Riesenmaschine

06.02.2007 | 09:04 | Berlin | Nachtleuchtendes

Blinkentealights

In Berlin ist vorgestern trotz des gewohnt unkonkret gehaltenen Oberthemas "unfinish!" die 20. Transmediale zu Ende gegangen. Neben den Konferenzpanels, Performances und Clubabenden gab es natürlich auch wieder eine Ausstellung und dessen mit Abstand bemerkenswertestes Exponat war der Random Screen von Aram Bartholl, eine Milchglas-Wand aus 5x5 Pixeln, die zufällig heller und dunkler werden (auf Platz zwei: Eine Koreanerin, die in dem kurzen Film Against God By Water Pistol bei Platzregen mit einer Wasserpistole in den Himmel schiesst).

Nun würden es die Genrekonventionen der Medienkunst gebieten, dass die Lichtschwankungen des Random Screen auf einer komplexen Matrix basieren, die sich aus einer Kombination der Transmediale-Zuschauerzahlen, der Bewegungen der Überwachungskameras am Berliner Hauptbahnhof und dem weltweiten Auswurf an Blogartikeln speist. Aber nichts da: Schaut man auf die Rückseite, findet man 25 Fächer, in denen jeweils ein Teelicht steht, auf dem wiederum jeweils eine frei gelagerte, präparierte Bierdose angebracht ist. Durch die aufsteigende Hitze drehen sich diese Bierdosen zufällig schnell, und weil nur an einer Stelle der Aussenwand ein Loch angebracht ist, durch das Licht strahlen kann, ergibt sich das Zufallsmuster. Inspiriert wurde das Ganze übrigens vom Blinkenlights-Projekt, und als bekanntermassen allem Alten und Undigitalen verbundenem Blog stehen wir kurz vor der Anschaffung eines Random Screens. Sobald man damit auch Tetris spielen kann, schlagen wir zu.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Speedart und Blinkenlights 2.0


04.02.2007 | 14:17 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Zum auf den Mond schiessen


Das Weltall (sinngemäss) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Das Jahr 2007 ist ganz klar das Jahr der sinnlosen Unternehmungen. Ein Beispiel ist der "Great Munro Reptile Survey" eines schottischen Astronomen, der alle 284 Berge Schottlands nach Reptilien abzusuchen vorhat. (Es gibt in Schottland nur vier Reptilienarten und keine von ihnen lebt auf Bergen.) In dieselbe Kerbe schlägt die Firma JP Aerospace, eine Art private Konkurrenz der NASA, mit ihrem Programm Space Ad. Hier das in seiner schlüssigen Nutzlosigkeit fast nicht zu übertreffende Grundprinzip: Eine zentimetergrosse Werbebotschaft wird an einen Mini-Satelliten geheftet, kurz in den Weltraum geflogen, dort fotografiert und kommt dann per Fallschirm wieder zur Erde. Die billigste Variante, 2x2 Zentimeter gross, kostet nur 100 Dollar, für 4x8 Zentimeter ("big, attention-getting") zahlt man 1400 Dollar. Angeblich kann sich JP Aerospace vor Anfragen nicht retten, und schon am 14. April wird der nächste Flug gestartet.

Wenn die Menschheit erst anfängt, Kreditkarten nur aus Spass ins All zu schiessen, dann kann die vierte Hölle nicht mehr weit sein. Diese jahrtausendealte Weisheit der Dakota wäre damit ein für allemal widerlegt.


01.02.2007 | 03:34 | Nachtleuchtendes | Essen und Essenzielles

Opas Haftpulver und die zeitgenössische Kunst


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Was die Liste der circa 100 ausstellenden Künstler angeht, hüllt sich der künstlerische Leiter der documenta 12, Roger M. Bürgel, in fortgesetztes Schweigen. Als Zugeständnis ans Publikum liess er sich vor geraumer Zeit die Namen der beiden ersten und der beiden letzten im Alphabet entlocken, und diesem Umstand ist es zu verdanken, dass wir, nicht zuletzt dank der Riesenmaschine, wissen, dass Molekularkoch Ferran Adrià dazuzählt, während zumindest die im Künstlerlexikon gelisteten bildenden Künstler zwischen Magdalena Abakanowicz und Jankel Adler traurige Gewissheit haben, dies nicht zu tun, vielleicht.

Das Innovative an Adriàs Molekularküche ist, dass sie physikalische und chemische Prozesse bei der Zubereitung von Speisen und Getränken verwendet, die irgendwie am Aggregatzustand einzelner Produkte drehen. Adrià selbst unterteilt seine Experimente in drei Klassen: sferificación, gelificación und emulsificación. Das bleibt natürlich nicht unkopiert, und selbst in den entlegensten Provinzkoch- und Volkshochschulen halten Molekularkochkurse inzwischen Einzug.


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Am bekanntesten ist wohl der sphärifizierte Melonenkaviar, bei dem der mit einem speziellen Pülverchen vermischte Melonensaft mittels spezieller Spritze ins mit einem anderem speziellen Pülverchen versetzte Kochwasser geträufelt wird, worauf die Oberfläche sofort abbindet und kaviarähnliche, innen noch flüssige Kügelchen entstehen. Will man das als Privatperson nachmachen, kann man entweder für teuer Geld Adriàs Original-texturas und -Werkzeuge bestellen, oder man geht in die Apotheke und besorgt sich für sehr viel weniger Geld Calciumchlorid-Dihydrat, eine Einwegspritze und eine Packung Protefix Haftpulver für die Dritten, das zu 100% aus dem beim Maitre "ALGIN" genannten Natriumalginat besteht.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Wer im Glashaus schwitzt


28.01.2007 | 20:55 | Nachtleuchtendes | Supertiere

Guck mal was da denkt


Genverschraubtes Mausmonster (Foto: Ikayama)
Es ist ein alter Hut mit Propeller drauf, beziehungsweise eine alte Baseballkappe mit nach hinten gedrehtem Schild, dass die je gültige Annahme darüber, wie das Gehirn funktioniere, mit der gerade aktuellen Technologie Schritt hält. Erst hielt man es für eine Ätherschleuder, dann für eine ausgeklügelte Maschine, für einen Computer, demnächst dann für ein iPhone oder ein Universalgadget. Die schiere Beliebigkeit der Belegungen zeigt schon, dass hier wie in der Medizin nur die Ratlosigkeit hinter kompliziertem Zeug versteckt wird, dass also die Hirnforschung an galoppierendem Metaphernsyndrom leidet.

Der Grund dafür ist natürlich, dass das Gehirn zuallererst mal ein Gehirn ist, das heisst ein riesiger Haufen komplizierten Schmadders, Milliarden von Neuronen, die aufs Verwirrendste zusammengestöpselt sind, und alle bisherigen Versuche, ein wenig Ordnung in den Wirrwarr zu bringen, hauptsächlich das Gefühl verstärken, kaum was über das schwabbelige Organ der Erkenntnis zu wissen. Zwar kann man Tieren – und manchmal sogar Menschen – Elektroden in die Rübe stecken, und Hirnimpulse knattern hören, aber man hört dabei nur wenigen Neuronen zu, und weiss obendrein nicht genau, welchen, bis man das Tier zerschneidet, und dann ist es ja kaputt.

Um besser sehen zu können, was ein Tier so denkt, haben Genmechaniker jetzt fluoreszierende Eiweisse in Mäuseneuronen geschraubt. Die so zerbastelten Mäuse sehen in Betrieb aus wie eine Science-Fiction-Dekoration aus den Siebzigern, mit Lichtimpulsen, die Kabel entlangflitzen, und können also buchstäblich beim Denken beobachtet werden. Man muss dazu nur den Mäusekopf aufsägen und das Gehirn freilegen. Dass das dann beobachtete Funkenfeuerwerk "Hey, mach den Kopf zu, Blödmann" bedeuten wird, wissen wir zwar schon vorher, aber wir wollen den Mechanikern ja nicht den Spass verderben.


28.01.2007 | 01:10 | Nachtleuchtendes | Vermutungen über die Welt

Horsts Tod


Der Mond, mit (ungenauem) Verfallsdatum im Krater rechts unten (Credits: Ranger Project, NASA)
Ganz sicher das nutzloseste Wissen, das die Menschheit bisher hervorgebracht hat, ist das um das langfristige Schicksal der Sonne. Was könnte es für einen Sinn haben, heute schon genau zu wissen, wie sich in fünf Milliarden Jahren die Sonne zunächst zum Roten Riesen aufblähen und in der Folge als Weisser Zwerg sterben wird, wenn wir noch nicht mal wissen, wie lange es noch dauern wird, bis die Waschmaschine im Keller endgültig ihren Geist aufgibt? Beruhigend daher zu erfahren, dass das Schicksal des Mondes im Unklaren ist, und zwar schon länger. Aber erst letzte Woche erfährt man bei space.com von einer zumindest ästhetisch wertvollen Variante, vorgestellt von Lee Anne Willson, Astronomin in Iowa: Wenn also der Mond in den heissen Aussenschichten der aufgeblähten Sonne zu baden beginnt, verlangsamt sich seine Fahrt, er kommt der Erde immer näher, bis, schliesslich, er eine Stelle erreicht, die Roche-Limit heisst, und genau dort von den Kräften zerrissen wird, die auf dem Mond für Ebbe und Flut sorgen würden, gäbe es dort Meere. Dann wird die zu diesem Zeitpunkt bereits unangenehm dampfende Erde für eine Weile von einem schönen Mondschrottring umgeben sein, bis die Mondreste dann, man ahnt es, auf die Erde niederregnen. Erst ein spektakulärer Mondzerbruch, dann ein Ring am Himmel, schliesslich ein Steinregen, so hat man sich öde Winterabende immer vorgestellt. Schade nur, dass wir alle samt Kindern und Kindeskindern zu diesem Zeitpunkt, auch das wissen wir sicher, bereits tot sein werden.


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