Riesenmaschine

04.11.2005 | 05:44 | Anderswo | Fakten und Figuren | Papierrascheln | Vermutungen über die Welt

Kinezikaryzisakoulogie


Bildunterschrift (Foto: 34929533@N00) (Lizenz)
Die Welt ist schwer. Leicht aber hätte es gerne der Mensch. Darum denkt der Mensch, wenn ihm ein langes Wort begegnet: "So ein Unfug! Ist denn die Welt ein langes Wort? Aber nein, vier Buchstaben hat die Welt, nämlich Weh, Eh, El und Tee. Ein kurzes Wort also, wie Wort selbst ja übrigens auch." Und recht hat er, der Mensch, so zu denken.
Eine wissenschaftliche Studie hat jetzt durch langwierige Forschung sogar einwandfrei nachgewiesen, dass lange und schwierige Worte schlechter Stil sind. Ausser natürlich, wenn sie unbedingt nötig sind, wie die klugen Köpfe hinter der Studie eilig anmerken. Nötig wie zum Beispiel in der Überschrift zu diesem Beitrag.


23.10.2005 | 15:05 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder | Papierrascheln

Man glaubt es nicht


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Lange Zeit war über den 1997 verstorbenen deutschen Maler, Grafiker, Kabarettisten und Satiriker Heino Jaeger (Abbildung unten) abgesehen von einem Titanic-Artikel von Christian Meurer vor einigen Jahren so gut wie gar nichts zu erfahren, seine Bilder (Abbildung oben, unten Mitte) praktisch nirgends zu betrachten. Zum Glück ist vor wenigen Tagen endlich im Schweizer Kein und Aber Verlag die Werkausgabe "Man glaubt es nicht" erschienen, aus der man, ach, vieles zitieren könnte: vom berufslaufbahnverderbenden Texashemd mit den unsittlichen Motiven, von Gesprächen mit Salaten, von Teppichen aus abgetrennten Eidechsenenden, von der Verabreichung von Eisenbahnstangenöl und von Schlipsen "aus Stein und verzinkt". Weniger Arbeit und sicher auch mehr im Sinne des Verlags ist es aber, wenn sich jeder das Buch einfach kauft. Es hat fast 500 Seiten, und wer es nicht besitzt, der mag zwar um 29,80 Euro reicher sein als andere Menschen, führt aber trotzdem ein sinnloseres Dasein als ein abgetrenntes Eidechsenende.


16.10.2005 | 23:16 | Alles wird besser | Papierrascheln

No more trust the girls!


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Gar nicht so selten passiert es, dass erst im Moment des Vergehens die Existenz von irgendetwas zur Kenntnis genommen wird. Vergleichbar mit dem Wecker, den man erst bemerkt, wenn er aufhört zu klingeln, verhält es sich mit dem Zentralorgan der Luxuslollimädchen ELLEgirl aus dem Burda Verlag. Laut Editorial der November-Print-Ausgabe hätten wir erfahren können, wie man hochklassig ist, ohne zugleich snobistisch zu sein, edel ohne elitär, sexy ohne ordinär und frech ohne flapsig, also eine Art Münze mit nur einer Seite. Man fragt sich, was schief gegangen sein mag, dass einen derartige Verheissungen über zwei Jahre nicht erreichten.

Führt es zwangläufig zum Scheitern eines Blattes, wenn es diesen Paradoxien eine weitere hinzufügt, indem es sich mit "Trust the girls!" bewirbt? Oder war der Titel der halbgrossen ELLEtochter zu sehr state of the art? Der Titel der November-Ausgabe bietet allen, die an der Frauenthemennadel hängen, sehr viele gute Kaufgründe, wie etwa die doppelte Erwähnung von looks und girls. Es reicht wohl nicht aus, den Standardteasern einige ausgelutschte seit Jahren bewährte Idiome ("Girls don't cry") hinzuzufügen, um die Abwesenheit intellektueller Komplikationen im Inhalt zu signalisieren. So löblich eine frohgemute Oberflächlichkeit sein mag, macht es jedenfalls keine Freude, sich im Mini-Format zu unterfordern. Und nur wenige unter uns leisten sich die rührende Verwirrung, Parfumflakons für 115 € und Lederhandschuhe mit Goldverschluss (jetzt Trend!) für 1.800 € mit der Lupe anzugucken, weil die Zeitung billiger als grossformatige ist.


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Ihr ELLEgirl-Team" ringt im Editorial mit sich, warum es mit den girls und dem Vertrauen nicht lief: "Den Grund zu erklären ist schwierig. Denn er hat mit wirtschaftlichen Umständen zu tun, die leider nicht ELLEgirl-Pink sind. Sie sorgen für das Aus dieser Zeitschrift." Weitere Einzelheiten zu den Einstellungsgründen erspart uns das Team, vielleicht, weil Denkfalten unpink sind, waren, immer sein und die Inhaberin niemals pink machen werden. Wir werden es nie erfahren. Festzuhalten bleibt noch, dass es einen Verteiler weniger gibt für Kosmetikwerbung mit heilsversprechend gefüllten Eiswürfeln – ein Schritt in die richtige Richtung.

Antonia Rossdeut | Dauerhafter Link | Kommentare (6)


06.10.2005 | 16:53 | Papierrascheln

New Economy anno 68


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Auch vor 1995 gab es bereits eine New Economy. Die weltweite Pop-Revolution um das Jahr 1968 bedeutete einen bis heute nachwirkenden Paradigmenwechsel, der mit dem Internetboom in gewisser Weise nur eine Neuauflage erlebte. Auch damals entstanden aus einer nerdigen Subkultur neue soziale Praktiken und ein neues Lebensgefühl mit Massenappeal. Auch damals begriffen irgendwann selbst die Spiesser der alten Wirtschaft, dass da etwas vor sich ging, von dem sie zwar keine Ahnung hatten, dessen sie sich aber tunlichst bedienen sollten, wenn sie nicht ins Abseits rutschen wollten. Auch damals gab es an der Schnittstelle plötzlich neue Akteure und Unternehmungen, die als idealistische Zirkel starteten und als schnöde Betriebe endeten. In "Das Geschäftsjahr 68/96" (Suhrkamp, 2005) beschreibt Bernd Cailloux aus der Binnenperspektive und cum ira et studio so ein Unternehmen in seiner entscheidenden Umbruchphase. Die Musse-Gesellschaft beginnt als eine Art Kunst-und-Technik-Kollektiv, das mit grellen Lichtinstallationen helfen will, die psychedelische Revolution in die bundesrepublikanischen Metropolen zu tragen. Auch die Düsseldorfer "Beuys-Boys" haben ihre Finger im Spiel – das ganze soll mehr soziale Plastik sein als ordentliche Firma. Als mit dem Stroboskop mit einem neuen entfesselten Tanzstil gleichzeitig ein marktgängiges Produkt erfunden wird, das nicht zuletzt Werbefuzzis begeistert, wird das Kollektiv nolens volens zu einem unkonventionellen Start-up. Während einige Beteiligten der ersten Stunde inklusive des Erzählers sich in Drogenexperimenten verlieren, reisst sich einer den Laden unter den Nagel, der inzwischen auch Lichtinstallationen für den Messestand der vereinigten Futtermittelhersteller auf der ANUGA massschneidert ...

Das alles, den auf realen Gegebenheiten beruhenden unternehmerischen Aufstieg und den ebenso realen privaten Niedergang beschreibt Cailloux mit einer lakonischen Nüchternheit und schonungslosen Schnoddrigkeit, die vielleicht am ehesten an Jörg Schröder in "Siegfried" erinnert. Dies zumal, da es auch hier um den weniger ausgedacht als vielmehr bewundernswert rekonstruierten Aufstieg und Fall eines Bohème-Unternehmers unterm Pop-Paradigma ging. Die authentische Schilderung der Szenen und der kontrastierenden Welt der Mittelständler mit Pepitahütchen in der Bundesrepublik um 1968, über die der Pop nicht wie eine Welle schwappte, sondern punktuell einsickerte, macht das Buch zu einem der besten zum Thema und mal wieder zu einem Pop-Roman im Suhrkamp-Sortiment, der den Namen verdient. Der Fokus auf die Firmengeschichte, die gruppeninternen Mechanismen und die Psychodynamik macht es zu einem hervorragenden Buch über die New Economy.


22.09.2005 | 00:19 | Papierrascheln

OHNE TITEL


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die alten Herren der amerikanischen Literatur, Wolfe, Updike, Mailer etc. haben in den letzten Jahren eher durch zickige, in Zeitungen ausgetragene Streitereien unterhalten als durch ihre Werke. So verglich Norman Mailer zum Beispiel Tom Wolfes Roman "A Man in Full" damit, Sex mit einer 150 Kilo schweren Frau zu haben: "Wenn sie erstmal oben ist, ist es vorbei. Verlieb dich oder ersticke.", während John Updike noch recht moderat meinte, dass Wolfe keine Literatur, sondern bloße Unterhaltung fabriziere. Wolfe revanchierte sich damit, dass er Updike und Mailer als "zwei alte Haufen Knochen" bezeichnete.
Nun macht Tom Wolfe wieder Schlagzeilen. Dieses Mal geht es um seinen letzten Roman, "I Am Charlotte Simmons", dessen Titel nicht auf der Paperbackausgabe erscheinen wird. Stattdessen sind auf dem Cover nur die Zeichnung einer jungen Frau und, in sehr großen Lettern, der Name des Autoren zu sehen. "Anstelle des Buchtitels benutzen wir Tom Wolfes Namen als Markenzeichen. Er ist selbst eine Ikone." sagt Tanya Farrell, die Publicity Direktorin von Picador USA, Wolfes Verlag. Angesichts der eher durchwachsenen Kritiken scheint dies nicht die schlechteste Strategie zu sein.


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