Riesenmaschine

14.09.2006 | 19:53 | Anderswo | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Leichtathletik in der Form von Sylt

Nahezu unbemerkt von der Weltöffentlichkeit fanden im August die Leichtathletikweltmeisterschaften der Junioren in Peking (China) statt. Zu Recht unbemerkt, denn bemerkenswert an dem an sich völlig uninteressanten Ereignis war eventuell gerade noch, dass, wer mochte, hier eine Weltleichtathletikordnung heraufdämmern sehen konnte. Beim abschliessenden Medaillenspiegel belegte Kenia den ersten Platz, fünfter wurde Estland, während Deutschland (zwei Jahre zuvor selber noch auf Platz 5) hinter Trinidad und Tobago elfter wurde. Nun ja, gähn.

Viel interessanter als diese Überlegungen zur Zukunft des staatlich geförderten Rennens, Rumschmeissens und Hopsens ist das offizielle Plakat zum Event, an das allerdings niemand auch nur einen Gedanken verschwendete. Aber wieso bloss springt die Frau hier wie Sylt? Und warum trägt Sylt ganz oben eine Fackel? Soll Dänemark (Schnullervergifter) angezündet werden? Das alles sind Fragen, auf die selbst wir Alleshalbwisser und Zusammenreimer keine Antwort haben.

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (6)


13.09.2006 | 12:46 | Anderswo | Fakten und Figuren

Die wunderbare Welt der Wehrkraft


Bring mich zum Licht! (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Nach dem Tod von Crocodile Hunter Steve Irwin wurde in Australien bekanntermassen kurz überlegt, ein Staatsbegräbnis für den Verstorbenen abzuhalten. Daraus wurde zwar doch nichts, weil der Tote es gar nicht gewollt hätte, aber seine Anhänger wissen sich auch ohne staatliche Unterstützung zu helfen. In seiner Heimat wurde Irwin zu Ehren am vergangenen Freitag Khaki getragen, Fans mit robusterem Trauerauftrag üben sich im Stachelrächen. Und wie bei Kotaku zu erfahren ist, ist auch im Massivmultispieleronlinerollenspiel World of Warcraft eine Beerdigungszeremonie geplant.

Vorgeschlagen wurde die ganze Sache von BubbRubb aus dem Frostwolf-Clan der Orks: "We need to pay our respects to this man and lay his Azerothian soul to rest, so I propose a memorial service at the serene ocean front setting of the Zoram Strand. I would like to spell out CRIKEY with players as a tribute to his wonderous catch phrase, and then we can dance and swim in the ocean to celebrate his life instead of mourning his death." Nach einem sinnvollen Einwurf von Benefice ("bubb, how about a spot where there actually are crocs?") wird die Beerdigung jetzt am Southfury River in Durotar steigen, Treffpunkt ist das Ufer in der Nähe von Ogrimmar, und zwar am Freitag um 18 Uhr (Pacific Time).

Eine hübsche Idee, aber sicherheitshalber sollte noch mal mahnend an eine frühere Beerdigung in der WoW erinnert werden, die ein ziemliches Debakel war: Die Gedenkfeier für die in der echten Welt verstorbene Userin Fayejin wurde von einer Horde Störenfriede überfallen und die Trauergemeinschaft grösstenteils ausgelöscht, wie dieses Video zeigt. Doch das wird dieses Mal nicht passieren, man lernt auch in Azeroth aus Fehlern, und statt auf einem für Kämpfe offenen PvP-Server wird die Beerdigung in diesem Fall auf einem gesitteten PvE-Server stattfinden. Und kommen dürfen alle, sowohl Vertreter der Horde als auch der Feinde von der Allianz – Gnome und Tauren, Zwerge und Untote, Trolle und Nachtelfen werden gemeinsam am Southfury River stehen und vielleicht auch miteinander tanzen und schwimmen. Wenn es in Azeroth einen Friedensnobelpreis gäbe, Steve Irwin sollte ihn posthum verliehen bekommen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Down Under Syndrom


11.09.2006 | 12:41 | Fakten und Figuren | Papierrascheln

Cloudspotting


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Man muss, ja, sollte nicht alles wissen, aber: "Wenigstens einen zulänglichen Begriff muss man von allem haben." (Thomas Bernhard sein Grossvater) Es genügt also nicht, sich beim Anblick von Wolken zu denken, sie seien heute ja mal wieder ungeheuer oben. Und weil es Verschwendung ist, sich Sinnesreizen auszusetzen, die man nicht versteht, sollte eigentlich niemand mehr das Haus verlassen, bevor er nicht The Cloudspotter's Guide: The Science, History and Culture of Clouds erworben und gelesen hat. Hervorgegangen ist das Buch aus der Arbeit der Cloud Appreciation Society, deren Manifest sich gegen "blue-sky thinking" wendet und erklärt, dass Wolken die gerechteste aller Naturerscheinungen sind, weil sie sich von jedermann bequem betrachten lassen. Nebenbei erfährt man auch, wie es so ist, wenn man in 50.000 Fuss Höhe aus seinem Flugzeug aussteigen muss und mitten durch eine Gewitterwolke zu Boden fällt (nämlich höchst unschön und langwierig, aber überlebbar). Bis zur abgeschlossenen Lektüre also bitte nur noch im Dunkeln nach draussen gehen. Die Natur stellt diese ganzen Naturerscheinungen schliesslich nicht nur so zum Spass her.


10.09.2006 | 21:04 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Nicht aufgemerkt nun also


Vorbildlich: Augen zu, Wahrnehmung geschärft. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Verflixt, diese Überschrift klingt doch bekannt, woher ist das nochmal, fragt sich der Leser jetzt vielleicht. Die unbeantwortete Frage zieht wertvolle Ressourcen aus dem Lesehirn ins Rätselhirn und ganze gelesene Sätze bleiben unverstanden. Dieser hier zum Beispiel, los, nochmal lesen. Na bitte, geht doch.

Aufmerksamkeit ist ein wichtiges Tierchen in der modernen Wahrnehmungsforschung, ganze Karrieren, Institute und Konferenzen speisen sich aus der Aufmerksamkeit, die der Aufmerksamkeit zuteil wird. Die simple Wahrheit, die die Spatzen von den Dächern pfiffen, wenn sie sich nur lange genug konzentrieren könnten, lautet dabei, dass, was mit Aufmerksamkeit bedacht wird, leichter gesehen, gehört, gerochen, oder ganz allgemein aus dem Sinneswirbel gefischt wird. Der Lehrkörper mahnt gerne zur Aufmerksamkeit, bevor er den Schülern Wichtiges einzupauken sich anschickt, und "Aufgemerkt nun also" ist deshalb wiederkehrender Kehrreim in Heinrich Manns Professor Unrat (Aha! Genau!).

Ob der Leser an dieser Stelle hinreichend durch unwesentliches Füllmaterial abgelenkt ist? Wollens hoffen, denn wie nächste Woche in Nature Neuroscience zu lesen sein wird, gehen die Vorteile gesteigerter Aufmerksamkeit wieder flöten, wenn man zu lange aufmerkt. Ganz langes Aufpassen kann sogar dazu führen, dass man weniger gut wahrnimmt, als wenn man von Anfang an Papierflugzeuge geworfen oder Schiffe versenken gespielt hätte. Den Effekt kann man natürlich auch im Selbstversuch beobachten, wenn man, immer mal wieder, sorgfältig nicht drauf achtet.


08.09.2006 | 01:22 | Anderswo | Fakten und Figuren

Rauli


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Die tragischste Figur in der nicht eben untragisch klingenden finnischen Musiklandschaft war zweifellos Rauli Badding Somerjoki. Er wurde nur 40 Jahre alt, aus Angst vor dem Bühnenstress wurde er zum Alkoholiker, er ist in Finnland so etwas wie ein Nationalheiliger, weil er all das in sich vereint, was ihre Musik ausmacht. Tragisches Timbre, molllastige Schnulzen, allergrösste Ernsthaftigkeit. Ohne ihn gäbe es die in Finnland entstandene Musikform Goth'n'Roll (HIM, Rasmus, Nightwish) nicht, aber auch eine indirekte Verbindung zu Tokio Hotel ist für das geübte Ohr leicht auszumachen. Als Somerjoki mit seinem Freund, dem Soziologen Mauri Antero Numminen 1971 den Song Valot (Vorstadt) schrieb, taten sie das nur für IHN, den King nämlich, den finnischsten Nichtfinnen der Welt, Elvis Aron Presley. Sie schickten die Bänder per Post nach Memphis, eine Antwort kam leider nie. Valot wurde aber trotzdem in Finnland ein Riesenhit, viele sangen das Lied, auch Ville Valo von HIM. Später übernahm ein anderer, sehr ernsthafter amerikanischer Elvisstellvertreter den ganz spezifischen finnischen Sound, Chris Isaak, den wiederum HIM auch immer wieder gerne zurück nach Finnland importieren, indem sie ihn covern (Wicked Games).

Aber das alles weiss ausserhalb Finnlands und der Riesenmaschine natürlich niemand, und im letztwöchigen Spiegel vergleicht der Autor Joachim Lottmann vollkommen ahnungslos Tokio Hotel noch mit Nirvana und den Beatles, dabei sind sie noch viel grösser, nämlich wie Elvis.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (9)


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