Riesenmaschine

28.11.2006 | 02:39 | Supertiere | Alles wird besser

Haustiertrends durch die Jahrhunderte


Unterschätzes Haustier: Die Mexikanische Springbohne (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Um 1850 spazierte Gérard de Nerval in Paris herum und hatte als Haustier einen Hummer an der Leine, weil Hummer "friedliche, ernste Geschöpfe" seien, die "die Geheimnisse der Tiefe kennen und nicht bellen". Er erfand damit vermutlich das ungewöhnliche Haustier als urbane Lifestyle-Disziplin, wenigstens aber den Hummerhaustierhoax. Relativ sicher wahr ist dagegen die 1869er Todesanzeige des Hauswombats von Dante Gabriel Rossetti. Knapp einhundert Jahre später kochte Dali den städtischen Haustiertrend mit Hilfe eines durch die Metro geführten Ameisenbärs hoch und inzwischen gibt es Internetseiten, die Frettchen-Fun heissen. Das liegt an dem grossen Haustiertrend des 20. Jahrhunderts, der Demokratisierung des exzentrischen Spezialhaustiers. Ein deutsches Haustierforum teilt seine Unterforen in die Rubriken Streifenhörnchen, Chinchillas, Frettchen, Kaninchen und sonstige Heimtiere (Ratten, Meerschweinchen, Lemminge, Fische etc.) – der Haustierhalter wird in den nuller Jahren mit Hund oder Katze nicht ernst genommen, sondern so gerade eben nicht ignoriert.

Die nach ihrem Zeugungsort benannte Gazettengazelle Paris Hilton hält sich einen Wickelbär und kackt damit noch deutlich gegen den Flughund einer Berliner Durchschnittshundefriseuse ab, ein Leguan als Haustier gilt als Middle of the Road, ebenso Stadtbienen. Das Minischwein hat mit der "IG Minischwein" bereits eine eingetragene Lobby. Der Nasenbär wird über "Nasenbaerversand.de" als Haustier für die Masse gehandelt. Halter von Tausendfüssern tauschen Futterrezepte aus. Und das Zwergpony hat sogar schon eine eigene Liebhaberschar im Ficksinne des Wortes. Been there, done that.

Wie sich qua Haustier aber im 21. Jahrhundert angemessen von der frettchenfütternden Masse abheben, nachdem Versuche elektronischer Haustierimitate sich nicht so recht durchsetzen konnten? Keine befriedigende Lösung bietet der Hautpilz, der zwar anschmiegsam, streichelfreudig und genügsam im Unterhalt ist, den aber auch schon 20 Millionen Menschen allein in Deutschland hegen und pflegen. Nein, die Zukunft der persönlichkeitsbildenden Haustierhaltung muss woanders liegen. Eventuell im Axolotl.


27.11.2006 | 20:09 | Supertiere

Der Willibird hat die Fliege geklaut


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Um vorweg mit einem hartnäckigen Irrglauben aufzuräumen: Namensgeber der Charterfluglinie Condor ist nicht die Legion Condor, auch wenn beider Mission eine ähnliche war und ist, nämlich Spanien zu verwüsten. Der Aasvogelname der Touristenbomber stammt vom Backpulverdynasten Dr. Oetker und feiert dieses Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen; unter anderem mit einer Jubiläumssonderlackierung und einem neuen Maskottchen. Die Lackierung soll noch ca. zwei Jahre an der Boeing 757-300 mit dem Namen Willibird haften, dann wird sie wieder in den Urzustand zurück versetzt. Das Maskottchen ist eine Fliege. Und das ist das Problem, denn die Fluglinie des Exrennfahrers Niki Lauda, NIKI, hat bereits seit drei Jahren die Fliege als CI-Tier. Natürlich auch auf den bei dieser Linie so genannten Speibsackerln. Wenn jetzt im Willibird auf den Toilettentüren auch noch "Scheisshaus" stünde, wäre das zwar einerseits eine weitere vulgäre Laudaparallele, würde aber angesichts der Fliege nur eine zwingende Konsequenz bedeuten.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link


19.11.2006 | 05:16 | Supertiere

Leidechse


Eidechse! Eidechse! (Foto: crazyegg95) (Lizenz)
Seit vielen Jahrtausenden ist die Riesenmaschine der Schutzpatron der Eidechsen. Und darum ist es nicht schön, die folgende Geschichte zu lesen: Wissenschaftler aus Harvard versahen eine Insel in der Karibik, auf der niedliche kleine Anolis sagrei leben, mit deren natürlichen Feinden, einer anderen, grösseren Eidechsenart, und zwar, um "Forschung" zu betreiben. Das kennt man ja. Das Resultat: Die kleine Eidechse lässt sich in ihrer Hilflosigkeit zunächst längere Beine wachsen, um weglaufen zu können. Als das gegen die böse, grosse Echse nichts nützt, schrumpft sie ihre Beine wieder zurück und zieht auf die Bäume. So, Wissenschaftler, nehmt dies. (Und nehmt den intelligenten Designer gleich mit.) Da sassen sie nun triumphierend mit ihren kurzen Beinchen auf den Bäumen, blickten hinab auf die blutlechzenden Fressfeinde und freuten sich kurz. Und dann wurden fast alle von Hurrikan Frances weggespült. Natürliche Auslese, ein hartes Schicksal.


17.11.2006 | 18:19 | Supertiere | Was fehlt

Die Büchersendung mit der Maus


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wer zufällig auf der Website des Präparations- und Gestaltungsateliers Handschick und Lipprandt landet, mag sich vielleicht ein wenig wundern. Unter Hinweise steht da nämlich: "Frieren Sie Ihr Tier sofort nach dessen Versterben ein. Es genügt eine einfache Plastiktüte, die das Tier komplett umschliesst". Nun gut, sagt man sich dann, Plastiktüten, die als tragbare Schockfroster genutzt werden können, gibt es sicherlich schon seit Jahren, da hat man wohl nicht richtig aufgepasst. Was hingegen viel mehr zu denken gibt, sind die im Shop angebotenen Mäuselesezeichen (via b3ta). Allerdings nicht die Mäuse an sich, mit ausgestopften Nagetieren wurde schon ganz anderer Schabernack getrieben, nein, es ist der folgende Satz an einer anderen Stelle der Website: "Alle von uns angefertigten Präparate sind naturgetreu, individuell und anatomisch korrekt." Naturgetreu? Anatomisch korrekt? Was haben wir da verpasst? Wo auf der Welt leben regenbogenfarbene Fellplatten mit Mäuseköpfen? Warum hat uns keiner Bescheid gesagt?

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Nachts leuchten die Ratten doch


07.11.2006 | 18:54 | Supertiere | Essen und Essenzielles

Neologismus Entenmunition


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Es ist alles nicht so einfach in der heutigen Warenwelt. Früher, als die Produkte noch nicht ausgereift waren, konnte man mit echten Produktvorteilen werben, zum Beispiel als Hersteller für Entenmunition. Hersteller A überzeugte mit besonders geringen Schrotrückständen im Entenleichnam, die Munition von Hersteller B war dafür extrem leicht und die von Hersteller C hatte diese spezielle Feuchtigkeitsresistenz. Mittlerweile kann sowohl A als auch B (hat C zwischenzeitlich aufgekauft) alles zusammen und viel mehr. Hersteller D, der sich neu auf dem Entenmunitionsmarkt etablieren will, muss daher zu Tricks greifen.

So kann er via Werbung Pseudo-Produkteinzigartigkeiten schaffen ("Die einzige Entenmunition für den ganzen Kerl", "Die einzige Entenmunition für die ganze Familie") oder mit Testimonials arbeiten ("Die einzige Entenmunition, die schon in Duck Hunt zum Einsatz kam"). Oder er denkt sich wirklich mal etwas Neues aus, irgendein verrücktes Zusatzgimmick, das den Markt vollkommen umkrempelt, oder zumindest ausreicht, um ein Thema in Gadget-Blogs und auf den Vermischtes-Seiten der Zeitungen zu werden. Am besten noch mit einem vorgeschobenen gesellschaftlichem Anspruch, z.B. Umweltbewusstsein.

So dachte man sich das bei Hersteller D aka Season Shot und erfand deshalb eine Patrone, die sich im Entenkörper komplett in Gewürzmischung auflöst, so den Vogel schon vor dem Braten verleckert und zudem umweltfreundlich durch den Rückgang des Patronenhülsenmüllaufkommens ist. Ein Wunder, auf das die Welt gewartet hat. Manch einer mag die Glaubwürdigkeit der ganzen Sache in Frage stellen, wieder andere machen sich vielleicht Sorgen, dass bei den FAQ von Season Shot die Standardantwort "Please check back soon to hear more about our progress." lautet. Aber das ist natürlich Geschwätz, schon bald wird es selbstverständlich sein, beim Entenhändler zwischen den Geschmacksrichtungen Cajun, Lemon Pepper, Garlic, Teriyaki und Honey Mustard zu wählen. Hersteller E wird sich bei seinem Markteintritt ganz schön strecken müssen, seine Entenmunition muss sich dann schon automatisch in Füllung verwandeln, die Ente braten und vierteilen. Notfalls geht aber auch was mit GPS.

(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)


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