Riesenmaschine

24.06.2006 | 05:37 | Anderswo | Papierrascheln

Besonders nette Menschen gähnen mit


Ingeboooooooooooooooorg (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wer sich vom Gähnen anstecken lässt, identifiziert und verbündet sich unbewusst mit seinem Gegenüber. Es handelt sich um eine «synchronisierte Gruppen-Aktivität», Schizophrenen fällt das schwer.
Auch Vögel und Reptilien können das nicht, behauptete jedenfalls Konrad Lorenz (der ja bekanntlich Nazi war) 1963, was vier Jahre später aber widerlegt werden konnte, weil irgendwer einen gähnenden Strauss beobachtet hat. Gähnende Kaninchen hat man diese Woche des öfteren auf der Welt gesehen, überall, nur nicht in Klagenfurt, beim so genannten Bachmannbewerb, besser bekannt als Die Tage der reitenden Leichenwäscher. Schizophrene, Sträusse und die schizophrenen Sträusse der Riesenmaschine hingegen waren putzmunter und ausgeschlafen, verblüffenderweise ganz ohne Ritalin. Heute geht der Wettbewerb zuende, alles wurde weggelesen, und jetzt kann man endlich auch selbst mitmachen und bewerten, und zwar hier und heute in der Zeit von 13.30 bis 20 Uhr. Kaninchen haben nicht mitgelesen, aber ein paar Nageraffine. Geben Sie also mit Bedacht Ihre Stimme ab, wenn wir das müde Kaninchen im Bild nicht erschiessen sollen, und Ihnen Ihre seelische Gesundheit lieb ist.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


15.06.2006 | 00:11 | Papierrascheln

Alle heissen Thomas


Thomas (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Thomas (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Autoren wie Thomas Kapielski und Thomas Gsella sind momentan deshalb so fleissig, präsent und beliebt, weil sie beide gleich aussehen, gutmütige Dackelgesichter mit verkniffenen Lippen, also exakt so wie diejenigen, die ihr Zeug lesen und lieben ("Generation Thomas"). Bereits 1982 hat der grosse Kid P in Sounds in seinem grandiosen Berlinportrait ("Zur Erklärung: Berliner sind dicke Pfannkuchen, aus denen rote Marmelade quillt, wenn du raufdrückst") erkannt, dass "Kapielski ein uninteressanter, wehleidiger Allroundschwätzer ist, der nicht gerne über Geld redet", und der mit seinem biederen Surrogat aus Kippenberger und Arno Schmidt nur in so einem muffigen Klima wie Berlin gedeihen konnte. In der Zwischenzeit ist es nur noch schlimmer geworden mit dem Mann, wie man kürzlich in seinem Blog bei Zweitausendeins feststellen musste: "Ja, Mensch, und wisst Ihr denn eigentlich auch, dass der hiesige, deusige Blogwerther nun sogar auch in Zürich schon den Oberkunstgoethe schiebt?! Da schwebe ich nämlich morgen wieder ein und inspiziere die roten Punkte (Verkaufi!) an meinen Schinken, die derzeit in der Galerie Marlene Frei in der Zwinglistrasse 36 hängen und von Mittwoch bis Samstag ab 12 Uhr bestaunt werden können!"

Thomas Gsella, gleichalt wie Kapielski, also jenseits der 50, ist Chefredakteur der Schmunzelzeitung Titanic, die er seit seiner Inthronisation mit Büttenreden und Knittelversen zumöbelt, denn das ist sein Metier. Sozialisiert worden ist er in der Beamtenhochburg und Schlafstadt Essen, und bevor er hauptberuflicher Reimer wurde, war er Lehrer an der dortigen Volkhochschule. Jetzt hat er sogar eine regelmässige "Reimkolumne" im Magazin der SZ, und zwar über Sternzeichen. Gereimte Horoskope, Blogwerther und Oberkunstgoethe, Babysprache, Zwiebelfisch und Matussek, gebt diesen Leuten doch endlich den Heinrich-Heine-Preis.
Ironie der Geschichte: Der gnadenlose Kid P ist heute genau das, was er damals Kapielski vorwarf, ein Buchhalter nämlich; er betreut das Archiv der mausetoten Doofipostille Tempo. Alle zehn Jahre schreibt er wieder mal etwas, aber es klingt wie die Parodie seiner selbst. Vermutlich sieht er jetzt auch aus wie die beiden Thomasmänner auf den Fotos.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (7)


13.06.2006 | 01:27 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Papierrascheln

Mach 10


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Mit einem entsprechend lautenden Sprichwort kann man jeden Krimskram rechtfertigen und man kann lange debattieren, ob man in diesem, aktuellen Falle (siehe Bild) lieber das alte rumänische Sprichwort "Alte Wecker wecken besser" oder das pragmatische deutsche "Viel hilft viel" bemühen mag.

Ganz einerlei, der Gewinn, den diese Welt durch die zehnklingige Schere einstreichen darf, spielt selbstredend in einer ganz anderen Liga als Rasierer mit fünf Klingen und Geschirrspülmittel mit fünf Phasen. Nicht nur, aber ganz sicher auch, weil zehn eben ganz locker ungefähr das Doppelte von fünf ist.

Die japanische Firma Tokuseti, Erfinderin und Verkäuferin der zehnklingigen Schere, hat jedenfalls ganz genau hingeschaut, in unserem Alltag und bei unseren Bedürfnissen. Endlich kann nicht nur Helmut Kohl Akten vernichten, und endlich bleiben Bastelarbeiten nicht den Haltern feingliedriger Hände vorbehalten. Und mitnehmen kann man das Ding auch total einfach. Fehlt zum grossen Glück rumänischer Wecker nur noch das passende Sprichwort.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Wer hat das Rädchen erfunden?


07.06.2006 | 15:26 | Anderswo | Papierrascheln

Viswanoglu


Plagiarismus ist nicht nur ein Problem des Literaturbetriebs (Foto: dweekly / Lizenz)
Plagiarismus ist eine eher langweilige und auch nicht besonders überraschende Sache, vor allem, wenn es um Romanautoren geht, die sich angeblich bei wissenschaftlichen Texten bedient haben. Der englische Richter, der den Plagiatsprozess gegen Dan Brown leitete, langweilte sich dabei sogar so sehr, dass er in den Urteilstext seinen eigenen Code einbaute. (Für unsere kleinen Knobelfreunde und für zwangsneurotische Dan-Brown-Fanatiker hier das komplette Urteil samt Code als PDF.) Was bei den Plagiatsvorwürfen nicht überrascht, ist die Tatsache, dass sich Fiktion bei Wissenschaft bedient, bewegen sich die beiden doch zumeist in recht säuberlich getrennten Parallelwelten, und wenn man dann beispielsweise abends nach Meerestieren forscht, findet man im Internet nach dem vierten Glas Rotwein eben ein paar wissenschaftliche Artikel und schwupps werden diese Artikel literarisch verarbeitet und verkaufen sich wie warme Semmeln.

"Parallelwelten?" wird sich der aufmerksame Leser denken, "da war doch was"? Knapp daneben, in Deutschland heisst das nicht Parallelwelt, sondern Parallelgesellschaft, und das Wort verweist auf die Integrationsprobleme von Menschen mit Migrationshintergrund. Feridun Zaimoglu, dem ehemaligen Bart- und Preis-der-Jury-Träger des Bachmannwettlesens 2003, wird vorgeworfen, Teile seines Romans "Leyla" bei Emine Sevgi Özdamars Roman mit sehr langem Titel abgeschrieben zu haben. Die in der Presse aufgeführten "Plagiatsbeispiele" überzeugen freilich noch nicht, sondern lassen einen eher zur überraschenden Erkenntnis kommen, dass junge türkische Frauen ähnliche Erfahrungen machen.

Sehr viel sexier ist da schon der letzte grosse Plagiatsfall aus den USA, der in Deutschland fast nicht erwähnt wurde. Hier die Kurzfassung: 17-jähriges reiches gut aussehendes Mädchen indischer Herkunft will unbedingt nach Harvard, heuert dafür eine Coachingfirma an, deren Betreuerin die "autobiografischen" Geschichten des Mädchens an einen Buchverlag vermittelt, der dem Mädchen 500.000 Dollar Vorschuss für zwei Romane gibt. Das erste Buch erscheint, die Autorin ist mittlerweile 19 Jahre alt und studiert in Harvard, als im harvardeigenen Blatt Vorwürfe auftauchen, das Buch sei eine schlecht getarnte Kopie eines anderen Frauenromans von Megan McCafferty. Und in diesem Fall sind die Übereinstimmungen so auffällig, dass man auch beim allerbesten Willen nicht der Entschuldigung Kaavya Viswanathans (so der Name des Mädchens, hier der Wikipedia-Eintrag mit vielen Plagiatsbeispielen) folgen kann, sie habe den anderen Roman zwar gelesen, aber nicht kopiert, sondern "verinnerlicht". Der Verlag hat am 4. Mai das Buch vom Markt genommen, bei amazon können Interessierte noch überteuerte Restexemplare kaufen, und auf youtube gibt es schon den ersten hilflosen Ehrenrettungsversuch, der jedoch nur ein "Saturday Night Live"-Video mit Natalie Portman plagiiert.


28.05.2006 | 23:22 | Anderswo | Sachen anziehen | Papierrascheln

Fatwa und Emel

Nicht jeder hat es so einfach wie unsere Leser, die hier bequem Antworten auf fast alle wichtigen Fragen des täglichen Lebens bekommen. Für gläubige Muslime etwa ist es deutlich schwieriger, ihr Leben gemäss den Gesetzen des Korans zu organisieren. Dieser hat ja auch schon einige Jahre auf dem Buckel und bei seiner Entstehung waren so wichtige Dinge wie Fussball, Haartransplantationen oder Audiokassetten noch praktisch unbekannt.
Deshalb erlassen Muftis sogenannte Fatawa, also Rechtsgutachten, in verwirrend grosser Zahl. Alleine der Grossmufti von Ägypten, Ali Gomaa, und sein Mitarbeiterstab sollen jeden Monat gegen 7.000 erlassen (Quelle: NZZ vom 26.05.2006).

Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Vorurteil rufen die Fatwas aber keineswegs ständig zum Töten von Salman Rushdie auf, sie sind auch nicht immer verbindlich, und wer mit einer Fatwa nicht zufrieden ist, kann durchaus eine Zweitfatwa einholen. Heutige Fatwas, die man etwa hier oder auch hier auf deutsch nachlesen kann, beschäftigen sich schon mal mit Fragen wie "Darf Parfum, das Alkohol enthält, benutzt werden" (Ja), "Darf man bei Haarausfall Haare verpflanzen" (Nein), "Darf man im Internet Ehepartner suchen?" (eher nicht) oder "Dürfen Heiratsverträge auf Audio-Kassetten gespeichert werden?" (Nein). Eine Fatwa, deren Echtheit allerdings nicht unumstritten ist, beantwortet die Frage, ob Fussball gespielt werden darf, mit "Ja", allerdings soll auf die vier Linien auf dem Platz, die von Gottlosen erfunden wurden, verzichtet werden.

Muslimische Lebenshilfe der etwas weltlicheren Art gibt es aber seit einiger Zeit zumindest in England auch an jedem gut sortierten Kiosk im emel. Das "muslim lifestyle magazine" stellt Modestrecken zwar konsequent kopflos dar, um die leidige Kopftuchfrage zu umgehen, ist aber trotzdem oder gerade deswegen schön gestaltet und soll auch sehr lesenswert sein. Wie die iranische Fussballmannschaft allerdings mit derjenigen Fatwa umgehen soll, die vorschreibt, dass Vergehen im Fussball nicht nach den Regeln der FIFA, sondern nach den Gesetzen der Scharia geahndet werden sollen, wird auch dort nicht erklärt.


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