28.05.2006 | 23:22 | Anderswo | Sachen anziehen | Papierrascheln
Nicht jeder hat es so einfach wie unsere Leser, die hier bequem Antworten auf fast alle wichtigen Fragen des täglichen Lebens bekommen. Für gläubige Muslime etwa ist es deutlich schwieriger, ihr Leben gemäss den Gesetzen des Korans zu organisieren. Dieser hat ja auch schon einige Jahre auf dem Buckel und bei seiner Entstehung waren so wichtige Dinge wie Fussball, Haartransplantationen oder Audiokassetten noch praktisch unbekannt. Deshalb erlassen Muftis sogenannte Fatawa, also Rechtsgutachten, in verwirrend grosser Zahl. Alleine der Grossmufti von Ägypten, Ali Gomaa, und sein Mitarbeiterstab sollen jeden Monat gegen 7.000 erlassen (Quelle: NZZ vom 26.05.2006).
Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Vorurteil rufen die Fatwas aber keineswegs ständig zum Töten von Salman Rushdie auf, sie sind auch nicht immer verbindlich, und wer mit einer Fatwa nicht zufrieden ist, kann durchaus eine Zweitfatwa einholen. Heutige Fatwas, die man etwa hier oder auch hier auf deutsch nachlesen kann, beschäftigen sich schon mal mit Fragen wie "Darf Parfum, das Alkohol enthält, benutzt werden" (Ja), "Darf man bei Haarausfall Haare verpflanzen" (Nein), "Darf man im Internet Ehepartner suchen?" (eher nicht) oder "Dürfen Heiratsverträge auf Audio-Kassetten gespeichert werden?" (Nein). Eine Fatwa, deren Echtheit allerdings nicht unumstritten ist, beantwortet die Frage, ob Fussball gespielt werden darf, mit "Ja", allerdings soll auf die vier Linien auf dem Platz, die von Gottlosen erfunden wurden, verzichtet werden.
Muslimische Lebenshilfe der etwas weltlicheren Art gibt es aber seit einiger Zeit zumindest in England auch an jedem gut sortierten Kiosk im emel. Das "muslim lifestyle magazine" stellt Modestrecken zwar konsequent kopflos dar, um die leidige Kopftuchfrage zu umgehen, ist aber trotzdem oder gerade deswegen schön gestaltet und soll auch sehr lesenswert sein. Wie die iranische Fussballmannschaft allerdings mit derjenigen Fatwa umgehen soll, die vorschreibt, dass Vergehen im Fussball nicht nach den Regeln der FIFA, sondern nach den Gesetzen der Scharia geahndet werden sollen, wird auch dort nicht erklärt.
15.05.2006 | 09:39 | Was fehlt | Sachen anziehen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Nach der dramatischen Rückholaktion der Firma H&M vergangene Woche für Kinderbadeschuhe, weil die Glitzersohlen der Galoschen auf glitschigem Grund keinen Halt gewährleisten und den Sicherheitsanforderungen eines Kinderbadeschuhs nicht entsprechen, drängt sich die Parallele zu den vor einem Jahr zurückgerufenen Babyjacken und den 6300 gestrickten Flaschen auf. Überhaupt scheint die Kette gerade auf dem Kindersektor öfter mal gezwungen zu sein, Produkte dem Kunden wieder abzukaufen. Beim Rutschfahrzeug der Marke Bobby Car gibt es keine Rückholaktionen, obwohl er erwiesenermassen jeden Schuh zerstört, für diesen Lapsus wurden dann die Gamaschen nachgereicht. Wäre es nicht einfacher und lukrativer für H&M, vom Bobby Car zu lernen und ihren schlüpfrigen Badeschuhen auch noch Spikes anzubieten, statt sie zurückzurufen und möglicherweise Völkern anzudrehen, die noch barfuss schwimmen und deren Kinder härtere Köpfe haben?
06.05.2006 | 16:13 | Berlin | Sachen anziehen
 Als hätte ihm niemand übers Haar gestreichelt (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)An der belebten Berliner Oranienburger Strasse, Ecke Tucholskystrasse, unweit des Ortes, wo kürzlich erst ein von einem Eisklotz-Meteoriten mit darin eingeschlossenen Wrangler-Jeans getroffenes Auto parkte, steht seit einigen Tagen ein weisser Schreibtischstuhl, angekettet an ein Strassenschild. "adicolor" steht darauf und entlarvt das obskure Objekt als fadenscheinige Guerilla-Marketing-Aktivität von adidas, die im Zuge ihrer stoischen Abarbeitung vergangener Dekaden den gleichnamigen Sneaker zum Selbstbemalen, jene schlimme Verirrung aus den 80ern, wieder aufgelegt haben und mit einigem Werbedruck der jungen Generation, die die 80er nicht aktiv miterleben musste, ans Herz zu legen versuchen. Aber während rundherum die ausdifferenzierte Streetart tobt und fröhliche Urständ feiert, bleibt der Stuhl jungfräulich weiss und unangetastet, als läge ein eigentümliches Schutzfeld aus Überdruss und Desinteresse um ihn herum. Und wird damit zum manifesten Menetekel für den kapitalen Flop der doofen weissen Schuhe, die im unweit gelegenen adidas Original Store mählich vor sich hin verstauben, ungetröstet und trostlos. Kein Mensch will sie haben, nicht mal Handwerker würden sie tragen. Kein Geistlicher wird ihren Untergang begleiten.
06.05.2006 | 01:44 | Sachen anziehen | In eigener Sache
 Weil es noch mal geht. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Hurra! Pünktlich zum Sommeranfang sind die 2006er Riesenmaschine-T-Shirts aus der Druckerei eingetroffen, nachdem der 2005er Flight (siehe oben, Pressefotos) nahezu komplett vergriffen ist. Wieder wurden handverlesene Second-Hand- oder eingereichte Lieblings-T-Shirts mit Aufdruck behutsam rücksichtslos mit dem Riesenmaschine-Schriftzug schwarz überdruckt. Jedes Shirt wird dadurch zum Unikat und erhält eine semiotische Vielschichtigkeit, anhand derer sich die Archäologie der Konsumgesellschaft betreiben lässt. Touristische Souvenir-Shirts sind ebenso darunter wie hochwertige Markenware aus vergangenen Jahrzehnten und New-Economy-Firmenshirts, deren zugehörige Firmen längst nicht mehr existieren. Im WM-Jahr gibt es natürlich einen gewissen Fussball-Bias. Wie üblich erhielt jedes Shirt einen eigenen Titel und eine charismatische Beschreibung verpasst. Treue Riesenmachine-Leser, die uns auf diesen Aufruf hin zwei Shirts eingeschickt haben, werden eins davon postwendend bedruckt zurück erhalten. Möglicherweise ist es das hässlichere von beiden, aber das ist Teil des Spiels. Sichern auch Sie sich eines dieser begehrten Einzelstücke, die dermaleinst auf eBay ein Vielfaches des Einstiegspreises erzielen werden! Experten sprechen bereits jetzt von einem herausragenden T-Shirt-Jahrgang. Richten Sie einfach eine E-Mail mit verbindlicher Reservierung an tshirts@riesenmaschine.de, und wir teilen ihnen die Zahlungsmodalitäten mit.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Reclaim the Shirts
17.04.2006 | 12:12 | Anderswo | Sachen kaufen | Sachen anziehen | Vermutungen über die Welt
 Seitdem die chinesische Textilbranche immer häufiger auch von der eigenen Regierung unter Druck gesetzt wird, keine internationale Marken mehr zu kopieren, versucht sich die chinesische Textbranche zusehends am eigenen Branding. Was dabei herauskommt, stellt zwar den chinesischen Kunden zufrieden, weil dem der lateinische Buchstabensalat sowieso nichts sagt. Der irgendwie fremd aussehende Name gibt ihm trotzdem das Gefühl, ein Produkt von internationalem Flair erworben zu haben. Der Laowai (Ausländer) aber steht im Pekinger Klamottenladen und rätselt: Wie soll ich fragen, wenn ich eine Hose der abgebildeten Marke will ("Kann ich mal die da von Oersnenvor/ Oersnanvur/Oersnunvir probieren?"), ist das eine Abkürzung, und wenn ja, wofür steht sie? Oer – (ergänze Erkenschwicker) supernatürliche voll Rustikale? Original English rough shorts ... Optimized extreme rude subtile ...(ab hier die verkrampften Erklärungsversuche bitte selbst fortsetzen). Diese Fragen kann einem weder ein Verkäufer noch das Internet (wahrscheinlich ist OERSNVR die erste ungoogelbare Marke der Welt) beantworten. Nur wie der Name entstanden ist, ist dem Preisschild am Hosenbund zu entnehmen: "Recycled brand through special washing." Und das ist nun wirklich eine Innovation.
*Beitragstitel-Copyright eventuell by Ich und mein Staubsauger 1987
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Label Inflation
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- knuffen und puffen
- Papayaschawarma
- Datenträger-Wundertüte
- Jakob Kamm
SO NICHT:
- originelles Anklopfen
- Pyjama anzünden, wenn man nicht schlafen kann
- Anspielungsgewitter
- Ananasschawarma
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Ein fliehendes Pferd", Rainer Kaufmann (2007)
Plus: 21 Minus: 22, 23, 38, 41, 62, 142 Gesamt: -5 Punkte
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