Riesenmaschine

05.03.2007 | 15:28 | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

La Terra Trema


Trema in Neon-Pink (Foto: Maya McKechneay)
Es soll ja Leute geben, die haben es noch nie bewusst zur Kenntnis genommen. Die deutsche Rechtschreibreform behauptet sogar, dass sie es nicht mehr kennt.
Die Rede ist vom Trema, jenen zwei Pünktchen über einem Vokal, die signalisieren, dass dieser Individualist ist, und sich mit seinem Nachbarn nicht – nein, sicher nicht! – zum Diphthong verbünden mag. Gar nicht neiv eben, sondern naïv.

Der italienische Regisseur Luchino Visconti hat dem Sonderzeichen vor 60 Jahren seinen Tribut gezollt: La Terra Trema ("Die Welt, ein Trema", 1948, in Deutschland auch unter dem missverständlichen Titel: "Die Erde bebt" in Umlauf) erzählt von Abgrenzung, Lücken und Kluften, vor allem aber davon, dass harte Arbeit Erfolg alles andere als bedingt.

Nach jahrhundertelangem Dienst soll also das Trema ausgedient haben und findet Zuflucht allein im Fremdwort, Citroën oder – Aïda. Bei letzterer handelt es sich im österreichischen Sprachgebrauch um eine Kaffeehauskette, deren Internationalisierung seit Jahrzehnten auf sich warten lässt, während ihr Design nach ebenso langer Renovierungsträgheit dieser Tage wieder topschick ist. 1912 von einer gewissen Frau Rosa gegründet, präsentieren sich die zwei Dutzend Wiener Filialen auch heute in dieser Farbe. Und mit dem schönsten Pink-Trema, das man online findet, seit kurzem auch im Netz.


26.02.2007 | 15:21 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Clash of the QQs


In diesen Tagen erscheint bei Rowohlt Berlin das neue Buch von Max Goldt. Wir wissen noch nicht, was drin steht. Drauf steht in Lettern mit sehr anmutig geschwungenen Quappenschwänzen: "QQ". Das soll eine Abkürzung für "Quiet Quality" sein, ein "neues Schlagwort aus den USA für alles, was nicht schreit und spritzt" (Goldt), und das tatsächlich auch ein paar amerikanische Google-Treffer hat. Ein schöner Begriff und ein schöner Titel, für ein deutsches Buch.

In China ist mal wieder alles anders. Hier steht das doppelte Q für einen Marketing-Krawall der allerersten Güte: Einerseits heisst so ein Instant-Messenger-Programm, andererseits aber auch ein Kleinwagen. Der Messenger ist brüllend bunt und deshalb das erfolgreichste Chat-Programm in Asien, bzw. das dritterfolgreichste weltweit. Allein in China gibt es rund 160 Millionen Nutzer, hauptsächlich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Auch das QQ-Auto macht einen auf jung und quietschy: "QQ is a car that dances to fashion beats. It is like you: young, peppy and cool.": Der Kleinwagen, der von der Firma Chery in Wuhu (Provinz Anhui) gebaut wird, ist nicht mittlerweile nicht nur imagemässig so etwas wie der chinesische Smart, sondern auch mit einem Neupreis von umgerechnet 3.400 Euro das momentan billigste Auto der Welt, welches genau die Leute kaufen sollen, die auch den poppigen QQ-Messenger benutzen.

Und weil in China alles anders ist, ist Max Goldt hier auch kein Schriftsteller, sondern – wenn auch leicht falsch geschrieben – ein Szene-Friseur im Hongkonger Stadtteil Kowloon, der sich gewiss auch nichts aus "Quiet Quality" macht, mit dem man aber sicher um so prächtiger peppig chatten kann.

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (6)


26.02.2007 | 09:43 | Fakten und Figuren | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

Texas Bond 'em


Mau Mau hat schlechte Karten (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Alle drei bis vier Jahre tritt das schon länger bekannte Phänomen auf, dass viele Millionen Menschen für einen zweistündigen Werbespot Eintritt bezahlen. Selbst der visionäre Erfinder des Product Placement, Jules Verne, hätte kaum zu träumen gewagt, was ein einziger James-Bond-Film an Produktvermarktung hergibt.

Das gilt inzwischen nicht mehr nur für Produkte. Überall quillt einem seit Monaten die Poker-Variante "Texas Hold 'em" entgegen, jeden Tag bekommt man Mails mit Einladungen zu Pokerabenden; ohne eine Ware zu sein, die sich einem einzelnen Unternehmen zuordnen lässt, spült der Holdemboom Geldesgelder in die Kassen der Casinos. Die im Netz meistgespielte Pokervariante noch vor Poker ist selbstredend Texas Hold 'em. Sollte ein eventueller Verband von Onlinepoker-Anbietern also für das Placement von Texas Hold 'em in "Casino Royale" bezahlt haben, wäre mit Craigbond diesbezüglich eine neue Ära angebrochen: nennen wir sie einfach Agenda Placement als Mischung aus Agenda Setting und Product Placement.


18.02.2007 | 18:36 | Zeichen und Wunder

All Togethy Now


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Über Musik redet man ja nicht, wenn man nicht Tex Rubinowitz heisst, Musik muss so angenehm rumrauschen wie das Meer, und über das Meer redet man schliesslich auch nicht. Man bewegt sich übrigens auch nicht im Takt des Meerrauschens. Deswegen wird hier auch nicht über Bugotak geredet, sondern nur von anderen abgeschrieben, zum Beispiel über ihre sinfonische Dichtung Crow and Crucian: "This is not song, but tale which starts from crow and crucian and ends with old woman and 10 foxes. I'm shure cannabis doesn't grow in the land of its origin, otherwise how such a subject could exist?" Oder über Arctic Fox: "By russian superstition, Arctic Fox philosophically means shit that happens. But there's no happening shit in the song, only arctic fox and its biology." Und all das stimmt haargenau! Bugotak kommt aus Sibirien, singt mit verstellter Stimme Metallica, wird in wenigen Tagen weltbekannt sein, und möglicherweise haben sie sogar ein richtiges Blog, könnte sich aber auch um das sibirische Bärenjagdblog handeln (oder eben Pferde), man weiss es nicht so genau. Alles kostenlos und risikofrei in Besitz zu nehmen, solange man "keinen Geschlechtsverkehr" mit der Musik anstellt. Was schwerfällt, denn man muss beinahe mit Erektionen rechnen, an der Stelle, wo irgendein Verrückter mit der Flöte das Highway-Star-Solo von Ritchie Blackmore nachspielt. Ok, aber darüber redet man schon mal gar nicht.

(Empfehlung von Ira Strübel, Trendscout Bereich Tschuktschenland)


14.02.2007 | 17:43 | Berlin | Zeichen und Wunder

Katze Katze Kluge


Übrigens geht es im Beitrag eigentlich nur peripher um Katzen (Foto: polandeze / Lizenz)
Film ist gar keine so wahnsinnig neue Erfindung, wie alle tun. Laut Alexander Kluge gibt es seit einigen zehntausend Jahren Film in unseren Köpfen, in Form von Assoziation, Tagtraum, Erfahrung und Bewusstsein, und die technische Erfindung des Kinos hat dem lediglich reproduzierbare Bilder hinzugefügt. Die allerdings was kosten: der jetzt auf der Berlinale laufende "The Good German" etwa 27 Millionen US-Dollar, was im Vergleich nicht mal so viel ist, aber eben doch geschätzte production values von 173 Dollar pro einzelnem Frame bedeutet. Der Besuch in Krasnogorsk bei Moskau dürfte dabei nicht unbedeutend zu Buche geschlagen haben, wo Hollywood sich in Form von Archivmaterial den authentischen World-War-II-Look einkaufen kann.

Man kann aber auch versuchen, die Bilder billiger von einem Kopf in den anderen zu bekommen. Schon der Konzeptkünstler Robert Barry hatte die Idee, Kunstwerke mittels Telepathie zu übertragen (Telepathic Piece, 1969). Im Büro Friedrich kann man noch bis zum 18. Februar das in der Berlinale Sektion "forum expanded" laufende Telepathie Experiment I von Isabell Spengler sehen. Zwar ruckelt der Projektor anfangs noch etwas, wenn Isabell "Katze, Katze" sendet, und Antonia, die im Nebenzimmer sitzt, nur Hund versteht. Am Ende funktioniert das Ganze aber erstaunlich gut, und man verabredet sich telepathisch zum gemeinsamen Ausreiten. Ist also auch eine praktische Sache, wenn man mal das Handy vergessen hat. Die Ausstellung ist umsonst.

Michaela Gruber | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


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