern die deutsche Bloggerszene quasi geschlossen angetreten ist, werden die Inhalte ausführlich in allen anderen Blogs nachzulesen sein. Wir wollen an dieser Stelle lediglich eine Format-Innovation loben, die eine gelungene Mischung aus Onkel Milgrams Open Mike, Jim Avignons SMS-Orakel (derzeit nicht in Betrieb) und dem Crawl auf Viva2 darstellt: Die Möglichkeit, Vorträge live und anonym per SMS zu kommentieren, was dann als bunte Sprechblasen-Kaskade auf die Leinwand gebeamert wird (hier auch als Livestream für zu Hause). Die bisherige Ausbeute – "CH3ap VIagRa!", "Ich geh mal um blog!" und "Die 43 bitte zum Leergut, das Band ist voll!", um nur eine repräsentative Auswahl wiederzugeben – sollte nicht unmittelbar pessimistisch stimmen. Schliesslich muss auch diese Sniper-Kommentarfunktion wie jede neue Kulturtechnik erst noch erlernt werden.


10.04.2007 | 02:33 | Berlin | Fakten und Figuren

Am selben Ort, etwas später


Mit begeisterten Ausrufen die erfolgreiche Eröffnung des Volksratgebers "Berlin zeitverschoben" begrüssen (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Lenin mag in seinem Leben nicht alles richtig gemacht haben, aber zumindest hat er erkannt, dass es nicht genügt, auf Weltverbesserung zu warten. Manchmal muss man die Dinge selbst in die Hand nehmen. Zwar kann man mittlerweile in sehr vielen Ländern rund um die Uhr alles Mögliche erledigen und muss in Dänemark überhaupt nicht mehr früh aufstehen, aber in Deutschland herrscht trotz so einer Art Freigabe der Ladenschlusszeiten immer noch bittere Not. Wer die ganze Nacht an der Revolution arbeitet, dem bleibt oft nichts anderes übrig, als sich von Döner und schuhsohlenartigem Börek zu ernähren.

Da die freundliche Firma Google seit einigen Tagen das Anlegen eigener Google Maps ermöglicht, gibt es unter Berlin zeitverschoben jetzt den Anfang einer Karte der vorbildlichen Betriebe Berlins: Frühstück nach vier, Einkaufen nach zehn, Essen nach Mitternacht, Bier nach vier. Ergänzungen werden in den Kommentaren dankbar entgegengenommen; vertrauenswürdigen Bürgern, die zu dem Thema mehr zu sagen haben, händigen wir auf Wunsch auch die Kartenzugangsdaten aus. Wenn das alles immer noch nicht hilft, die desolaten Zustände zu verändern, dann muss eben doch das Volk auf die Barrikaden gehen, so am späten Nachmittag vielleicht.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Reise ans Ende der Nacht


07.04.2007 | 12:03 | Berlin | Fakten und Figuren

Im Ostertaumel der Integrierten Kommunikation


State of the art, no less. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Was hier aussieht wie ein riesenhaft plumpes Osterei aus hässlichen Kunstblumen mit Leuten davor, die so tun, als würden sie "nur wegen der Kinder" das infantile Unterhaltungsprogramm betrachten, ist in Wirklichkeit etwas völlig anderes, nämlich ein mustergültiges Lehrbuchlehrstück integrierter Kommunikation, das dem Laien Tränen der Bewunderung und dem Profi Falten des Neides in die durch den grellen Glanz zu Sehschlitzen verengten Augen treibt. Zur Erklärung: Der Begriff "Integrierte Kommunikation" kam Ende der 90er Jahre auf und bedeutete zunächst nichts, dann schwächte sich die Bedeutung etwas ab und verflüchtigte sich schliesslich. Inzwischen ist integrierte Kommunikation, wenn eine Agentur sich etwas ausdenkt, an dem alle Mitarbeiter von der Pressefachkraft über den Fotografen bis zurück zur Pressefachkraft mitarbeiten dürfen.

Das Bild zeigt das amtierende Weltrekord-Osterei laut Guinessbuch der Rekorde, wie es endlich und zum Glück für alle Berlinerinnen und Berliner im Hauptbahnhof in Berlin vor sich hin amtiert. Ein Kommunikationsanlass von so glitzernder Extragüte, von so schillernder Famosität, dass zurecht sowohl Welt, Tagesspiegel, Deutschlandradio wie auch Riesenmaschine davon praktisch berichten mussten; integriert ist das Ei, weil viele Plakate herumhängen zum Riesenei, gleichzeitig im Bahnhof dazu noch (vermutlich normalgrosse) Eier versteckt sind, ein Gewinnspiel natürlich, bei dem man Lokführerkurse im Ostertal gewinnen kann, Teilnahmescheine aus Papier liegen in den Geschäften aus, auf der Homepage ist es (im Übrigen wunderbar teilnahmslos) abgebildet, aus allen Ecken und Enden des Hauptbahnhofs kommuniziert es hochintegriert, eine Freude, man möchte sich vom Dach des Bahnhof stürzen, in das Osterei aus Brandenburger Primeln fallen lassen, den integrierten Duft einatmen und nie wieder aufstehen.


26.03.2007 | 13:56 | Berlin | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Wunschbilder


Ein Bild sagt mehr als zwei oder drei Worte (oft) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Im Schaufenster eines Berliner Geschäftes für Künstlerbedarf findet sich dieses Bild, das die Welt hinreichend beschreibt in ihren wichtigen Kategorien digitaler Fortschritt, Wissensgesellschaft und Trauer. Erstens: Der digitale Fortschritt bestimmt die öffentliche Wahrnehmung so sehr, dass ein Markt dafür zu bestehen scheint, Bilder qualitativ zu verschlechtern, damit sie digitaler aussehen. "Wir beginnen zu begehren, was wir täglich sehen", so heisst es im "Schweigen der Lämmer". Zwotens: In der Wissensgesellschaft kann der so genannte Mehrwert eines Produktes sogar nur aus der zweisekündigen Bearbeitung eines Bildes mit einem Photoshop-Filter bestehen – wenn das Produkt jemandem aus der Unwissensgesellschaft angeboten wird. KnowHow-Gefälle stellen inzwischen die lohnendsten Geschäftsmodelle dar. Drittens: Trauer erlebt eine neue Intensität in ihrer globalen Definition, wenn man sich vergegenwärtigt, dass irgendjemand auf der Welt dieses Bild für ein Wunschbild hält.


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