Riesenmaschine

06.03.2006 | 16:32 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Neu! Jetzt auch mit Geschmack!


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Essen, Trinken, Atmen, Schlafen, Fortpflanzung – zahlreiche lästige und anstrengende Pflichten hat die Natur dem Menschen auferlegt. Aber der Mensch wäre nicht der Mensch, wenn er nicht auch dem ödesten lebenserhaltenden Vorgang vermittelst technischen Fortschritts einen Funken Unterhaltsamkeit abgewinnen könnte: Neu auf dem Lebensmittelsektor sind nach dem "Functional Food" jetzt Snacks, deren Zusätze die auf der Zunge angebrachten Geschmackspapillen stimulieren und so einen von den meisten Menschen als angenehm empfundenen Unterhaltungseffekt herbeiführen. Neben den vom Pionier International Popcorn Management GmbH & Co KG angebotenen Geschmacksrichtungen "Süss" und "Salzig" sind mittelfristig noch weitere aufregende Neuerungen geplant. Nimm das, spassfeindliche Welt!


06.03.2006 | 11:20 | Anderswo | Alles wird besser

Ganz genau werfen


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Aus ungeklärten Gründen befassen sich Menschen seit langer Zeit damit, runde Dinge, Bälle oder auch Papierkugeln, möglichst genau von weitem in Körbe zu werfen. Europäer, seit jeher ein wenig ungeschickt, nennen das "Handball" und ihre "Körbe" sind mehrere Meter gross. Grossgewachsenen Amerikanern zahlt man sehr viel Geld dafür, dass sie ab und zu mal in geradezu winzige runde Körbe treffen. Jeder hat sein Geheimnis; in aufwändigen Trainingseinheiten wird jede Fingerbewegung geübt. Man denkt beim Wurf an die Ehefrau, an Gott, Giraffen oder auch an gar nichts. Das Ergebnis der komplizierten Prozedur ist mager und deprimierend: Typische Trefferquoten bei Würfen von der Dreipunktelinie, das heisst so sieben Meter vom Korb entfernt, liegen so zwischen 30 und 40%. Einzig beruhigend daran ist, dass es kein einziges Tier besser kann.

Doch jetzt hat Jason McElwain herausgefunden, wie es funktioniert: "You gotta be focused on the game. Not anything else." Um die Wirksamkeit des schlichten Erfolgsrezepts zu demonstrieren, warf der 17jährige Schüler aus Rochester innerhalb der letzten vier Minuten eines Basketballspiels 20 Punkte, davon sechsmal von der Dreipunktelinie. Zum Vergleich: In einem zu nationalem Grössenwahn führenden Saisonspiel der L.A. Lakers erwarf Kobe Bryant, eine Art Gott, 81 Punkte in 41 Minuten. Das ist pro Minute weniger als halb soviel wie McElwain. Noch ein winziger Unterschied: McElwain hat vorher noch nie Basketball gespielt. Ausserdem ist er Autist.

Einfach nicht ablenken lassen also, soso. Muss es eigentlich sein, dass ihr Autisten bei allem besser sein wollt? Reicht es nicht, wenn ihr uns beim Telefonbuchauswendiglernen und beim Quadratwurzelziehen bei jedem Turnier in die Schranken weist? Aber ihr könntet statt dieser Ballwurfgeschichte mal versuchen, geschickter Bäume zu fällen als der Biber, das wäre ganz praktisch. Einfach auf den Stamm konzentrieren.


06.03.2006 | 05:04 | Anderswo

De Don vs. Gerd Leers


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"It's legal to buy it, it's legal to own it, And if you're the proprietor of a hash bar, it's legal to sell it." So einfach, wie Vincent Vega hier die holländische Drogenpolitik erklärt, ist sie dann doch nicht: Auch in den Niederlanden ist die Menge Gras, die Privatpersonen zum Eigenbedarf besitzen dürfen, begrenzt. Und paradoxerweise dürfen die Coffeeshops zwar Cannabis verkaufen, aber ihren Warenbestand nirgendwo legal einkaufen, wie Gerd Leers, Bürgermeister des vom Kiffertourismus stark betroffenen Maastricht, hier darlegt und deshalb eine Legalisierung und staatliche Kontrolle der Produktion und Anlieferung von Haschisch verlangt. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, hat Leers nun ein ausgefallenes Mittel gewählt: Zusammen mit De Heideroosjes, der holländischen Entsprechung der Toten Hosen, hat er einen (sogar halbwegs hörbaren) Punksong aufgenommen (mp3 hier).

Der für Drogenpolitik zuständige Justizminister Piet Hein Donner wollte das wohl nicht auf sich sitzen lassen und hat angemessen gekontert. Unterstützt von Meester G hat er als "De Don" einen HipHop-Titel produziert und auf der offiziellen Ministeriumsseite zum freien Download verfügbar gemacht. Am Flow könnte De Don zwar noch etwas arbeiten, aber insgesamt ist dieses Stück ebenfalls annehmbar und wird von den Holländern laut der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 4.3. auch eifrig runtergeladen.

Verschiebt sich der politische Diskurs jetzt also aus den Fernseh-Talkrunden auf unsere mp3-Player? Gibt es die neuesten Hits bald regelmässig im SPD-Podcast? Wir wollen uns lieber gar nicht ausmalen, zu was für kruden Kooperationen es in Deutschland kommen könnte. Aber vielleicht ist es ganz gut, dass Scorpions-Duzfreund Gerhard Schröder nicht mehr Kanzler ist.


05.03.2006 | 15:18 | Anderswo | Fakten und Figuren | Papierrascheln

Pekingente besiegt Blixa Bargeld


Historisches Cover zum Ausschneiden und Sammeln
Dauernd wird in China Geschichte gemacht. Vor ein paar Wochen wurde ein Zaun errichtet – gestern erschien der erste chinesische Rolling Stone. Damit gibt das amerikanische Mutterblatt dem "Festland" – wie die Volksrepublik hier nur genannt wird – den Vorzug vor Hongkong und Taiwan, wo nur eventuell und erst zu einem späteren Zeitpunkt Lizenzausgaben erscheinen sollen. Leider enthält auch die – allerdings schön aufgemachte – chinesische Ausgabe kaum mehr als üblichen Rockkrempel. Die Coverstory ist Cui Jian gewidmet. Der ist so etwas wie der hiesige Udo Lindenberg (mit dem der Chinese auch schon auftrat), nur trägt er statt Hut eine Basecap. Er gilt als rau und ehrlich und muss seit Jahren herhalten, wenn ein westlicher Korrespondent beweisen will, dass es auch in China eine lebendige Rockszene gibt. Tatsächlich aber war seine letzte CD nicht mehr als ein Stück Ethnorockschrott aus dem Leichenschauhaus. Nicht weniger schlimm ist eine elfseitige, reichhaltig bebilderte Strecke über die übelste Band der Welt, deren Namen sie auf dem Cover selber nachlesen mögen, weil wir ihn hier garantiert nicht hinschreiben.

Auch ein Deutscher hat es in die historische Ausgabe geschafft: Blixa Bargeld, seit letztem September Neu-Pekinger. Im Interview erzählt er, wie er von chinesischen Fans vorm hiesigen Ikea erkannt und begrüsst wurde. Seinerseits habe er dann wenig später auch jemanden erkannt, und zwar in einem Taxi Brian Eno. Nur hätte er, Blixa, ihn leider nicht begrüssen können, weil er selbst in einem Taxi sass usw... So spielt das Pekinger Leben. Im Weiteren erklärt der Schwarzträger den Chinesen: "Ich ziehe Schwarz nicht an, weil ich gothic bin. Ich habe Gothic erfunden. Und viele andere Kunstformen seit den Achtzigern auch", dass er vor dreissig Jahren Vegetarier wurde, weil er nicht dasselbe essen wollte wie sein Vater ("Das war eine Rebellion"), sowie: "Ich glaube immer noch an den dialektischen Materialismus. Und ich glaube immer noch an Marx."

Wir können hier nicht sagen, ob Blixa Bargeld auch aus dialektischen Gründen mit dem Fleischverzehr wieder begann, kaum hatte er Pekinger Boden betreten. Eine leckere Pekingente war sein erstes Fleischgericht nach drei Dekaden. Zumindest teilen wir sein "Gefühl: Peking wird das Kulturzentrum der Welt." Nur wird das noch eine welthistorische Sekunde dauern. Das sagt uns auch die erste Ausgabe des chinesischen Rolling Stone.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: The Writing on the Wall (is the wall)

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link


05.03.2006 | 02:46 | Anderswo | Alles wird besser

Peer-to-peer-Globalisierung

Ein merkliches Anzeichen der fortschreitenden Globalisierung ist, dass der tägliche Spam ("Müll und Wurfsendungen in elektronischer Form", wie die Bundesregierung auf ihrer frisch freigeschalteten "Internet für Doofe"-Site mit dieser merkwürdigen Adresse erläutert) aus immer neuen Weltregionen im heimischen Postkasten eintrifft, und dabei immer vielschichtigere Formen annimmt. Wie der Spiegel letztes Jahr berichtete, ist die avancierte Internet-Betrügerei in Nigeria bereits zum drittgrössten Devisenbeschaffer geworden, in der Weltzentrale Lagos ist um das "Storylining", das Ausdenken und Ausschmücken der psychologisch diffizilen mehrstufigen Betrugs-Inszenierungen ein boomender Kreativsektor entstanden, der jungen Menschen mit viel Phantasie und leidlichen Fremdsprachenkenntnissen eine überdurchschnittliche Berufsperspektive bietet. Ein Gutteil der hier grafisch veranschaulichten Datenströme zwischen schwarzem Kontinent und Rest der Welt dürfte mittlerweile auf das Konto dieses neuen Zweigs der Unterhaltungsindustrie gehen.


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Immer mehr kalte Kontaktaufnahmeversuche erreichen uns in jüngster Zeit aus China, wo die allgemeine wirtschaftliche Aufbruchsstimmung eine spontan organisierte Form des Peer-to-peer-Aussenhandels hervorgebracht hat, die nach der Methode "Schrotgewehr" funktioniert. So schreibt uns heute etwa ein Mensch mit dem Absender "Your friend: Tang Weigang" unter dem Betreff "Der Oelgemaeldespartner aus China", dass er 1997 in Deutschland war, um dort Bierbrauen zu lernen, und es für "das schönste Land der Welt hält". Dann weist er uns höflich auf seinen professionell gestalteten Webshop für customized Ölgemälde hin, der die geballte Schaffenskraft der Künstlerkolonie Putian bündelt und in den Dienst der Weltgesellschaft stellt. Im Gegensatz zu dem üblichen Müll in elektronischer Form, der uns aus der dekadenten westlichen Welt erreicht und meist um die Vergrösserung von Körperteilen und die Verbesserung der sexuellen Performanz kreist, begrüssen wir diese Form der höflichen elektronischen Postwurfsendung ausdrücklich, geben den Hinweis gern weiter und werden in Gesprächen mit Herrn Weigang die Möglichkeit ausloten, den Bildteil der Riesenmaschine auf handgemalte Ölbilder umzustellen.


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