Riesenmaschine

07.10.2008 | 12:33 | Nachtleuchtendes | Fakten und Figuren

Saturnbau jetzt noch schneller


Saturn in modernen Farben. Credit: NASA/JPL/University of Arizona
Es mag überraschend klingen, aber wir wissen noch nicht richtig, wie Rätselplanet Saturn entstanden ist, obwohl die meisten von uns zumindest 100%ig davon überzeugt sind, dass er existiert. Die Grundidee stammt überraschenderweise aus dem 18. Jahrhundert von Leuten wie Laplace und Kant, die meinten, dass Planeten aus einem scheibenförmigen "Nebel" entstehen, der die Sonne umgab, als sie noch jung war. Das grobe Szenario muss man sich so vorstellen wie das Zusammenklumpen von Staubmäusen unter dem Bett, nur ganz anders: Winzige Staubteilchen stossen zusammen, wachsen zu grösseren Klumpen, die dann durch Kollisionen mit anderen Klumpen und durch Zusammensammeln von Gasteilchen immer mehr zu dem werden, was man Planeten nennen könnte. So weit, so gut.

Das Problem dieses hervorragenden Szenarios: Es funktioniert zwar, braucht aber zu lange, um so etwas wie Saturn hinzukriegen. Junge Sterne sind in der Tat von Scheiben aus Staub und Gas umgeben, den Resten der Wolken, aus denen der Stern mal entstand; diese Scheiben leben allerdings nur maximal so 5 Millionen Jahre, was sehr lange klingt, aber Planetenentstehung dauert länger, jedenfalls im Modell. Jetzt, beziehungsweise letzten Freitag, erfährt man von einer neuen Arbeit, die es mit relativ geringen Anforderungen an das Baumaterial in der Scheibe schafft, Saturn in nur dreieinhalb Millionen Jahren zusammenzubauen. Das ist schnell genug. Die Existenz Saturns damit gerechtfertigt, sein dämlich-ewiges Herumkreisen um die Sonne akzeptiert. Als nächstes müssen wir uns um Uranus kümmern.


05.10.2008 | 15:50 | Fakten und Figuren

Gelöst: Das Rätsel des Rattenkönigs


Baumkönig (Foto, Lizenz)
Schändlich von der Fachliteratur übersehen wurde eine fundamentale Implikation der gerade mit dem Ig-Nobelpreis für Physik ausgezeichneten Publikation Spontaneous knotting of an agitated string von Dorian M. Raymer und Douglas E. Smith: Wir sind einen Schritt weiter in der theoretischen Erforschung des Rattenkönigs. Wie alle wissen, handelt es sich bei Rattenkönigen um Klumpen an den Schwänzen verknoteter Ratten, grausame Unglücksfälle, von denen weltweit so cirka 30-60 dokumentiert sind. In der diesbezüglich wegweisenden Schriftensammlung Lexikon des Unwissens (ab November als Taschenbuch erhältlich) wurde zum ersten Mal der Rattenkönig mit der weit häufiger beobachteten Erscheinung des Kabelsalats in Verbindung gebracht – dicht gedrängt lebende Ratten werden durch äussere Einflüsse in Hektik versetzt, rennen wild durcheinander, folglich Verknotung, dadurch mehr Hektik und mehr Knoten. Ein wichtiger Transfer, sind Kabelsalate doch wesentlich einfacher im Labor zu untersuchen als Rattenknoten.

"Wesentlich einfacher" bedeutet allerdings leider nicht, dass es auch wesentlich häufiger geschieht: Genauso wie die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen zum Rattenkönig liegt die der einigermassen realistischen Experimente zum Kabelsalat tief im einstelligen Bereich. In einem davon jedoch gelingt der Nachweis, dass die Dauer bis zur Knotenentstehung nahezu unabhängig von der Länge des "Kabels" ist, wenn diese 16cm überschreitet, während die benötigte Zeit zur zufälligen Entknotung rapide mit der Länge ansteigt. Daraus folgt: Sind die Schwänze der Ratten nur lang genug, sind Rattenkönige ein unausweichliches Produkt der Natur.


Rattenkönig idealisiert (Foto, Lizenz)
Weiterhin wenig verstanden sind jedoch die Faktoren, die die spontane Knotenbildung in Schnüren jeglicher Art kontrollieren. Die Nobelpreisarbeit kommt hier einen Schritt weiter: Knoten werden erzeugt (durch die traditionelle Labortechnik des Schüttelns), dann fotografiert und anschliessend mathematisch analysiert. Nur ein Beispiel für die erstaunlichen Ergebnisse: Fast alle der beobachteten 3415 Knoten sind Primknoten, die Primzahlen unter der Knoten, also solche, die topologisch unzerlegbar in andere Knoten sind, aber das nur nebenbei.

Zum ersten Mal schlagen sie ein mathematisches Modell für den Kabelsalat und damit den Rattenkönig vor, das sowohl analytisch als auch in einer numerischen Simulation die Versuchsergebnisse qualitativ reproduziert. Interessanterweise beruht ihr Modell auf der Annahme, dass sich zur Knotenbildung eines der Schnurenden in einer Wellenbewegung hin- und herbewegt, das andere aber unbewegt bleibt, eine hervorragende Beschreibung für gewöhnliches Schwanzwedeln. Es bleibt nichts anderes übrig als zu schlussfolgern, dass Rattenkönige eine topologische Idealisierung des gewöhnlichen Kabelsalats darstellen.


03.09.2008 | 16:32 | Berlin | Fakten und Figuren | In eigener Sache

Riesenmaschine plant ihren Herbstanfang


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Endlich ist September. Der Sommer geht irgendwo anders hin, die Menschen gehen wieder rein und erfreuen sich an ihren Space-Invaders-Tastaturen, dem Start der NFL-Saison und dem reichhaltigen Herbstauftaktkulturprogramm von Riesenmaschine und Partner: Am ungewohnten Donnerstagstermin laden morgen das Supatopcheckerbunny und seine Freunde zur 29. Berlin Bunny Lecture, es geht um "Alles über die Welt" und zu Gast sind Klaus Ungerer, Autor des gleichnamigen Buchs, Leonhard Horowski, Fil und Jens Friebe (20 Uhr/nbi). Rund einen Monat vor dem Erscheinungstermin ihres kommenden Weltbestsellers Dinge geregelt kriegen haben Sascha Lobo und Kathrin Passig schon mal das dazugehörige Blog gestartet, mit nützlichen Tipps, lediglich leicht verspätet eingestellten aktuellen Infos und besinnlichen Weisheiten für sinnvolles und erfülltes Prokrastinieren. Und wer tatsächlich in der Nacht von vergangenen Samstag auf vergangenen Sonntag etwas Besseres vorhatte, als Deutschlandradio Kultur zu hören: "Sie haben gewonnen!", das Magazin für Zuversichtliche und die vierte Folge unserer Radioreihe Folge 137, kann nun auch bequem als Podcast runtergeladen werden. Am 15. September erscheint dann übrigens noch das Buch Marke Eigenbau von Holm Friebe und Thomas Ramge – hier muss man schnell sein, denn die schönsten Cover-Farben werden schnell vergriffen sein. Was es damit auf sich hat, kann man schon mal hier sehen (umliegende Baustelle bitte noch nicht beachten!). Am 29. September gibt es dazu im Radialsystem die Buchpremiere mit Sprühaktion als letzte Option auf die eigene Lieblingsfarbe. Aber das ist nun wirklich Zukunftsmusik von morgen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Riesenmaschine plant wieder eine Woche (muss ja)


28.08.2008 | 19:46 | Berlin | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Wir treffen uns wieder bei 7,20 €


*Ökonomie-Studenten wird der fokale Preis gern anhand eines etwas angestaubten Sozial-Experimentes näher gebracht, bei dem man Testpersonen mit der Aufgabe konfrontiert hatte, eine andere Testperson ohne Angabe von Ort und Uhrzeit an einem bestimmten Datum in New York zu treffen. Das Gros der Teilnehmer wäre sich tatsächlich um zwölf Uhr mittags an der grossen Uhr in der Halle von Grand Central begegnet. Heute würde man einfach ein paar SMS hin und her schicken... (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Als "psychologische Preise" bezeichnet man politisch korrekt und ohne einer religiösen oder ethnischen Minderheit zu nahe zu treten eine krumme Preisgestaltung, die sich den Effekt zunutze macht, dass wir gern die Zahl vor dem Komma fixieren und Nachkommastellen ausblenden, auch wenn diese fast an die nächste natürliche Zahl heranreichen. "Fokale Preise" hinwiederum bezeichnen solche Sprungstellen im Kontinuum der Zahlen, auf die sich die Marktteilnehmer auch ohne wettbewerbsverzerrende und kartellrechtlich bedenkliche Absprachen verständigen.*

Als Mischung aus psychologischem und fokalem Preis, signifikant über fünf, aber deutlich unter zehn Euro, scheint sich in der Berliner Gastronomie gerade die Marke von 7,20 € für ein vollwertiges Gericht zu etablieren: Im vietnamesischen Restaurant Sian in der Rykestrasse kostet jedes Hauptgericht ausnahmslos und exakt 7,20 €, im gerade neu eröffneten Crossover-Japaner Kyo in der Torstrasse schlägt das Business-Lunch-Buffet ("All you can eat") mit 7,20 € zu Buche, und schräg gegenüber in der Neuen Odessa Bar, die seit kurzem erst Speisen vorhält, berappt man zumindest für das Lammragout mit Kartoffel-Kürbis-Gratin die nämlichen 7,20 €.

Warum ausgerechnet 7,20 €? Aller Zahlenmagie, die sich hier in Anschlag bringen liesse, zum Trotz bleibt die krumme Summe letztlich kontingent. Auch ein externer Effekt wie jener aus der Uhrenwerbung, wo es am häufigsten zehn vor zwei ist, weil die Zeiger dann ein anstiftendes Smileygesicht bilden, kommen hierbei eher nicht in Betracht. Man muss die Zahl vermutlich einfach als Ergebnis einer langen Iteration von Versuch und Fehlschllag in einem hochkompetitiven Markt akzeptieren und begrüssen.


12.08.2008 | 20:29 | Fakten und Figuren | Listen | Papierrascheln

Markwort – Allein zu Haus


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Gut, Sommerloch, klar. Der Riesenmaschine ist die Problematik temporären Themen- und Autorenmangels zwar fremd, Verständnis hierfür bringen wir aber natürlich dennoch auf. Also so prinzipiell. Für den Focus zum Beispiel: "Schnell! Schick! Sparsam!", so diese Woche die dreifaltige Fakten-Fakten-Fakten-Alliteration, die das nächste grosse Ding in Sachen Benzinkostenvermeidung propagiert. Das Nachrichtenmagazin bringt einen völlig neuen Aspekt in die Diskussion um die begrenzten Ressourcen der lieben Mutter Erde ein, indem es den ungläubigen Funkspothörer an seiner knallhart recherchierten Zauberformel teilhaben lässt: "Mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren".

"Hey! Aber ja doch!", denkt sich da selbst das Supatopcheckerbunny, "da hätte ich aber auch selbst und auch früher auch schon mal darauf kommen können!" und kauft sich voller Neugier das bunte Heft mit dem Titel: "Spar Sprit – Fahr Rad!" Und der dicke Mann beim Focus, der zur Urlaubszeit etwas verloren wirkt – so ganz alleine am riesigen Redaktionstisch – wirft sich weiter selbst die Bälle zu. Die Themen der nächsten Wochen hat er bereits alle im Kasten:

Die neue Gang-Art: Schlendern – entschleunigt, entspannt, entertaining! Toll: Ihr Körper bringt schon alles mit, was sie dazu brauchen!

Lesen – Draufschauen. Dekodieren. Denken. Optische Informationsaufnahme neu entdeckt. Die 20 beliebtesten Buchstaben im praktischen Merkheft im Hosentaschenformat.

Kaffeetassen – klobig, knallig oder klein? Welche Modelle gibt es, was muss ich beim Kauf beachten?

Möbeldilemma: Tisch oder Stuhl? Sitzen, Seufzen, Sorgenmachen. Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Eine Übersichtstabelle auf 13 Sonderseiten hilft bei der Entscheidungsfindung.

Mit Freunden treffen -- unterhaltsam, ulkig, unbeschwert oder zickig-zermürbende Zeitverschwendung? Grosser Service-Teil mit Brettspiel zum Heraustrennen.

Der einsame Mann im Spiegelhochhaus hingegen tut sich schwer: Ob man nächste Woche mal "Macht Masturbation blind?" titeln sollte? Oder es vielleicht auch einfach mal ganz lässt, einfach mal eine Woche aussetzt? Das muss doch auch mal möglich sein!


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