Riesenmaschine

18.03.2006 | 09:50 | Anderswo | Fakten und Figuren

Erhebend


Himmel, was habe ich getan? (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Hohe Gebäude zu bauen ist irgendwie ein nie versiegendes Hobby der Menschheit. Eine Weile gab man zumindest vor, damit Gott näherkommen zu wollen, aber seit dem 20. Jahrhundert schämt man sich nicht mehr, der Perversion des Turmbaus ganz offen und unverhüllt zu frönen. Seit mittlerweile dreissig Jahren nun ist der CN Tower in Toronto der höchste Turm der Welt, bzw. die höchste freistehende Struktur oder so ähnlich, man muss extrem vorsichtig sein, denn Türmebauer sind pingeliger als Kaninchenzüchter. Gestern nun kündigt wieder ein von ihnen an, diesmal ein Japaner, den Rekord brechen zu wollen – sechshundert Meter sollen es bitteschön sein. Aber Toronto gibt noch nicht auf, denn schon oft scheiterten fremdländische Rammler am Hochbau: Erst vor wenigen Monaten wurde der gigantische Turm des Aufwindkraftwerks Mildura von geplanten 1000 auf ebenfalls geplante 500 herunterskaliert. Vor kaum 15 Jahren gab der legendäre Fernsehturm in Konstantynow, höchstes je gebautes Ding, aus ungeklärten Gründen den Geist auf (Abbildung). Es ist ein hässliches und ehrgeiziges Geschäft.

Über das die Natur nur hämisch lacht. Sechshundert Meter, höhnt sie, und wirft den Poppenberg (746 Meter), die Wasserkuppe (950 Meter) und den Fichtelberg (1214 Meter) in die Gegend. In anderen Ländern, so heisst es, stehen noch viel höhere Berge kurz vor der Vollendung.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


17.03.2006 | 18:22 | Anderswo | Was fehlt | Fakten und Figuren

Wohl zu viel von den Madeleines genascht


Wie man in den Kopf hineinschreit
Was man sich leichtfertig wünscht, wenn man mal wieder die Pin-Nummer verschlampt, das Passwort vergessen oder den Hochzeitstag unbewusst verdrängt hat, ist für eine vierzigjährige Frau namens "AJ" Alltag: Sie erinnert sich an jeden einzelnen Tag der letzten 30 Jahre detailliert und kann autobiographische Einzelerinnerungen beachtlich schnell und weitestgehend korrekt abrufen – angeblich ohne jegliche Zuhilfenahme mnemonischer Technik. AJ findet ihre oft schwer zu kontrollierenden Erinnerungen zwar gelegentlich lästig, sie würde sie allerdings auch nicht aufgeben wollen.

Dieses in seiner Form bislang einmalige, "hyperthymestic" getaufte, Syndrom erforscht man nun an der University of California, Irvine – und an AJ – ausführlich und erhofft sich dadurch brandneue und todschicke Erkenntnisse in der Gedächtnisforschung. Sollte sich AJ allerdings tatsächlich so gut erinnern, wie es derzeit ausschaut, kann das mit dem Erforschen dauern – schlimmstenfalls 30-40 Jahre. Man kennt das mit der 1:1-Erzählzeit ja aus 24.

Der durchschnittliche erinnerungstechnische Underperformer wird deshalb weitere Jahrzehnte damit verbringen, seine verlegten Autoschlüssel zu suchen. Zu den üblichen Ausreden, Ausserirdische hätten einen entführt und mit einer Amnesiedroge behandelt, der Geheimdienst übe auf heimtückisch pharmazeutische Weise Mind Control über einen aus und wolle einfach nicht, dass man die Schlüssel wiederfinde oder der möglichst glaubhaft vorgetragenen Versicherung, man habe gar kein Auto, ja, überhaupt nie eines gehabt, kommt inzwischen immerhin die einigermassen erfreuliche, da neue Option, sich gegenüber der nörgelnden Lebensabschnittsgefährtin als Opfer des hypothymestischen Syndroms zu outen. That'll make them shut the fuck up.


15.03.2006 | 05:43 | Anderswo | Fakten und Figuren

Minstrel 2006


Minstrel, früher (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Minstrel nennt sich eine eigentümliche und zutiefst rassistische Kulturform, die im 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert vor allem in den USA sehr populär war. Dabei schminkten sich Weisse im Blackface-Stil als Schwarze und boten Tanz-, Musik- und Varietéeinlagen, natürlich unter Zuhilfnahme aller verfügbaren Nigger-Klischees. Das positivste an Minstrels war noch, dass sie erstmals auch schwarzen Künstlern Auftritte ermöglichten, sofern diese bereit waren, sich ebenfalls im Blackface-Stil zu verkleiden.

Der Einfluss der Minstrels auf die US-amerikanische Populärkultur ist enorm: Namhafte Entertainer wie Al Jolson, Bing Crosby oder Bob Hope performten im Blackface-Stil. Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte die BBC mit The Black and White Minstrel Show noch 20 Jahre lang hohe Quoten und gewann 1961 die Goldene Rose von Montreux. Es gibt natürlich auch kritische Referenzen: Spike Lee erzählt in der Mediensatire Bamboozled (2000) vom schwarzen Mitarbeiter eines TV-Senders, der seinem weissen Chef ein Minstrel-Show-Konzept vorlegt, um den eigenen Rausschmiss zu provozieren und mit ansehen muss, wie das Konzept umgesetzt wird und auch noch höchst erfolgreich ist. Und im Video zu Public Enemies Burn Hollywood Burn von 1990 sieht man Ice Cube und Chuck D Minstrels gucken, woraufhin die beiden das dazugehörige Kino anzünden.

Ebenjener Ice Cube ist nun Co-Produzent der Reality-Show Black. White., die seit 8. März auf dem US-amerikanischen Fox-Ableger FX Networks läuft. Auch hier werden weisse Menschen zu Unterhaltungszwecken schwarz geschminkt, dieses Mal allerdings im Rahmen einer Art politisch korrekten Sozialstudie: In sechs Folgen tauschen eine schwarze und eine weisse Familie die Hautfarbe, um zu erfahren, wie sich der Alltag und die Behandlung durch andere Menschen dadurch verändert. Ob das Konzept Erfolg hat und vielleicht, in welcher Form auch immer, sogar nach Deutschland kommt, wird sich zeigen. Die Leistung der Maskenbildner ist aber auf jeden Fall schon mal ziemlich beeindruckend (wie diese Vorher-Nachher-Galerie zeigt.


14.03.2006 | 17:33 | Berlin | Alles wird schlechter | Fakten und Figuren

The DJ is dead

Als die fantastischen Pet Shop Boys im Oktober 1991 die Single "DJ Culture" veröffentlichten, fing offiziell die DJ-Dekade an, die 90er Jahre, in denen bootgeleggt und regemixt wurde, was einem unter die Nadel kam – nicht nur in der Musik. Der DJ wurde eine Ikone, ein Superstar, die Musiker hinter ihm zur Staffage. Er schaffte es sogar bis in die Fernsehwerbung von Persil und Sparkasse. Womit eindeutig sein Niedergang eingeleitet worden sein dürfte.

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

Und heute eröffnet in einer ehemaligen Sparkassenfiliale am Berliner Hackeschen Markt Puma einen Flagship Store und stellt einen DJ ins Schaufenster. Das ist die Möbelhaus-Eröffnung des 21. Jahrhunderts, der DJ ist toter als tot, er kann sich ab sofort gemeinsam mit Wolfgang Lippert beim Zange klauen im Baumarkt erwischen lassen, er würde keinen Ansehensverlust erleiden.

Das war es also mit dem DJ, ein trauriger Tod, eingerahmt von einem Ampelmännchensymbol und einem abgestellten, aber nicht abgeschlossenen Damenrad, umringt von 60jährigen Zufallspassanten, die vor dem Schaufenster nicht einmal hören, was aufgelegt wird. Die coolen Kinder werden inzwischen VJ, das geht bestimmt noch drei Jahre, und dann kommt etwas Neues. Vielleicht Klingelton-Jockey oder gleich Tastenton-Jockey. Man weiss es nicht. Und will es irgendwie auch nicht wissen.


14.03.2006 | 04:53 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Hot Hot Hot


Schillernder Riesentoaster: die Z-Machine (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
"Hot Content" schreiben heute sehr viele Hochstapler auf ihre Produkte, aber nur die allerwenigsten meinen es ernst damit. Was wirklich "hot", "cool", "lauwarm", "gut" oder "schlecht" ist, weiss am Ende in diesem Wirrwarr aus Etikettenschwindel und Realitätsverlust niemand mehr. Deshalb sind wir sehr dankbar, dass die Kollegen von der Z-Machine endlich mal wieder einen Referenzpunkt setzen, Achtung, hier kommt er: zwei Milliarden Grad. Die Z-Machine funktioniert dabei nicht viel anders als ein Toaster, man braucht ein Stück Metall und Strom, und wenn man dann konsequent immer mehr Strom, sehr viel mehr Strom, am Ende schon zugegeben extrem viel mehr Strom durch das Metall schickt, dann verbrennt man sich die Finger. Es entsteht ein kleiner Plasmaklumpen, das Heisseste, was je von Menschen auf der Erde produziert wurde, genaugenommen sogar heisser als eine Supernova. Das ist beachtlich, bewundernswert, ungeheuerlich.

Leider verhält es sich mit der Z-Machine wie mit allen anderen wirklich heissen Dingen: Man kann sie nirgends kaufen, und wenn man sie kaufen könnte, würden die Eltern sie sofort verbieten, so dass man sie nur heimlich unter der Bettdecke ausprobieren kann. Ausserdem beschweren sich wahrscheinlich hinterher die Nachbarn.


... 55 56 57 58 59 [60] 61 62 63 64 65 ...

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Pliasmen (erfundene Fremdworte)

- Wolfsgehege (echt wölfisch)

- Fluß ohne Wiedergänger

- Killergruppe (Gruppe M)

*  SO NICHT:

- Rollos der ewigen Finsternis

- Invasion aus dem All

- Schokofondue mit Käsepockets

- Gurkentruppe


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"Ein fliehendes Pferd", Rainer Kaufmann (2007)

Plus: 21
Minus: 22, 23, 38, 41, 62, 142
Gesamt: -5 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV