Riesenmaschine

12.02.2007 | 17:43 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Becherchen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Vor genau 200 Jahren machte in Karlsbad, dem Mineralquelleneldorado Böhmens, ein findiger Apotheker mit Namen Becher eine Entdeckung. Statt dem angeborenen Label aufs Erstbeste zu genügen und Sprudelwasser auszuschenken, brannte Josef Becher Lebkuchenschnaps, den Karlsbader Becherbitter, und tatsächlich erfreut sich dieser als Becherovka bis heute einer gewissen Beliebtheit. Ins Ausland exportiert man ihn in jacketttaschengrossen Fläschchen mit aufgeschraubtem Trinkgefäss. Das sieht nett aus, und wer knapp bei Kasse ist, kann in Lokalen billig bestellte Softdrinks mit einer schnellen Kappe B. zum Cocktail upgraden. Diesen kleinen Getränkemogel mag ein Feldforscher der Supermarktkette Billa beobachtet haben. Nicht unfindig, beschloss er, in den eigenen Regalen diebstahlgefährdete, weil teure Spirituosen anderer Marken mit einem aufgeschraubten Becherchen als Köder auszulegen. Sollten doch die zechprellenden Becherovkatrinker zugreifen und versuchen, die Flaschen zu stehlen.

Am Ausgang gäbe es lautstark die Quittung: der Dosierbecher, gar kein Becher, sondern eine elektronische Warensicherung. Ha! Bottlekey heisst der Evil Twin des tschechischen Bechers, logisch ist das nicht, braucht doch die Billakassiererin erst recht einen Patentschlüssel, um ihn zu entfernen. Aber wo gibt es schon noch ehrliche Namen in der Welt des Konsums? Seit den sechziger Jahren steht Billa für "Billiger Laden", im Billa Corso in den Wiener Ringstrassengalerien steckt der "Mogelbecher" allerdings vornehmlich auf Weinen über 25 Euro. Nur der Becherovka heisst wie er ist: ein ehrlich bekennender Becherbitter – pappt an der Zunge und kratzt im Hals. Happy Birthday, old B.


08.02.2007 | 18:08 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Universal Selling Proposition


Gleich. Fertig. (Foto: Bastian Pfister)

Jahrzehntelang rangen marketinggetriebene Unternehmungen um unique selling propositions, Alleinstellungsmerkmale, Unverwechselbarkeit, Abgrenzung vom Wettbewerb. Der Erfolg von Angeboten wie StudiVZ zeigt aber nun, dass sich Innovation nicht lohnt. Merke: Fast Followers sehen nur von unten so aus wie Me-Toos.

Unterdessen entdeckt die Glutamat-Verabreichungsbranche die Mimikry-Strategie für sich: Knorr (Unilever) und Maggi (Nestlé) bieten Produkte an, deren Identität die Identität mit dem Erzrivalen ist. Name, Foto, Typographie, Farbe, Layout, Wortwahl – beide Saucenpulver für "Schwedische Hackbällchen" gleichen sich äusserlich nun so wie sie es innerlich wohl schon immer taten. Wer hinter dieser universal selling proposition ein Frühstückskartell vermutet, der soll auf der Stelle von einem eisernen Positionierungskreuz erschlagen werden.


03.02.2007 | 05:02 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Apple für Arme


Schkopau auf Ecstasy (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Das ist also dieser OLPC, von dem man so wenig hört in letzter Zeit. Er hat einen hässlichen Namen und ist selbst hässlich. Er sieht aus, als hätte Siemens 1997 versucht zu erahnen, wie Apple 2001 hätte aussehen mögen. Die Farbe löst Leckreflexe der Ekelfaszination aus, entsprechend dem Verlangen, das Apfelshampoo wegen des Geruchs wider besseres Wissen mal zu kosten. Und der Name ist schlecht. Aus Marketingsicht kann man nur Dinge gutheissen, die gut heissen. OLPC kann und möchte niemand aussprechen. Produziert wird überhaupt erst, wenn fünf Millionen verbindliche Bestellungen eingegangen und bezahlt wurden. Als wäre das nicht genug, kostet der 100-Dollar-Laptop überraschend 150 Dollar. Das alles spricht für schlechtes Marketing. Dabei soll der Durchschnittskunde ein paar Millionen Stück abnehmen. Weil das Projekt aber trotzdem ein zukunftsweisendes ist, möchten wir alle mitlesenden Staaten zum Kauf ermuntern.


24.01.2007 | 19:06 | Sachen kaufen

Man steigt nie zweimal in denselben Golf


Was wäre eine Parklücke ohne Auto? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Kinder suchen sich Aufgaben, die zu ihnen passen. Als die DDR in den 80ern 20.000 Golfs importierte, weil man das Volk bei Laune halten wollte, habe ich eine Weile versucht, auf der Strasse mitzuzählen, um zu ermitteln, ob diese Zahl der Wahrheit entsprach. Ich kam aber nur bis ca. 500, weil ich immer vergass, wie weit ich schon gezählt hatte. 20.000 Golfs, das waren immer noch 16,98 Millionen zu wenig, um uns alle zu versorgen, was als Weihnachtswunsch vielleicht unverschämt geklungen hätte, aber am Ende immer noch preiswerter gewesen wäre als die Wiedervereinigung. Jetzt gibt es die DDR nicht mehr, aber dafür schon 25 Millionen Golfs, mehr als es von uns je gab! Und wie jeder gute Vater behauptet auch VW, sich über jedes einzelne seiner Kinder zu freuen, was bei 25 Millionen Kindern auch den Gefühlshaushalt eines ausgesprochenen Familienmenschen überfordern dürfte. Aber Autos sind natürlich auch nicht so undankbar.


19.01.2007 | 12:48 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Wick mich!

In Frédéric Beigbeders 39,90 wird ein Werbespot beschrieben, in dem sich ein Model lasziv Joghurt in den Mund und übers Gesicht rinnen lässt, um anschliessend in die Kamera zu hauchen: "I love it when it comes in my mouth" (Gedächtnisprotokoll). Damit wollte der Autor vermutlich spotartig auf ein in der Branche weit verbreitete Binse anspielen, wonach Geschlechtlich-Anzügliches den Abverkaufszahlen förderlich sei. Allerdings hat die Realität längst gleichgezogen, indem nämlich inzwischen nicht nur Diät-Margarine mit hochglanzmagaziniger Softerotik beworben wird, sondern neuerdings auch Hustenbonbons. "Jetzt wird's feucht im Mund" lautet allen Ernstes die neue Headline zur Kampagne für Wick-Halsbonbons, die auch ästhetisch in die Fussstapfen von Lätta et al. steigt. Der kleine Schönheitsfehler, dass es dort zuvor auch schon feucht war, wird mehr oder weniger wirksam gekontert mit der Behauptung, dass durch eine zugesetzte Chemikalie zusätzlicher Speichel im Mund freigesetzt wird und es also dort noch feuchter als vorher wird. In Wahrheit wurde der gesamte produktseitige Irrsinn allerdings nur unternommen, um endlich mal eine richtig versaute Werbung für eines der bis dato unsexyesten aller Produkte machen zu können – hinter Margarine.


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