Riesenmaschine

26.08.2006 | 14:50 | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Das nächste bunte Ding


Womöglich wird bald die Zeit kommen, in der Menschen in dampfbetriebenen Postkutschen von einer Stadt zur anderen reisen. (Foto: nozai / Lizenz)
Schon lange beschäftigt sich die Menschheit mit der wichtigen Frage, wie sich der Drogenkonsum mit seinen hässlichen Nebeneffekten (kostet Geld, Wirkung hält oft lange an, zudem muss man "gelegentlich ein paar gelähmte alte Damen niederstrecken und ausrauben oder sein Geschlecht in einer übelbeleumdeten Bahnhofsgegend einer Meute von Randexistenzen feilbieten", © Walter Moers) durch fortschrittlichere Lösungen substituieren lässt. Einen neuen Ansatz bietet hier die HDR-Fotografie, wie man sie nebenstehend oder in grosser Menge in der HDR-Group bei flickr betrachten kann: In speziellen, klandestinen HDR-Labors werden drei herkömmliche Bilder so miteinander vermengt, dass ein buntes, dynamisches Drogenerlebnis ohne Nebenwirkungen entsteht. Wer HDR-Fotos selbst herstellen will, hat derzeit die Wahl zwischen Photoshop CS2 (sehr teuer), PhotomatixPro (teuer) und FDRTools (billig).

Man darf sich darauf einstellen, dass schon morgen, also spätestens nächstes Jahr oder jedenfalls noch in diesem Jahrtausend Werbefotografie nur noch mit HDR denkbar sein wird. Bzw. wird schon bald darauf Fotografie ohne HDR das Auge des Verbrauchers so fesseln, dass wir an dieser Stelle ausführlich über die neue, gewagt simple Retro-Technologie berichten werden.


25.08.2006 | 15:44 | Nachtleuchtendes

Mahlzeit, Hunde

Es ist noch nichtmal wenige Wochen her, da forderte man an dieser Stelle eine möglichst komplizierte und überhaupt Wischiwaschi-Definition für das faszinierende Wort Planet. Und schon ist es passiert: Ein Planet muss a) die Sonne umkreisen, b) aufgrund seiner eigenen Schwerkraft rund sein, und c) seine Bahn von anderen Körpern gereinigt haben. Weltweit kratzen sich die meisten Astronomen den Kopf, was das jetzt bedeuten mag. Angeblich gibt es damit acht Planeten (Pluto bleibt auf der Strecke, weil er von Unmengen Schutt umgeben ist), aber was ist mit den extrasolaren Pla- ups, Himmelskörpern, die irgendeinen anderen Stern umkreisen? Was ist mit Jupiter, der auf seiner Bahn von zig Kleinkörpern begleitet wird? Genauso wie die Erde übrigens? Zugegeben, das Wort "Planet" definieren zu müssen, ist ähnlich schwierig wie festzulegen, was genau ein "Hundekuchen" ist, aber muss man deswegen gleich bestimmen, dass ein Hundekuchen ein Katzenschwein ist? Andererseits natürlich ein Geniestreich, niemand wird die Frage nochmal stellen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Klarheit ist nicht wünschenswert


15.08.2006 | 05:05 | Nachtleuchtendes | Fakten und Figuren

Ansichten aus dem Nonneninnen


Im Inneren der Nonnen wohnt ein Kind. Wer hätte das gedacht? (Foto: Drake LeLane)
Wie sieht es im Inneren einer Karmeliternonne aus? Für diejenigen unter uns, denen die Frage schon länger auf den vor Spannung zerkauten Nägeln brannte, hat eine Forschergruppe in Montreal jetzt Abhilfe geschaffen, und den Salat auch gleich bei Neuroscience Letters publiziert. Man hat dort Nonnen in enge, kühle Röhren geschoben, und ihnen dann mit Magnetfeldern den Kopf in Scheiben geschnitten, während sie sich mit Gott eins fühlten, ein Zustand, in den Karmeliterinnen sich offenbar in den schlimmsten Bredouillen mit klösterlicher Leichtigkeit zu versetzen verstehen. Vorhersehbarerweise führt das ganze zu Bildern von Nonnengehirnen mit ein paar farbigen Flecken drauf. Der Vorgang insgesamt gemahnt einerseits an Persinger, der ja bei seinen Experimenten religiöse Ekstasen nicht misst, sondern gleich selber auslöst, andererseits aber auch an die banale Erkenntnis, die einem Redakteur der Zeitschrift Science vor einer Weile unbemerkt durch die Korrekturfahnen wehte: dass nämlich ein Hirnscan beweise, dass eine bestimmte kognitive Fähigkeit im Gehirn verortet sei. So dekorativ sind diese Bilder vom bunten Grauen, dass man sich nicht vorstellen mag, es lasse sich mit ihnen nicht doch mehr beweisen, als dass auch bei Nonnens die Party eben im Kopfinnern steigt.


12.08.2006 | 05:19 | Nachtleuchtendes | Fakten und Figuren

Klarheit ist nicht wünschenswert


Sieht eigentlich ganz normal aus: Planemo
Nächste Woche, auf dem grossen Symposium der Internationalen Astronomischen Vereinigung (IAU), soll endlich per Definition geklärt werden, was man in Zukunft Planet nennen darf und was nicht. Was auch immer dabei herauskommt – man wünscht sich natürlich eine komplett lebensferne und komplizierte Formulierung, irgendwas mit Deuteriumbrennen, e<0.25 und Spektraltypen – die Tatsache, dass man darüber überhaupt diskutieren muss, belegt, wie erfolgreich die letzte Dekade darin war, die rassistische Trennung zwischen Sternen und Planeten aufzuheben. Vor zehn Jahren noch war alles klar, die kleinen Planeten umkreisen den grossen Stern, und sie entstehen gefälligst, wenn der Stern schon fertig ist, basta. Als die Astronomen Jayawardhana und Ivanov Anfang Juni 2006 im kanadischen Calgary vor die Presse traten, und ein paar Dinger, zwar kaum grösser als Jupiter, aber ziemlich sicher genauso entstanden wie die Sonne, kurzerhand als Planemos bezeichneten, war darum das Geschrei gross. Ein Planemo – ein "planetary mass object", das jedoch nicht einfach nur einen Stern umkreist, sondern selbständig denken und handeln oder zumindest durchs All fliegen kann. Gleichzeitig präsentierte Kollege Mohanty einen Braunen Zwerg, auch so ein Untermensch des Weltalls, der von einem Planemo umkreist wird. Wenige Wochen später dann, in einem an planemolosen Nachrichten ansonsten eher armen Sommer, zeigte die Welt da draussen uns in aller Konsequenz ein Planemo, das von einem anderen Planemo umkreist wird. Leider wird es bis zur IAU-Tagung nicht mehr klappen mit der nächsten Stufe, denn worauf wir jetzt alle warten, ist ein Planemo, das von einem Planeten umkreist wird, oder halt auch umgekehrt. Früher war irgendwie alles viel zu einfach, die Erde eine Scheibe, die Bilder vom Himmel in Öl und Mathe ging noch ohne Taschenrechner.


07.08.2006 | 06:56 | Nachtleuchtendes | Fakten und Figuren

Praecox-Bescheid


Die Pixel wundern sich auch schon. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wie geschickt sich die Zeit beim Vergehen anstellt, konnte man kürzlich beim Thementag zu eben diesem Thema erfahren. Wie das mit Verabredungen ist, seit es Handys gibt, weiss man auch: drei Anrufe braucht der Mensch dafür heutzutage, wenn nicht sogar zwei. Allerdings soll man diesen Umstand nicht allzu verbissen bemeckern, denn Verspätungen können so immerhin telefonisch entschuldigt werden, noch bevor sie stattfinden. Das ist zumindest gefühlt effizienter als umgekehrt. Wer allerdings kürzlich bei Alceste Bonanos von der Carnegie Institution in Washington angerufen hat, um ihr – entschieden nachträglich – mitzuteilen, dass der Anfang des Universums verschoben wurde, ist nicht bekannt. Wichtig ist nur, dass sie nun auch uns Bescheid gegeben hat, alles habe wohl möglicherweise cirka zwei Milliarden Jahre früher angefangen.

Alle, die erst im 20. Jahrhundert geboren wurden, müssen sich jetzt aber nicht weiter grämen: Wir Jungspunde werden dadurch keinen Tag älter, auch wenn möglicherweise einzelne in unseren Leibern verwendeten Atome noch mehr Vorbesitzer hatten, als wir bislang ahnten und beim einen oder anderen der Tacho manipuliert sein könnte. Trotzdem: Bier schon mal kaltstellen, Karten reservieren und Akku aufladen, bevor die Hubble-Konstante komplett durchknallt. Könnte ja sein, dass es beim nächsten Anruf heisst, sorry, vertan, heute Abend um Acht geht alles von vorne los. Dann besser vorbereitet sein.


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