Riesenmaschine

20.10.2005 | 14:34 | Anderswo | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Kaffeeautomania

Über die Jahrtausende war Korea nahezu ausschliesslich ein Land der Teetrinker. Aus einem nicht ganz ergoogelbaren Grund (Weltkaffeeverschwörung? Hollywood? X-Files?) änderte sich das vor zehn Jahren praktisch über Nacht. Heute können sich die meisten Koreaner ein Leben ohne ihre tägliche Dosis Kaffee nicht vorstellen. Wie erfolgreich sich das ursprünglich afrikanische Getränk in Südkorea durchgesetzt hat, mag man am Siegeszug der amerikanischen Mischmaschkaffee-Kette Starbucks ablesen. Erst 1999 wurde die erste Filiale im Land eröffnet, mittlerweile soll es schon über 200 Outlets geben.

Auf ihrem Siegeszug hatte die Kette allerdings auch Rückschläge zu verzeichnen. Im Mai dieses Jahres musste die grösste Starbucksfiliale Asiens in der Seouler Innenstadt wieder schliessen, weil man die hohe Miete von 100 Millionen Won (100.000 USD) nicht mehr bezahlen konnte. Die eigentlichen Profiteure des Kaffee-Booms sind jedoch die Instantkaffeeproduzenten. Der Informationsdienst "Euromonitor International" meldet für 2003 einen Verbrauch von 28.000 Tonnen Instant-Kaffee-Mix für Südkorea, das sind unglaubliche 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Wie diese enormen Steigerungsraten zu Stande kommen, erfuhren wir in dem kleinen, beinstumpfförmigen Land am eigenen Leibe. Wer nämlich in einem koreanischen Restaurant die Frage: "Und jetzt vielleicht noch einen Kaffee?" mit einem leichtfertigen "Ja!" beantwortet, wird sofort und umstandslos auf die Strasse geleitet. Dort steht dann ganz sicher ein Instant-Kaffee-Automat, an dem man sich zu bedienen hat. So wird selbst in den besseren Restaurants verfahren, von denen es in Korea nicht wenige gibt, denn gekocht wird hier ganz ausgezeichnet.

Kaffee-Automaten stehen überall im Land, in grossen Metropolen, im kleinsten Dorf, bisweilen sogar mitten in den schönen Wäldern. Auch am Rand von grossen Parkplätzen sind sie selbstverständlich, so wie in Gyeongju (Foto), wo der Riesenmaschinenkorrespondent nach einem Restaurantbesuch diesem Damenkränzchen beim nicht ganz so gemütlichen Kaffeeschlürfen Gesellschaft leisten durfte.

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20.10.2005 | 12:39 | Anderswo | Fakten und Figuren

Vietnam V: Bonsaimonobloc


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Was auf der von Jens Thiel initierten und verwalteten Website functionalfate.org zur Erforschung des Monobloc-Sessels noch nicht hinreichend gewürdigt wurde, ist die Miniaturisierung dieses "besten Möbels der Welt" im Land der untergehenden roten Sonne. Dem westlichen Reisenden fällt dies jedoch sofort ins Auge, da sie im Ensemble mit etwa kniehohen Tischen das Stadtbild prägen wie in kaum einem anderen Land.
(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Kommen sie im Süden noch vermehrt in der ursprünglichen Form, nur etwa auf die Hälfte geschrumpft, vor, sind sie im nördlichen Raum um Hanoi, wo die Strassen und Gassen noch enger sind, auf das Mass von knöchelhohen Schemeln geschrumpft. Hier dienen die etwas höheren Schemel, die auch auf Busfahrten benutzt werden, um den Mittelgang auszunutzen, dann als Tische. In noch ärmeren Landesteilen sind sie so klein, dass sie bereits ganz verschwunden sind. Dort hockt der Vietnamese einfach auf dem Boden.

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19.10.2005 | 21:00 | Anderswo | Vermutungen über die Welt

Love Motels

Love Motels sind keine koreanische Erfindung. Wie so vieles hier stammt das Konzept ursprünglich aus Japan. Während aber die japanischen Motels kleinen Themenparks ähneln (ägyptisches Zimmer = Sex wie bei Pharaos), kommt das Interieur des koreanischen Motels etwas bescheidener daher. Von den Motel-Fassaden lässt sich das nicht behaupten. Die beklebt man hierzulande gerne mit derart vielen Erkerchen, Zinnchen und Türmchen, dass Neuschwanstein dagegen wirkt wie von Mies van der Rohe entworfen. Genutzt werden die Motels von unverheirateten Paaren, die im eng bebauten, aber Sex freudigen Südkorea sonst kaum einen Platz finden, um sich gemeinsam geschlechtlich zu vergnügen; ebenso zum gepflegten Seitensprung. Auch lang- bis kurzfristig allein stehende Männer suchen die praktische Einrichtung auf, meist in Begleitung von Frauen, die in den Motel-Foyers auf hübsch bebilderten Visitenkarten für sich werben und für den Geschlechtsverkehr einige zehntausend Won verlangen.
Beliebt sind die Motels zudem bei Backpackern und Korrespondenten der Riesenmaschine, wegen des für koreanische Verhältnisse sehr günstigen Preises (zwischen 25 und 35 US-Dollar pro Nacht), und des exzellenten Service. Während man nämlich in den Badezimmern der koreanischen Fünf-Sterne-Hotels bisweilen nicht einmal ein Shampoo-Fläschchen oder eine Zahnbürste vorfindet, bot uns das Love Motel "Lawrence" in Gwangju (Tel. 0082 62 3661900) neben einem täglich erneuertem Set Zahnbürsten jeweils Shampoo, Schaum – und Duschbadflaschen in Klinikgrössen.
Dazu war diverser Prä- und Postorgienbedarf im Zimmer verteilt, u.a. eine Haarspraydose, ein Haargelspender, After Shave Lotion, eine Auswahl Q-Tipps, eine Haarbürste und ein Kamm, zwei Packungen Kleenex, zwei Kondome der Marke "Goldcircle" sowie eine Spraydose Insektenkiller. Auch an das Zwischendurch hatte das Management gedacht. In der Minibar fanden wir zwei gut gekühlte Fläschchen eines geheimnisvollen koreanischen Stärkungsmittels, die selbstverständlich aufs Haus gingen, sowie auf jedem Etagenflur eine Sammlung ausgesuchter Videos aller Kategorien, die sich mittels eines zur Ausstattung gehörenden Recorders auf dem Zimmer betrachten liessen. Hier wählten wir die russische Verfilmung des abwechslungsreichen Lebens des Marquis de Sade aus, sowie, ganz Love-Motel gerecht, die Hollywood-Schnulze Serendipity. Entschieden hatten wir uns übrigens für das Etablissement wegen seines eher dezenten Äusseren und seines schlichten Namens. Ein stark verturmtes Love-Motel, das "Greenpeace" hiess, war uns am Ende doch eine Spur zu pervers erschienen.

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Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link


19.10.2005 | 18:01 | Anderswo | Alles wird schlechter

Vietnam IV: Ciptura International City


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Zwar ist Vietnam auf dem Papier immer noch kommunistisch, und wo immer man es mit Beamten und anderen Offiziellen zu tun hat, wird einem diese Tatsache deutlich bewusst – aber längst hat sich auch hier eine neue Oberschicht herausgebildet, die in ihren dunklen Geländelimousinen durch den geschmeidigen Mofaverkehr walzt und auch sonst nach den Insignien westlichen Luxus' strebt. Für diese Klientel entsteht am Stadtrand von Hanoi auf dem Weg zum Flughafen gerade die Cipura International City, eine Gated Community der Superlative.

Ein indonesischer Investor hat das Areal samt Baugenehmigung 1998 von der Regieurung erworben und lässt dort ein neues Arkadien mit allen Attributen der westlichen Postmoderne in asiatisch überdreht entstehen. Das dem Brandenburger Tor nachempfundene Eingangsportal wird von expressionistisch durchgeknallten Pferdeskulpturen gekrönt, die auch die grosse Querallee im Inneren schmücken. Albert Speer würde das wohl gefallen.

Die Häuser sind ein Crossover britischer Townhouses wie im Londoner Stadtteil Belgrave mit allem, was die postmoderne Neoklassik im Angebot hat. Die Preisliste beginnt angeblich bei 200.000 US$ und ist nach oben offen. Westliche Stadtplaner sind naturgemäss wenig angetan von dem Projekt und der gesamten Entwicklung. In der DDR hätte man vermutlich "überholen ohne einzuholen" dazu gesagt.

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19.10.2005 | 16:43 | Anderswo | Vermutungen über die Welt

Neue koreanische Dienstleistungen: Nachhausefahrer

Besonders tief beeindruckt zeigt sich die Riesenmaschine von der koreanischen Dienstleistungsrevolution Nummer 3: Dem Nachhausebringdienst. Den ruft in Südkorea jemand an, der nicht mehr Auto fahren kann oder mag, weil er ein Ideechen zu viel getrunken hat oder einfach keine Lust mehr auf Selberlenken (Staus). Der Nachhausefahrer kommt dann binnen fünf Minuten herbeigeeilt, um den Autobesitzer gegen ein geringes Entgelt (7.000 bis 10.000 Won; etwa 7 bis 10 US-Dollar) im eigenen Gefährt an den gewünschten Zielort zu kutschieren. Der Vorteil dieses Service gegenüber einer herkömmlichen Taxifahrt liegt auf der Hand, entfällt doch das mühselige Wiederfinden sowie der Rücktransport des abgestellten Autos am nächsten Morgen. Wie begeistert dieses Angebot in Korea angenommen wird, beweist unser Foto. Es zeigt den berühmten Masaner Rechtsgelehrten Prof. Tae Young Ha und einen beglückten Nachhausefahrer kurz vor Fahrtantritt.

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Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


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