Riesenmaschine

30.08.2005 | 14:17 | Nachtleuchtendes | Alles wird schlechter

Happiness is a hot gun


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)


Er ist uns ja schon einige Male negativ aufgefallen, der lustige, dicke Franzose. Doch mit seinem neuesten Wurf, der 'guns collection' hat er unsere schlimmsten Ängste wieder einmal übertroffen. Es handelt sich bei der 'guns collection' um eine Serie von Lampen – wobei das Besondere daran der aus Zamak (einer Zink-Aluminium-Legierung, die im Aussehen an Bronze erinnert und lange Zeit fast vergessen war) gefertigte Ständer der Lampe in Gewehr- bzw. Pistolenform ist. Wer dabei an schlechten Geschmack, etwa von Rappern, Mafiabossen oder afghanischen Warlords denkt, wer glaubt, so was gäbe es doch nur in Amerika und auch dort nur auf Extensions-CDs für die Realitätssimulation 'Die SIMS' oder allenfalls als künstlerisches Resultat der Projektwoche Eine Welt – Für Völkerverständigung – gegen Gewalt und Hass der Hauptschule Hausberge in Porta Westfalica, der sieht sich getäuscht: Starck meint es bitter ernst, wie dieser erklärende, antikriegssongähnliche Text beweist. Die Schlüsselstelle lautet wie folgt:

Nowadays we kill – religiously, militarily, civilly,
indeed very civilly sometimes. We kill out of ambition,
out of greed, for the fun of it or of the show.
Republics turn bananas. Tyrant are our masters,
Designed, manufactured, sold, dreamed, purchased
and used, weapons are our new icons.
Our lives are only worth a bullet.
The Guns Collection is nothing but a sign
of the times.


Ausserdem erfahren wir aus dem Text, dass das Gold der Waffen den Zusammenhang zwischen Geld und Krieg verdeutlichen, der schwarze Lampenschirm den Tod symbolisieren und die Kreuze auf der Innenseite an die Toten erinnern soll. Aha.

Für alle, die sich um die geistige Gesundheit Philippe Starcks sorgen, gibt es eine kleine Hoffnung: vielleicht ist das Ganze ja nur als Provokation gemeint? Dafür spricht, dass Starck einen Teil des Erlöses an Herrn Kalaschnikow, dessen Gewehrentwurf er zum Fuss der Ständerlampe umfunktioniert hat und der für sein schönes Gewehr ja nie einen Designpreis oder Tantiemen bekommen habe, abführen will. Um es nicht zu übertreiben mit dem Provozieren, geht der Rest des Erlöses an "Médecins sans frontières" – auch wenn er, Starck, der alte Kulturpessimist, sich manchmal frage, warum.


30.08.2005 | 13:47 | Berlin | Alles wird besser

Jenseits der guten Sitten


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Die Zukunft der Sexualität liegt, wie man mit einem Blick in dieses Internet leicht feststellen kann, in der Diversifikation, hat man doch in letzter Zeit herausgefunden, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Dinge interessant finden. Einer der durchaus drittgrößten Interessenbereiche ist am Samstag, den 3. September, in Berlin auf dem Folsom Europe*-Straßenfest vertreten: es geht um Leder/Fetisch, wie die Schwulen sagen bzw. SM, wie die Heteros sagen, in jedem Fall um "eine Veranstaltung, die jenseits der guten Sitten liegt und an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten ist", wie die Berliner CDU sagt. In San Francisco, wo es dasselbe schon seit 1984 gibt, zieht die Folsom Street Fair um die 300.000 Besucher an, und hey! Diese Sexualitätsangelegenheiten könnten ja eventuell ein Wirtschaftsfaktor sein! So denkt man sich im Berliner Senat, bei der IHK und bei der Berlin Tourismus GmbH; vermutlich, nachdem man einen Blick in dieses Internet geworfen hat. Wir sind stolz auf unsere Stadt, in der man sich so kluge Dinge denkt, und erwarten gespannt weitere Entwicklungen und Ausdifferenzierungen (gemeinsame Fußfetisch-/Flipflop-Messen, DB-Sonderfahrten der bisexuellen Trainspotter), die wir, wenn es demnächst so weit ist, uneingeschränkt befürworten werden. Schon aus Prinzip.


30.08.2005 | 12:41 | Anderswo | Vermutungen über die Welt

Die meisten wissenschaftlichen Arbeiten sind falsch!


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Dr. Ioannis Ioannidis, Epidemiologe von der Universität Ioannina: Auf so einen schlechten Fake fallen wir nicht rein! In Wirklichkeit heißt der Epidemiologe mit dem spaßigen Namen vermutlich Epimenides und ist Kreter (natürlich wäre es ein Traum, wenn die Universität Ioannina auf Kreta läge, vermutlich tut sie das nicht – aber ich bin nicht bereit, mir dies durch voreiliges Googeln falsifizieren zu lassen). Dr. Ioannidis hat jetzt folgendes herausgefunden: Die meisten veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten sind wahrscheinlich falsch! Probleme mit den Versuchsanordnungen und statistischen Verfahren führen dazu, dass eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 50 Prozent besteht, dass die Ergebnisse einer beliebigen wissenschaftlichen Arbeit richtig sind. Ioannidis macht dafür die geringe Größe der Samples, ein schlechtes Studiendesign, die Befangenheit der Wissenschafter, eine selektive Auswertung und andere Probleme verantwortlich. Sogar große, gut geplante Studien stimmten nicht immer. Und das hat Dr. Ioannidis veröffentlicht. Natürlich in einer wissenschaftlichen Studie.

Die Pointe erspare ich mir, aber sie erinnert dann doch stark an den Kreter Epimenides, der behauptet, dass alle Kreter lügen.


30.08.2005 | 11:32 | Berlin | Zeichen und Wunder

Genuss durchs Telefon


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Mehr etwas für die Hohlspiegel-Ecke, wenn man kapiert hat, was Berlins dümmste Zeitung uns da heute eigentlich mitteilen und anpreisen will. Wenn nicht, kann man gut und gerne schon mal minutenlang vor dem Aufsteller verweilen und in meditatives Grübeln verfallen, was für rätselhafte Genüsse sich da wohl im Rahmen der großen Telefon-Aktion mit dem Abnehmen des Hörers einstellen mögen.


30.08.2005 | 03:42 | Alles wird besser | Vermutungen über die Welt

There will be light


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Es gibt Zukunftsvisionen, die sind so erschreckend phantastisch, dass man vor lauter Verzückung nicht mehr weiß, wo vorne und also gehen wir es mal logisch an. Es geht um Licht. Licht kann einerseits Dinge beleuchten, Beispiele Sonne, Glühbirne, Kerze. Licht kann zum anderen aber auch Informationen übermitteln, entweder einfach durch Farbe, Beispiel Ampel, oder durch kompliziertes Herumspielen an diesen Wellen, aus denen Licht ja wohl besteht, Beispiel Glasfaserkabel. Und jetzt folgendes: Man könnte eigentlich auch beides miteinander verbinden, und zwar indem man endlich die mittelalterliche Glühbirne abschafft und durch schöne, leistungstarke LEDs ersetzt. Es ist schwer, die Konsequenzen dieser Entwicklung auszumalen, ohne sofort vor Freude völlig durchzu, aber plötzlich könnten alle Geräte, die Licht aussenden (und das wird bald jedes Gerät können wollen), miteinander kommunizieren; Autos werden mit Ampeln sprechen, Kühlschränke mit Brotschneidemaschinen, Straßenlaternen mit Straßenlaternen (sie mögen keine Fremden). Und es geht noch weiter: Die Tageszeitung, die SMS, ja, das komplette Internet wird direkt aus der Schreibtisch-LED kommen – endlich wird der Laptop mit Recht sagen können "geh mir aus dem Licht, ich verstehe nichts". Man wird Kabel durch Lichtschranken ersetzen, es wird light-mails geben und light-commerce, und am Schluss wird das Elektron, die Geißel des 20. Jahrhunderts, verzweifelt aufgeben und das Feld dem würdevollen, unantastbaren, masselosen Photon überlassen. Zu diesem Zeitpunkt sitzen wir alle schon in leeren, weißen Räumen, von allen Seiten mit Power-LEDs angestrahlt, starr vor Begeisterung und Euphorie.


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