Riesenmaschine

13.05.2007 | 19:00 | Zeichen und Wunder

Platte der Woche


Töne aus Schafsmägen (Foto: Mosieur J., Lizenz)
Zurück zur Molekülmusik: Deren Geschichte ist nichtmal 30 Jahre lang, aber schon gab es mehr Katastrophen als beispielsweise beim Ukrainian Pornogrind. Wer erinnert sich nicht schmerzhaft an die frühen unerträglichen Kompositionen des Japaners Munataka, zum Beispiel das verstörende Duet of AIDS? (Es ist kein Zufall, dass die zugehörige Nature-Publikation zur selben Zeit erschien wie das stilistisch fast ähnliche "It's a Sin" von den Pet Shop Boys.) Wer hat nicht schon Tränen des Leids vergossen über das elegische Grossgebläse Humane Sex Hormone von Chemo-Sound Legende John Dunn? Oder bei Kerzenschein zu den zum Glück nur wenige Sekunden langen Protein-Larghettos von Linda Long (Anspieltip: "Voice of Metabolism") sanft im Takt gewürgt? Vollkommen im Einklang mit diesen haarsträubenden Entwicklungen folgte dann letzte Woche das allerneueste Debakel der Branche (wir berichteten): Gene2Music stellt eine Methode vor, mit der sich zum Beispiel das Hämoglobin eines Pferdes in akustische Signale verwandeln lässt, die dann doch wieder überraschend drastisch unbefriedigend ausfallen. Wenig verständlich, dass Stars wie Munataka und Long mit dieser Art makromolekularer Inkontinenz gross rauskommen, während ein echter Künstler in der Organikpophölle schmort und ignoriert wird. So wie Herr Walter Bauer aus Erlangen, der mit seinem Kernspintomographen und ein paar Molekülen die Titelmelodie von Dr. Schiwago spielt. Wir sagen: Besser als ein Dudelsack allemal.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Das wohlgemeinte Klavier


13.05.2007 | 02:25 | Alles wird schlechter | Fakten und Figuren | Sachen anziehen

Dysfunktionale Zahlen


Welcome, Number Overlords. (Foto: dark_imp666) (Lizenz)
Einem bejahrten T-Shirt-Witz zufolge spaltet sich die Menschheit in drei Gruppen: die, die zählen können, und die, die es nicht können. Eine Variante besagt, es gebe 10 Gruppen, nämlich die, die das Binärsystem verstehen, und die, die es nicht verstehen. Das stimmt aber alles nicht, in Wahrheit sind es nämlich drei Aspekte, der Mathematikversteher, der Mathematikverehrer und der Mathematikverächter, aus denen sich jede Person zusammenschrauben lässt. Dem letzteren Aspekt kann man, dem ersteren muss man nicht helfen, aber der in der Mitte, der die Zahlen nicht begreift, aber vor ihrer Objektivierungsmacht in Ehrfurcht erstarrt und sie sich als Werkzeug zunutze machen will, muss bekämpft werden, denn andernfalls nimmt er die Pistolen, die er sich aus Statistik, Spucke und Dreistigkeit geschnitzt hat, und schiesst mit ihnen die Welt über den Haufen.

Er führt dann zum Beispiel eine Studie an 140 Kindern durch, die ein Jahr dauert, und mit beeindruckend klingenden hierarchischen linearen Modellen nachweist, dass Kinder, die wenig Selbstvertrauen und negative Grundhaltungen haben, von Widrigkeiten leichter zu depressivem Verhalten getrieben werden. Es gibt, mit anderen Worten, zwei Sorten von Forschern. Solche, die das Offensichtliche ignorieren, und die, die es faktoranalytisch in seine Bestandteile Offen, Sich und Licht zerlegen und das Ergebnis dann publizieren. Leider nicht auf T-Shirts.


12.05.2007 | 16:17 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Eddington-Finkelstein-Metrik


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
An mehreren ernstzunehmenden Stellen im Internet, zum Beispiel auf der Kosmologie-Halde von Berkeley, kann man nachlesen, dass es, sollte man in ein Schwarzes Loch fallen und den Ereignishorizont bereits überschritten haben, gar nichts bringt, seine letzten verbliebenen Raketen abzufeuern. Im Gegenteil, so steht dort, die Raketen würden einen wegen der seltsamen Umstände nur noch schneller der Singularität im Innern des Lochs entgegentreiben. Man kann seiner Zukunft, dem Zentrum des Lochs, nicht weglaufen, egal, in welche Richtung man rennt. Trying to avoid the center of a black hole once you've crossed the horizon is just like trying to avoid next Thursday.

Das Letzte stimmt zwar schon, das mit den Raketen jedoch gar nicht. Wie man jetzt nachlesen kann, verlängert der Einsatz von Raketen die Überlebensdauer im Innern des Schwarzen Lochs (Verlängert! Na also!). Unverantwortlich, dass jahrelang gegenteiliger Unsinn herumerzählt wurde, wievielen Menschen hätte geholfen werden können. Es wird also dringend geraten, nach dem Malheur, dem versehentlichen Fall ins Loch, alle Raketen zu feuern, die man noch hat, damit man mehr Zeit hat, Notrufe per SMS abzusenden, die natürlich erst in unendlich vielen Jahren jemand empfangen wird. Danach wird man dann durch gravitative Gezeitenkräfte in Stücke gerissen und schliesslich durch den Aufprall in seine Einzelatome zertrümmert.


12.05.2007 | 08:10 | Supertiere

Orvet, Lución, Padalec!

Die Namenssuche gehört zu den schwierigsten Teilen der Projektarbeit. Ob Weltrettungsmaschine, Shoppingportal oder Lendenprodukt, es benötigt einen wohlklingenden, mitreissenden Bezeichner. Wie wäre es denn mit Orvet oder Lución? Unverbraucht und schick! Padalec hingegen ist sicher weniger geeignet. Aber Slowworm (mit double-double-U) und Blindschleiche sollte niemand auf diesem Planeten heissen müssen, schon gar kein harmloses Wesen aus dem Garten.

Die meisten Schleichen sterben einsamer als Koppis. (Foto: hagwall) (Lizenz)
Das wir in Tetrapod Zoology (wieviele Beine, junger Freund?) lesen, dass die grössten Tiere dieser Gattung ausgerechnet aus den Ländern kommen, in denen sie vom Volksmund am meisten verhöhnt werden, wird somit niemanden überraschen und wir können die Anstrengung der langsamen Schleiche nachvollziehen, wenigstens bei der Grösse punkten zu wollen. Nicht jeder will ja auswandern, weil er zum Beispiel Hitler heisst. Die kürzlich gegründete Encyclopedia of Life, die jeder Tierart auf dem Planeten eine Website verpassen soll, wird derart Elementares hoffentlich beachten und endliche faire Namen für alle Tiere einführen. Slepúch krhký!

Dieser Beitrag ist ein Update zu: WBR! WBR! WBR!


11.05.2007 | 19:13 | Supertiere | Fakten und Figuren

Sexlos gerädert


Nichtfickende, gutaussehende Rotarier. Wunderbare Welt. (Abbildung: Diego Fontaneto/Public Library of Science) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Es mag dem biologischen Laien durchaus wie eine Wissenschaftsgroteske anmuten, aber die emotionalen Verwicklungen und anatomischen Verfaltungen des Sexualtriebs sind dem Evolutionsbiologen eine notwendige Voraussetzung für evolutionäre Entwicklung, Anpassungsfähigkeit, und letztlich also fürs Streben des gemeinen Protoplasmas nach Höherem – wenn man denn überhaupt der Ansicht ist, dass der evolutionäre Prozess irgendwohin strebe und nicht vielmehr nur wurstle. Der dem Geschlechtsgewese unterbaute Austausch von Genen nämlich sei es, der die Abspaltung von Spezies erst ermögliche, und damit die Anpassung des Geschöpfs an die Nischenexistenz. Ficken, mit anderen Worten, ist gut fürs Geschäft, nicht nur kurzfristig wegen Kindermacherei, sondern auch auf lange Sicht.

Auftritt die Gattung Rotaria aus der Klasse der Rädertierchen, und ein Gegenbeweis. Die Gattung umfasst nämlich, einer neuen Studie in der Public Library of Science (PLoS) zufolge, an die 400 Arten, denen allen gemein ist, dass sie das männliche Geschlecht und die sexuelle Vermehrung abgeschafft und die Jungfernzeugung zur gesellschaftlichen Norm erhoben haben (sofern Rädertiere zur einer Gesellschaft im Luhmannschen Sinne überhaupt fähig sind), und das vor der Aufteilung der Gattung in derart viele Arten. Wer braucht da noch Sex (oder Männer), fragt die PLoS-Kommentatorin wenig provokant, dabei ist doch die viel interessantere Frage, warum die rotierenden Damen trotzdem so verteufelt gut aussehen: ein evolutionäres Rätsel.


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"Wrath", Jonathan Neil Dixon (2011)

Plus: 14, 23, 105, 141, 144
Minus: 1, 4, 8, 80, 130, 132, 176, 194
Gesamt: -3 Punkte


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