Riesenmaschine

30.01.2007 | 02:04 | Berlin | In eigener Sache

Weltchronik – Die Premiere (Gast: Dr. Mark Benecke)


Wir durften uns nicht länger ausschliesslich auf unsere komödiantischen Fähigkeiten verlassen (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Am Mittwoch (31.1., 20:00, Eintritt 10/8 Euro) wird ein neues, monatliches Format seine Premiere erleben, das von Riesenmaschinen-Gastautor Jochen Schmidt und Falko Hennig, dem Gründer der Charles-Bukowski-Gesellschaft, Psoriasis-Forscher und Radio-Hochsee-Gastgeber betreut wird. Die Weltchronik
findet immer am letzten Mittwoch des Monats im Filmkunsthaus Babylon statt und wird den Versuch darstellen, dem vergangenen Monat allein mit der Macht der Worte sowie aller anderen unterhaltsamen Dinge Sinn abzugewinnen. Dabei wird den beiden passionierten Chronik-Autoren ein Gast zur Seite stehen, der exklusiv für sie Tagebuch führt, bzw. sich anders aus der Affäre zieht. Bei der Premiere wird das der bekannteste Forensiker Deutschlands, Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke sein, der bei dieser Gelegenheit erstmalig seine Ganzkörpertattoos einer Deutung unterziehen wird. Und schon im März wird bei der Weltchronik Kathrin Passig zu Gast sein, die sich bereits darauf freut wie Bolle.


29.01.2007 | 21:32 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Cornfakes

Die für Outsider harmlos daherkommenden Corn Flakes sind in Wirklichkeit weltweit Massstäbe setzende Werbeexperten, und das schon seit gut einhundert Jahren. Im harten Konkurrenzkampf kam man 1906 im Maisflockenhaus auf die Idee, auf jede Packung zu schreiben Beware of imitations. None genuine without this signature. W.K. Kellogg. Der Markterfolg blieb nicht aus; wer mochte damals schon als unaufgeklärter Konsument gefälschte Cornflakes essen? Unvergessen die Anzeige For thirty days, stop eating toasted Corn Flakes, mit der man angeblich nur die Lieferengpässe in den Griff bekommen wollte, den Umsatz aber massiv steigerte.

1906 forderte man das Publikum per Anzeige mit Erfolg auf, unbeflakte Händler mit dem Ziel der Flockenbestellung unter Druck zu setzen. 1907 erfand man bei Maisflockens das Sampling: in einer Anzeige ohne Absender wurde die Bevölkerung für den nächsten Mittwoch in die Lebensmittelgeschäfte einbestellt, wo am nämlichen Tag überraschend Gratispackungen verteilt wurden. Allein in New York konnte der Absatz verfünfzehnfacht werden. 1909 entwickelte man das Give Away, bei dem ab zwei Packungen Corn Flakes ein Comicbüchlein dreingegeben wurde. In den 90er Jahren erfand man das deutsche Wort Cerealien, um nicht nur eine Frühstückszutat zu sein, sondern gleich eine ganze Lebensmittelkategorie zu beherrschen.


Goebbels könnte es auch nicht besser. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Auch heute noch wollen die Flocken vorne mit dabei sein, was ungewöhnliche Kommunikation angeht: 1% Fett, so steht es gross und signalfarbig auf der Packung. Und das ist natürlich toll, dass Cornflakes nur so wenig Fett enthalten. Wenn es auch vollkommen egal ist, denn wenn Cornflakes ein Problem haben, ist es zu viel Zucker – das sah übrigens auch der Bruder des Erfinders so, der wegen der Zuckerbeigabe bis zu seinem Tod kein Wort mehr mit dem Bruder sprach. Als Marketingtrick ist es natürlich trotzdem famosest; wir Werber arbeiten dementsprechend bereits daran, cholesterinfreies Benzin anzupreisen und kalorienarme Tapete.


29.01.2007 | 11:58 | Supertiere | Alles wird besser

Der Kälte trotzen


(Foto: Jochen Ackermann / Lizenz)
Der Mähnenspringer (Ammotragus lervia, auch Aoudad genannt) stammt eigentlich aus der Sahara und hat nicht nur gleich zwei hervorragende Namen, sondern zudem einen bis zum Boden reichenden Halsbart und sinnlos komplizierte Hörner (im Bild stark vereinfacht dargestellt). Entfernt man ihn aus seinem angestammten Lebensraum und stellt ihn stattdessen, sagen wir, in den kanadischen Winter, so stirbt er nicht etwa ordnungsgemäss, sondern hält dem Tiefschnee klaglos stand. "Das ist jetzt eben so", scheint er zu sagen. Was der Mähnenspringer kann, antwortet ein offenbar geistesgestörter Weltgeist, sollte dem aus Zentralafrika stammenden Menschen auch gelingen. Zunächst siedelt er ein paar Millionen Testpersonen kurz vor der Arktis an, an einem Flecken namens Toronto, um dann, nur ein paar Jahrzehnte später, in den kältesten zwei Wochen des Jahres das neue WinterCity-Festival zu eröffnen, und zwar standesgemäss mit einem Open-Air-Konzert am Freitag abend. Bei minus 15 Grad, gefühlt minus 25 (das ist kein Scherz) und anhaltendem starken Schneefall fand das Konzert trotzdem statt und war anscheinend auch noch gut besucht. Ein Tier kann wohl noch so seltsam aussehen, man kann trotzdem von ihm lernen.


29.01.2007 | 02:18 | Was fehlt | Fakten und Figuren

Slowenien war die neue Schweiz


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die noch recht junge Disziplin der Trendforschung ist auf dem Zeitstrahl ziemlich einseitig ausgerichtet. Immer geht es bloss um Zukunft, Zukunft, Zukunft – dabei weiss man doch nicht mal, ob es überhaupt eine Zukunft geben wird, vielleicht schaltet morgen jemand die Schwerkraft ab und alles ist ganz schnell vorbei. Um eine wirklich ernstzunehmende Wissenschaft zu werden, muss sich die Trendforschung jedenfalls auch der Dokumentation und Typologisierung früherer Trends annehmen.

Wichtige Vorarbeiten im diesem Bereich wurden nun in diesem Diagramm (Ausschnitt links, via 30gms) geleistet: Bekanntermassen war die – eventuell 2001 durch das Debütalbum der Kings of Convenience und die daraus konstruierte Mikromusikbewegung Quiet is the New Loud ins Rampenlicht gerückte – "X is the new Y"-Konstruktion in den vergangenen Jahren eine klassische Formulierungstrendblase, der auch wir ab und zu auf den Leim gegangen sind. Das Diagramm versammelt nun alle gefundenen Verwendungen im Jahr 2005 (möglicherweise der Höhepunkt des Trends, wer weiss das ohne Trendhistorie schon so genau). Das ist gut und wichtig, denn man hatte schon wieder vergessen, dass Karl Lagerfeld der neue Steve Jobs war, Yoga das neue Jazzercise oder Kanada das neue Estland. Oder die vielen Mutmassungen, was denn nun das neue Schwarz sei (silver, pink, depopulation, anal sex, white, cruelty, vegan, red, brown, beta, mobile search, mini, awkward, simplicity etc. – 2006 wusste man dann, dass matt die richtige Lösung war). Und weil uns praktisch zeitgleich eine Übersicht über die zehn wichtigsten Logotrends 2006 erreicht, verkünden wir für 2007 vorauseilend den Metatrend Trendhistorie.


28.01.2007 | 20:55 | Nachtleuchtendes | Supertiere

Guck mal was da denkt


Genverschraubtes Mausmonster (Foto: Ikayama)
Es ist ein alter Hut mit Propeller drauf, beziehungsweise eine alte Baseballkappe mit nach hinten gedrehtem Schild, dass die je gültige Annahme darüber, wie das Gehirn funktioniere, mit der gerade aktuellen Technologie Schritt hält. Erst hielt man es für eine Ätherschleuder, dann für eine ausgeklügelte Maschine, für einen Computer, demnächst dann für ein iPhone oder ein Universalgadget. Die schiere Beliebigkeit der Belegungen zeigt schon, dass hier wie in der Medizin nur die Ratlosigkeit hinter kompliziertem Zeug versteckt wird, dass also die Hirnforschung an galoppierendem Metaphernsyndrom leidet.

Der Grund dafür ist natürlich, dass das Gehirn zuallererst mal ein Gehirn ist, das heisst ein riesiger Haufen komplizierten Schmadders, Milliarden von Neuronen, die aufs Verwirrendste zusammengestöpselt sind, und alle bisherigen Versuche, ein wenig Ordnung in den Wirrwarr zu bringen, hauptsächlich das Gefühl verstärken, kaum was über das schwabbelige Organ der Erkenntnis zu wissen. Zwar kann man Tieren – und manchmal sogar Menschen – Elektroden in die Rübe stecken, und Hirnimpulse knattern hören, aber man hört dabei nur wenigen Neuronen zu, und weiss obendrein nicht genau, welchen, bis man das Tier zerschneidet, und dann ist es ja kaputt.

Um besser sehen zu können, was ein Tier so denkt, haben Genmechaniker jetzt fluoreszierende Eiweisse in Mäuseneuronen geschraubt. Die so zerbastelten Mäuse sehen in Betrieb aus wie eine Science-Fiction-Dekoration aus den Siebzigern, mit Lichtimpulsen, die Kabel entlangflitzen, und können also buchstäblich beim Denken beobachtet werden. Man muss dazu nur den Mäusekopf aufsägen und das Gehirn freilegen. Dass das dann beobachtete Funkenfeuerwerk "Hey, mach den Kopf zu, Blödmann" bedeuten wird, wissen wir zwar schon vorher, aber wir wollen den Mechanikern ja nicht den Spass verderben.


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