Riesenmaschine

08.01.2006 | 04:45 | Anderswo | Vermutungen über die Welt

Finden 2006


Gekonnt versteckt (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die wohl grösste gesellschaftliche Veränderung der letzten Jahre ist der rasante Umschwung vom Suchen zum Finden. Während Ende der 90er fast alle weltweit auf der Suche nach irgendwas waren (wir erinnern uns an sogenannte Suchmaschinen, an Suchhunde und Suchtberatung), meint heutzutage jeder, etwas Wichtiges gefunden zu haben, und sei es nur eine neuartige Fuchskatze mit wundervoll langem Schwanz. Vermutlich hat das viel mit der Demokratisierung des Findens durch Google zu tun, aber davon abgesehen deutet der Findetrend eindeutig auf eine Art globale Zusammenballung von Menschen, Tieren und Gegenständen hin, ein widerliches Aufeinanderzubewegen von nahezu allem, das erst aufhören wird, wenn es denn mal zu Ende ist.

Genug der theoretischen Vorrede, denn wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, dass – voll und ganz im Geiste dieser Zeitenwende – gestern zwei phönizische Häfen gefunden wurden, und zwar gar nicht in Phönizien, wo auch immer das liegt, sondern im Libanon. Sie heissen "Tyre" und "Sidon" und man fand sie in zwei Städten namens "Tyre" und "Sidon", also gerade da, wo man sie am allerwenigsten vermuten würde. Schon bei Kalle Blomquist steht schliesslich, dass das offensichtliche Versteck das beste ist, und die Tatsache, dass dies auch phönizischen Häfen bekannt ist, deutet wahrscheinlich auf irgendwas hin, was man noch mal genauer unter die Lupe nehmen müsste. Wer weiss, was man dabei noch alles finden könnte.


07.01.2006 | 16:59 | Alles wird schlechter | Zeichen und Wunder

Drama Firmensongs geht weiter

Würde man gegen schlechte Werbung kämpfen, wäre es, als würde man sich mit Godot dazu verabreden, Sysiphos beim Felsenrollen zu helfen. Dass es gleichwohl nötig wäre, zeigt besonders schmerzhaft ein bereits häufiger besprochenes Thema, das einem die unterträgliche Seichtigkeit des Reims (wenn er schlecht ist) vorführt: Corporate Songs, Firmenlieder.

Anzufangen wäre eine unvollständige Übersicht mit dem bekannten Klassiker Westaflex, der sich auf der lyrischen Überholspur mutig vorwagt:
Die kontrollierte Wohnungslüftung Westa Air Control
Verbindet gute Luft und Wärme, ja, man fühlt sich richtig wohl,
unser gut geschultes Mitarbeiterteam ist motiviert,
weil die Zufriedenheit unserer Kunden grossgeschrieben wird
Filterluft und Abgastechnik – Westaflex

Dazu bemerkte Tex Rubinowitz korrekt, dass sich der Westaflex-Song anhört "wie die nie vermisste Verbindung zwischen Die Ärzte und Max Goldt". Es gibt inzwischen auch einen von Kindern gesungenen zweiten Song der sympathischen Abgastechniker.


Firmenliedbesitzer (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Aber nicht nur im maschinenbaulichen Bereich werden Firmenphilosophien vertont, auch Unternehmensberatungen wie Ernst & Young fühlen sich berufen, Gospelsongs wie "Oh Happy Day"(mp3-Download) umzudichten:
Oh happy day
when Ernst & Young
showed me a better way

Bei der grossen Konkurrenz auf dem Beratungsmarkt ist es kein Wunder, dass KPMG mehr tun musste, als nur mit einem eigenen Song (mp3) nachzuziehen:
KPMG – as strong as can be
a team of power and energy
we go for the gold
together we hold to a vision of global strategy


Im Wissen jedoch um die Aktuatlitätsverpflichtung und die Forderung der Kunden um präzise Markt- und Zielgruppenkenntnis bis in die Niederungen der Subkultur hinein, forcierte man einen Jungle Remix des KPMG-Songs, ebenso wie eine Hardrock-Version und als Bonusbonbon, man möchte vor Freude weinen, tatsächlich einen Teutonic Mix, der sich mit seinen Marschmusik-Elementen, dem wochenschauesk vorgetragenen Text und seinem Filmmusikstart anhört wie das Lied, zu dem Hans Zimmer, Rammstein und der Wagner-Clan Gruppensex haben.

Dass Corporate Songs nicht immer die gleiche Mischung aus Popimitat und Softrock-Surrogat enthalten müssen, zeigt ebenfalls das Con-Dentallabor, das mit einem famos heiteren Ragga-Bongo-Liedchen um Kunden wirbt. Auch der Text ist in jamaikanisch akzentuiertem Deutsch gehalten:

Zuerst fange sie zu wackeln anne
das keennt doch irgendwie jedamann
..
wier siend daas Con-Dentallaboorr
bai Zähnen macht uuns keiner wase vore
..
ist der Unterkiefere wege
ersetzene wir ihhn Dier komplette

Das Lied kann durchaus häufig hintereinander gehört werden, eine gewisse Fröhlichkeit kann man ihm nicht absprechen, ebenso wenig wie dem Con-Dentallabor Mut (zur Lücke).


Firmenlied- und Radrennenbesitzer (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Fast in normpop-hanseatischer Biederkeit präsentiert sich dagegen die Hymne der Hamburgischen Electricitäts-Werke HEW, ein Lied, dessen Intention sehr schwiemelig plump daherkommt. Es geht nämlich darum, dass sich zwar der Name des Energieversorgers ändern sollte – die Tradition jedoch bestehen bleiben sollte:

Wir sind Hamburg, ja, Hamburg sind wir,
die Energie dieser Stadt, die liefern wir,
ein Name verschwindet, doch wir bleiben wir,
egal welcher Name, egal wie man heisst,
ja, wir sind Hamburg – in altem Geist


Modern dagegen gibt sich Windmann Glas mit einem Lied namens "Welt aus Glas", das "die Klangwelt Glas" erzeugen sollte. Es ist selbst im internationalen Vergleich professionell gemacht, hat einen vertonten Weichzeichner-Charme und hört sich an, als hätte Wham auf Prozac eine Ode an Glas geschrieben. Der Text kackt dagegen eine Nuance ab, ist aber konsequent und nennt immerhin nicht den Firmennamen.
Glas fasziniert, verschönert unsere Sicht,
eine Welt aus Glas ist eine Welt voller Licht



Firmenliedbesitzer (nicht im Bild) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Licht und Energie scheinen thematisch und inhaltlich die Existenz von Firmensongs zu fördern, denn auch internationale Energiekonzern BP hat sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen entschlossen, eine an vertruckter Western-Piefigkeit nicht zu übertreffende Firmenhymne in die Welt zu setzen "BP – Wir bringen Sie in Schwung" (auf Firmensong klicken, dann die kleinen Lautsprecher anwählen):

Manchmal fährst Du mit dem Wind,
Du siehst die Sonne, die versinkt,
immer weiter gradeaus,
komm' halt mal an und ruh Dich aus
BP – wir sorgen für Bewegung
BP – wir bringen Sie in Schwung

Nicht nur, dass im Text des Liedes zwischen "Du" und "Sie" alle paar Sekunden gewechselt wird, auch der Inhalt bleibt völlig unklar, ausruhen oder in Schwung bringen, was denn nun?


Firmenliedbesitzer (zwei) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Auch die Post hat bei derselben Firma einen Firmensong herstellen lassen:
Kleb mal ne Marke drauf – Deutsche Post
Es ist Dein grösster Traum, dass Du Deine Liebste in den Armen hältst,
schreib Ihr 'nen Brief und kleb 'ne Marke drauf, damit Du Dich nicht endlos quälst,
denn das sagt mehr als mancher Blumenstrauss zu sagen vermag
und die Antwort bringen wir, na klar, schon am nächsten Tag

Diesem Text ist letzlich nichts mehr hinzuzufügen, was nicht sowieso durch die lachtränenerstickte Stimme kaum zu hören wäre.

Eine abschliessende Beurteilung der Firmensongs ist zwar kaum möglich, weil die Bandbreite der Unfassbarkeiten ein Mass erreicht, dem man mit Worten kaum gerecht werden kann. Festzuhalten bleibt aber zweierlei. Zum einen besteht der Holz-Weg zum Firmensong an sich aus aneinandergelöteten Fettnäpfchen verschiedener Grössen, Ausnahmen: Keine. Zum anderen ist selbstverständlich der Riesenmaschine-Song bereits im Stadium der Planung. Wo er hoffentlich auch noch lange bleiben wird.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Arbeiterlieder


07.01.2006 | 06:11 | Papierrascheln | Vermutungen über die Welt

Vielleicht mehr Chaos


Deutschland 2100 (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Auch 2006 gibt es wieder den Entrümpelungskalender von Frau Rita Pohle, von amazon derzeit passend mit der Bannerwerbung "Alles muss raus" kombiniert. Nun ist Wegwerfen wirklich kein neue Volksbewegung, vor allem nicht, wenn man auch seine unmittelbaren Verwandten Wegschliessen, Ausrotten und Ausräuchern miteinbezieht, die in der Weltgeschichte sehr regelmässig für Aufsehen sorgen. Frau Pohles Engagement fürs Entrümpeln jedoch verdient immerhin beiläufiges Kopfnicken, sowohl wegen seiner Konsequenz (ihr neuestes Werk heisst "Weg damit: Die Liebe befreien") als auch wegen seines Einfallsreichtums (Aufräumen mit Feng-Shui und Räucherstäbchen). Nun können wir leider nichts zum Inhalt des Entrümpelungsbuchs sagen, denn hätten wir es bestellt, es wäre am Ende doch nur wieder weggeworfen worden. Nichtsdestotrotz ist, was das Gesamtkonzept angeht, grosse Skepsis angebracht: Angeblich besitzt der Durchschnittsmensch heute, so Frau Pohle, etwa 30000 Gegenstände, während es im vorletzten Jahrhundert nur 150 waren. Das ist eine Steigerung um Faktor 200, eine galoppierende, epidemische Gegenstandsvermehrung, die auch Frau Pohle nicht aufhalten wird. Noch zu unseren Lebzeiten wird jeder, der nur drei geräumige Lagerhallen voller Unrat hat, als Asket gelten, und Umzüge werden aus praktischen Gründen vollkommen unmöglich sein. Wir werden alle in unseren Mittelgebirgen aus Müll sitzen und per ebay unseren Quatsch gegen neuen eintauschen. Erst wenn die Erde durch Unratsakkumulation so gross ist wie Jupiter, ist eventuell eine Trendwende in Sicht, und dann, ja dann könnte man vielleicht nochmal über Feng-Shui nachdenken. Bis dahin regiere Chaos.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


06.01.2006 | 20:29 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Plastikspielzeug für ein besseres Leben


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Warum kann ein Fruchtbarkeitstester eigentlich nicht wie ein Fruchtbarkeitstester aussehen? Sondern wie ein Wankelmotor, eine exotische Kabeltrommel oder sonstiges billiges Plastikspielzeug? Dabei ist dieses unschöne Teil, von dem wir bei Medgadget lesen, in Wahrheit die glorreiche Zukunft des Fruchtbarkeitsrituals: Kleine, harmlose Samenzellen springen hocherfreut aus der (nicht abgebildeten) Abschussrampe in die ovale Vertiefung, werden ruckzuck auf Gebärmuttertemperatur erwärmt, dann in einen Korrall getrieben und gründlich durchgezählt. Am Ende noch schnell den Kopf rasiert und mit Brandzeichen versehen, und schon kann der Samen wieder hinaus in die freien Weidegründe der Dreizimmer-Küche-Bad-Wohnung, und, zum Beispiel, beim Gardinenaufhängen helfen. Einen ähnlich genialen Fruchtbarkeitstester gibt es offenbar vom selben Hersteller auch für Frauen, nur sieht er dann (natürlich) aus wie ein Fischmesser. Erhältlich ist beides offenbar schon in wenigen Tagen irgendwo in England.


06.01.2006 | 15:32 | Was fehlt | Sachen kaufen

Neuer Wein aus alten Schläuchen


Foto: Bill Bertram / Lizenz
Alles war früher zwar nicht besser, aber ganz sicher die Videospiele. Damals, also etwa bis Mitte der Neunziger, mussten sich die Spielefirmen noch nicht um die Gestaltung aufwändiger 3D-Parallelwelten kümmern und hatten stattdessen Zeit für innovative Spielideen und intelligentes Leveldesign, weswegen viele der alten Spiele auch heute noch gerne mit Hilfe von Emulatoren nachgespielt werden.

Könnte man doch was mit verdienen, dachten sich die Programmierer vom Super Fighter Team und veröffentlichten zum neuen Jahr Beggar Prince, nach langer Zeit das erste neue Spiel für das Sega Mega Drive. Nur zur Erläuterung: Das Mega Drive wurde 1988 in Japan und 1990 in Europa auf den Markt gebracht, hat einen 7,61-MHz-Prozessor, kann 64 Farben gleichzeitig darstellen und verfügt über 64 KByte RAM. Das neue Spiel kostet übrigens 43 Euro und kann hier bestellt werden.

Im Fachblog Kotaku wird nun spekuliert, ob hier ein Trend geboren wurde.
Wir sagen da einfach mal ja, sehen die Möglichkeit zur Erweiterung auf alle Bereiche der Unterhaltungselektronik und fordern daher für die kommenden Monate: Betamax- und Super8-Abteilungen in den Videotheken, das neue Album von Jeans Team exklusiv auf Schellack-Platte, Gewinnspiele per Rohrpostabruf und neue Telegrafen-Klingeltöne im Jamba-Monatsabo. Im Gegenzug gibt es die Riesenmaschine ab 1. März 2006 endlich auch für BTX-Nutzer.


... 10 11 12 13 14 [15] 16 17 18

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Unsittliche Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- vor dem Spiegel posen

- Einen Affen abzwiebeln

- Doors

- erst mal 'ne Bocki knautschen

*  SO NICHT:

- Dürre

- Besuch beim Psychologen

- Zwiebeln abschaffen

- Windows


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"16 Blocks", Richard Donner (2006)

Plus: 1, 9, 21, 24, 80
Minus: 50, 55, 78, 80, 113
Gesamt: 0 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV