Riesenmaschine

30.05.2007 | 14:19 | Listen | Vermutungen über die Welt

Minor Urban Disasters


Murphys Law auf die Strasse gebracht.
Bild: Plugimi, Lizenz
Irgendwie waren wir – dank eines Fingerzeigs von Peter Glaser, der uns auf die umgefallenen Männchen im Glaskasten der Modelleisenbahn am Bahnhof Spandau aufmerksam machte – der Sache schon länger auf der Spur. Auch Kathrin Passigs Sammlung weggeworfener Wäscheständer und meine ausgesetzten Stofftiere gingen in die Richtung. Nur haben wir irgendwie immer die falsche Abzweigung genommen. Vielleicht fehlte es einfach nur am verbindenden und verbindlichen Begriff für all diese häufig unbeachteten und undokumentierten Kleinkatastrophen im Stadtbild. Der passende und umfassende Terminus dafür lautet natürlich "Minor Urban Disasters", die gleichnamige Flickr-Group, die beim gestrigen Pecha Kucha-Abend in Berlin von Beiträger Ariel Chico vorgestellt wurde, hat es auf den Punkt gebracht und versammelt die Livebilder und Spuren von Mikrodramen oder blossen Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten im öffentlichen Raum. Angefangen hat alles 2003 mit einem verlorenen Handschuh in Stockholm, inzwischen steuern 68 Mitglieder ihre Bilder bei. Als Diashow betrachtet ergeben sie ein tragikomisches Panoptikum der urbanen Halbheiten, Havarien und Hacks sowie einen eindrucksvollen Beleg dafür, dass möglicherweise etwas mit der Matrix nicht ganz in Ordnung ist. Und das hatten wir ja eh schon immer vermutet.


17.04.2007 | 14:40 | Listen

Ungesundes Frühaufstehen

Grover Cleveland Elementary School (Brenda Ann "I don't like Mondays" Spencer): 8:30
World Trade Center, North Tower: 8:46
Volkhoven: 9:00
Oklahoma: 9:02
World Trade Center, South Tower: 9:03
Virginia Tech: 9:15
Dunblane: 9:30
Emsdetten: 9:30
Winnenden: 9:30
Bath: 9:45
Amish School Shooting: 9:51
Erfurt: 11:00
Littleton: 11:10
Charles Whitman: 11:48

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Am selben Ort, etwas später


16.04.2007 | 21:35 | Anderswo | Sachen anziehen | Listen

Weimar Dessau Hongkong


Bauhaus Hongkong, gleich neben Joy Division, China
Der international erfolgreichste, deutschstämmige Markenname ist mit an SgW Bauhaus. Eine europäische Baumarktkette mit Zentrale in der Schweiz nennt sich bereits seit mehr als vierzig Jahren so; interessanter Weise darf sie nicht den Untertitel "Home Store" führen, denn das wurde ihr vom amerikanischen Konkurrenten Home Depot verboten. Bauhaus aber kann jeder heissen: Eine britische Post-Punk- bzw. Prae-Gothik-Band, ein Polstermöbelhersteller im Nordosten Mississippis, eine amerikanische IT-Firma, ein Buchcafé in Seattle, eine Immobilienfirma in Montenegro.

In Hongkong trägt die vor Ort grösste Kette für Casual Wear den klaren deutschen Namen. Hier werden Hosen- und Kleiderstücke von berühmten Bauhaus-Designern wie Walter Levis', Mies Sixty oder Hannes Chip & Peppers verkauft, und zwar auch mit Hilfe eines internetbasierten Retail Management Systems (Net-RMS). So weiss man in der Bauhaus-Zentrale sofort, wenn in einer Filiale die Kandinskys aus sind. Der zweiterfolgreichste internationale deutsche Marke aber ist mit an ngSgW Bräu- bzw. Brauhaus. Am unpopulärsten scheint gegenwärtig Die Kochmützen zu sein. Dieser Name ist international nur einmal vergeben, und zwar an ein deutsches Restaurant in Peking. Wer einem Amerikaner auch nur einmal beim Versuch zugehört hat, den Namen auszusprechen, weiss auch ganz genau, warum.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Wiedergutmachungsbäckerei

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


20.03.2007 | 17:47 | Was fehlt | Listen

Lidls of the free word


Natürlich hat Freebase nichts mit Drogen zu tun, sondern mit freien Datenbanken, also von Englisch Free und Database, das Data muss man sich dazudenken. Geht ganz gut eigentlich. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Namen der neuen Internetfirmen und ihrer Produkte sind nun zur Genüge belächelt; spätestens nach dieser Überschrift soll Schluss damit sein. Überraschend sind aber Begriffe, die nun kommen: Das Unternehmen Metaweb, das sich aus altgedienten Internetrecken rekrutiert, von Tim O'Reilly und den frühen Adaptoren gefeiert wird, benennt ihre allumspannende Datenbank homonym zu einer wohlbekannten Drogen-Darreichungsform, die auch der Begriff ist, den Wikipedia unter Freebase führt.

Noch ist die Datenbank im Alpha-Stadium, erzeugt aber ein wohliges Summen im Internet, das als solches zu begrüssen ist. Uns erwartet vermutlich ein grosses Verzeichnis von allem, in dem beispielsweise Arnold Schwarzenegger in der Datenbank als Person, gleichberechtigt als Body Builder, Filmstar und Politiker geführt wird. Das anfangs ebenfalls gefeierte Google Base beispielsweise, das den Benutzern zwar ebenfalls das beliebige Hinzufügen von Datenkram erlaubt, bleibt bei dessen Kategorisierung auf der Strecke und bietet die unautorisierten Myspace-Profile der Schutzhand von Florian Henckel von Donnersmarck an.

Aber wo Metaweb draufsteht, kann schliesslich Metaweb auch drumherum, darüber und drinnen sein.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: I've seen the futr and it wrks (in beta)


11.02.2007 | 17:24 | Alles wird besser | Listen

Mein Kunde Harvey


Privater Mailverkehr anderer Leute. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Aus der deutschen Ferne konnte und kann man kaum die Spektakularität und die weltwirtschaftliche Gefahr der Enron-Pleite begreifen. Dabei ging es weniger um die Veruntreuung von Milliarden Dollar aus den Rentenkassen, als vielmehr um die kunstvolle Art der Luftgeschäfte; man könnte von der dritten Ableitung des Luftgeschäfts mit sich selbst sprechen: Noch nicht existierende Waren wurden in Warentermingeschäften zu selbst eingeschätzten Preisen verkauft und dann sofort als Einnahmen verbucht (was von den Käufern nur deshalb akzeptiert wurde, weil sie nicht existierten, sondern im Geheimen selbstgegründete Offshore-Firmen waren), womit wiederum Bankkredite abgesichert wurden. Die hervorragende, unterhaltsame Dokumentation "Enron: The smartest guys in the Room" zeigt, wie Enron drohte, das amerikanische Finanzsystem zum Kollaps zu bringen.

Man kann sich diesem Fall aber auch unendlich viel detaillierter nähern, denn im Zuge der Untersuchungen veröffentlichte die US Federal Energy Regulatory Commission alle internen Mails der Führungsebene von Enron von 1999 bis 2002. Die klugen Werbeverantwortlichen der Firma Trampoline Systems luden alle 200.000 Mails herunter und speisten sie in ihr famoses Visualisierungs- Archiv- und Suchsystem. Dort liegen sie nun und können nach Stichwörtern, Urhebern und Herzenslust durchsucht werden. So kann Werbung also auch funktionieren.


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