10.11.2005 | 02:00 | Alles wird besser | Sachen kaufen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Der Realitätsbezug von Computerspielen ist traditionell gering gehalten. Früher verhalf man Klempnern zu Prinzessinnen und kämpfte gegen Riesenaffen, spielte Ritter, Igel oder Gott und durchstöberte von sprechenden Tentakeln bevölkerte Gutshäuser. Mit zunehmend besserer Grafik stieg dann zwar der Realitätsgrad der simulierten Welten, was die Wiedergabe tatsächlich gelebter Alltagserfahrungen betrifft, sieht es aber bis heute mau aus. Wessen typischer Tagesablauf ist es schon, in einem Verlies zweihundert Leute abzuknallen, danach erfolgreich einen Vergnügungspark zu leiten und am Abend schnell noch Fussball-Weltmeister zu werden?
Abhilfe schaffen nun Persuasive Games, die für Nokia-Handys das Spiel Airport Insecurity veröffentlicht haben (gefunden bei Kotaku). Hierbei kommt dem Spieler die Aufgabe zu, durch die Sicherheitskontrollen der 138 grössten Flughäfen der USA zu gelangen. Die Spielregeln basieren auf den aktuellen Sicherheitsbestimmungen für US-Airports und so ist man die meiste Zeit damit beschäftigt, Schlange zu stehen und rechtzeitig verdächtiges Zeug aus den eigenen Hosentaschen loszuwerden – womit Airport Insecurity zugleich das erste Computerspiel sein dürfte, das der Spielende in absolut der gleichen Situation wie der von ihm gesteuerte Charakter absolvieren kann.
09.11.2005 | 12:14 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen | Sachen anziehen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Für grosse Teile der Menschheit ist es völlig selbstverständlich, den eigenen Körper zu verkaufen, um davon zu leben. In China treibt man das Ganze jetzt noch ein Stück weiter und verkauft Teile menschlicher Skelette an durchgeschossene Goths, die sie zu Schmuck verarbeiten. Natürlich ist das Ganze völlig legal, denn die Knochen stammen von ausgedienten medizinischen Präparaten und auch der Artenschutz ist gewährleistet, solange die Zahl chinesischer Knochenspender die westlicher Knochenlutscherteens und Halloween-Kunden um ein Vielfaches übersteigt. Gerüchte, dass Dr. von Hagens demnächst auch ins Schmuckgeschäft einsteigt, sind dagegen bislang unbestätigt.
08.11.2005 | 18:51 | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Ein Handy aus massivem Gold mit 2.590 blauen Diamanten zum Etwas-geiler-als-Geiz-Preis von über 1 Million US$ mit Ultraschrott-Innenleben von Motorola – genau das richtige Weihnachtsgeschenk für alle Freunde des Absurden, die vegetarisches Essen in Tierschädeln auf Pelztischdecken servieren! Es muss sich wohl um ein weiteres Anzeichen des schon länger propagierten Trends zur "Luxese" handeln, bei der das oberste und teuerste Segment sowie die Discounter und Ramschmärkte boomen, die Mitte aber ausstirbt. (Die Mitte, das wäre in diesem Fall das mit 6-24.000 Euro mittelteure, aber dafür auch richtig mittelgute Handy Vertu.) Ganz neu ist beim Gold-Motorola allerdings die Verschmelzung von Luxus und Askese in einem einzigen Produkt, und da können wir nur sagen: Jetzt aber schnell, Maybach/Lada, Inscene/Prada und Unox Heisse Tasse/KPM!
08.11.2005 | 15:31 | Sachen kaufen | Sachen anziehen | Vermutungen über die Welt
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Jahrelang war Trendscouting ein Tummelplatz für lustlose Marktforscher und streetsmarte Scharlatane, wie man noch am Beispiel Internationales Institut und Universität für Zukunfts- und Trendforschung sehen kann, das nicht nur die Zukunft und Megatrends erforscht und verkauft, sondern auch eine brandaktuelle Umfrage ("Wer wird Präsident? Bush oder Kerry?") auf der verlinkten Seite hat. Inzwischen aber hat sich auf diesem Gebiet einiges geändert bzw. seriösifiziert, vor allem, weil internationale Bekleidungs-Konzerne wie H&M und Nike darauf angewiesen sind, Trends zu erkennen, um textil angemessen darauf reagieren zu können. Ab und an tritt sogar der Fall auf, dass die offenbar soziologisch geschulten Trendscouts gesellschaftliche Strömungen erkennen, bevor sie überhaupt auftreten. Ein gutes Beispiel dafür ist das nebenstehende Kapuzenjacket von Puma namens x Vexed (gesehen bei High Snobiety). Es entstand in Zusammenarbeit mit der der englischen Firma Vexed, die seit 1994 Kleidung für die Strasse herstellt. Mit den austauschbaren, waschbaren Atemfiltern (Rauch! Tränengas!) eignet sie sich hervorragend für den gerade erst wieder modern gewordenen Strassenkampf. Freude an der Entdeckung eines Trends noch vor seiner Wiederkehr dürfte bei Puma aus ethischen Gründen jedoch nur im Geheimen auftreten. Offiziell wird das Modell als "cycling jacket" angepriesen. Das glauben wir gern. Wenn uns Puma die entsprechende Umfrage zeigt, in der sich Fahrradfahrer über bisherige Jacken aufregen, die viel zu wenig nach Massenmörder aussehen.
08.11.2005 | 04:33 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Der Reifegrad einer Zivilisation, früher einfach an der Anzahl verbrannter Hexen oder der Anzahl der Kleinstaaten in Deutschland ablesbar, muss heute aufwendig mit Hilfe von Fruchtsäften ermittelt werden. Europa zum Beispiel steckt immer noch tief im dunklen Fruchtsaftmittelalter, mit ausgeprägtem Ständewesen (Orange, Apfel, Sonstige) und knallharter Fruchtsaftverordnung. Im Würgegriff von Usurpatoren wie Onkel Dittmeyer (siehe Bild) müssen sich die bedauernswerten Deutschen entweder dem ewigen Orangensaftfaschismus ergeben (kein Konzentrat, kein Zuckerzusatz), oder aber den sogenannten Multivitaminsaft konsumieren. "Multivitamin" klingt zwar tolerant und menschenfreundlich, schmeckt aber immer genau gleich, und zeugt daher ganz klar von ideologischer Gleichschaltung tropischer Früchte – ein Euphemismus wesensverwandt mit Schlagworten wie "Nationale Front" und "War against terror".
Wie die Fruchtsaftneuzeit aussieht, demonstriert der amerikanische Marktführer Tropicana, der auf die kluge Idee gekommen ist, dass man aus cirka zehn gängigen Südfrüchten durch einfache Permutationstechniken insgesamt mehrere Tausend verschiedene Arten Dreifruchtsaft herstellen kann. In der Fruchtsaftmoderne muss man daher nie mehr zwei Tage in Folge denselben Saft trinken, was zu Arroganz, Halt- und Masslosigkeit, aber eben auch zu grundloser Euphorie und überschäumender Freude führt – Grundlage für offene Gesellschaften, geistige Überlegenheit und wirtschaflichen Wohlstand. Weil es nicht verboten ist, mit dem Mittelalter Geschäfte zu machen, kaufte Tropicana-Mutterkonzern "Pepsico" vor einigen Monaten Punica auf, und versorgt den deutschen Markt seitdem mit traditionell-feudalistischer Fruchtsaftbrühe – ein extrem cleverer Schachzug, vergleichbar etwa mit der Unterwerfung felltragender Germanen durch die Römer oder mit dem Siegeszug der Mauren in Südeuropa. Wie immer wird es zu einer Fruchtsaftkonterrevolution kommen (vgl. Schlacht im Teutoburger Wald, Reconquista), gefolgt von einer kurzen Phase des Rückfalls in grausame Möhrensaftdiktaktur, bevor dann in der endgültigen Revolution die Befreiung des gesamten Kontinents gelingt und eine neue, glorreiche, ähm, Fruchtsaftzeit anbricht. Wobei es natürlich auch ganz anders kommen könnte.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Probleme wegignorieren
- Nogo-Area im Bad
- Universaldübel
- Knickmilch
SO NICHT:
- Sessel-Dschihadismus
- Plattentektonik
- Olm im Hals (statt Frosch)
- Mit dem Sputumspatel den Salbeitee umrühren
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Drive", Nicolas Winding Refn (2011)
Plus: 1, 3, 6, 11, 42, 55, 94, 96, 101, 135 Minus: 1, 8, 36, 76, 80, 93, 99, 132, 140, 149 Gesamt: 0 Punkte
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