Riesenmaschine

21.05.2007 | 18:48 | Anderswo | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Ad fontes ist keine Werbeagentur


Wo der Bartel das Trendgetränk holt (globetrotter1937) (Lizenz)
Durch das Dickicht der Trendnachrichten über die unaufhaltsame Verfeinerung der Produktwelt nagt hin und wieder der Hirsch der Vereinfachung einen schmalen Pfad. Das US-Magazin Slate berichtete schon im April über den neuen Snobtrend Leitungswasser: Weil Europa sehr weit weg von Amerika sei und Bruder Baum über derlei Transportverbrechen weine, kehre man in der kalifornischen Trendgastronomie Perrier, Evian und San Pellegrino zugunsten von gefiltertem und bläschenbefülltem Gratis-Leitungswasser den Rücken. Obwohl Europa von Europa gar nicht so weit weg ist wie von Amerika, wird dieser Trend, wie jeder andere Trend aus Kalifornien, binnen Minutenfrist nach Deutschland importiert werden. Und da die Welt dringend einfacher und überschaubarer werden muss, stehen wir mit Wimpeln am Wasserhahn bereit, um ihn zu begrüssen.

Zwar sagt man, in der deutschen Gastronomie werde im Unterschied zur amerikanischen der Gewinn über die zum Essen eingenommenen Getränke erwirtschaftet, so dass schon wenige Minuten später mit dem Ableben eines Grossteils des Gaststättengewerbes gerechnet werden muss. Aber im Interesse der vereinfachten Entscheidungsfindung "Wohin zum Essen" und auch der unkomplizierteren Beitragsgestaltung wollen wir auch in diesem Punkt einfach mal wie immer: einverstanden sein.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Single Cola, Single Cask


21.05.2007 | 13:42 | Supertiere

Schleimaals Kinder


Manchmal wirkt das Bestreben Koreas, die Nr. 1 unter den Länder mit komischen Esskulturen zu sein, arg gewollt. Hier: Inger in Seoul. Foto: Martin Kliehm, Lizenz
Vom Schleimaal kann man viel lernen. Er ernährt sich ohne Kiefer, nimmt ohne Augen wahr, was ihn interessiert, und streift den beeindruckenden Schleim, den er zur Gefahrenabwehr erzeugt elegant ab, indem er sich verknotet; vier Herzen schlagen wacker in seiner Brust. Um einen öden Aal handelt es sich bei dem Tier, das auch als Inger bekannt ist, sicher nicht.

Menschen mögen den Schleimaal, haben ihm einen exzellenten Wikipedia-Artikel spendiert, und erforschen seine obskure Position im Stammbaum der Wirbeltiere. Der Schleimaal hat natürlich auch keine Wirbelsäule, es ist aber unklar, ob er sie nicht nur vor 300 Millionen Jahren irgendwo verlegt hat und sie seither sucht – das würde wiederum erklären, warum er sich in der Zeit nicht grundlegend verändert hat. Jedenfalls sollte man klären, ob die Inger nun Schwester- oder Schwippschwager-Taxon der Schädeltiere (Stichling, Biber, Sie wissen schon) sind.

Dementsprechend gemein war es, dass wir lange keine Möglichkeit hatten, die Entwicklung etwaiger Anlagen der Wirbelsäule am Nachwuchs des Fischdarstellers studieren zu können. Seit 1930 waren keine Nachzöglinge mehr in Menschenhand gelangt, aber japanische Forscher veröffentlichten kürzlich die Entdeckung und Untersuchung von Embryos, an denen sich zeigte, dass wesentliche Merkmale, darunter die Neuralleiste, von den gleichen Genen gesteuert werden, die man bei Wirbeltieren gefunden hat. Damit ist der Schleimaal seinen bewirbelten Verwandten ein Stück näher gerückt, vielleicht lohnt eine kurze Anfrage, wenngleich verbaselte Wirbel keinen guten Eindruck machen. Dann doch besser neue kaufen oder Schwamm drüber, die schaffen es ja auch ohne.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Einen Fisch mögen


20.05.2007 | 23:58 | Anderswo

Neues von Graniph


Rainbow Stein (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Swan Typo (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Psychedelic Butterfly (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Bis der 2007er Jahrgang der Riesenmaschine-Palimpsest-T-Shirts aus der Druckerei kommt, dauert es noch einige Tage. Vertreiben wir uns so lange die Zeit mit einem Blick auf die neue Kollektion des japanischen Labels Graniph, das schon gelegentlich Gegenstand unserer Berichterstattung war: Wieder hat der anonyme Designer seinem Hang zum Deutschtum freien Lauf gelassen, wobei der Instinkt die fehlende Sprachkenntnis mehr als kompensiert. Erneut gelingen ihm bizarr schillernde Motive, erratische Findungen, getragen von existentieller Leichtigkeit und romantischer Tiefe. Manches ist leicht zu lokalisieren, etwa als Goethe-Zitat. Einiges scheint direkt aus der Sphäre des Tourismus übernommen. Einiges weist Tocotronic-hafte Sloganqualität auf. Anderes wirkt dagegen wie das Gestammel Demenzkranker. Nie jedoch entsteht der Eindruck kompletter Wahllosigkeit, man habe es gar mit einer transkulturellen Manifestation des Infinite monkey theorems zu tun. Immer wieder stellt sich eine frappante Kongruenz zwischen Signifikat und Signifikant her. Das Shirt namens Crack Skeleton zeigt, was es vorgibt zu zeigen, nämlich "gekreuzte Knochen". Das Shirt Helvetica benutzt als Schrift für den Aufdruck "Helvetica" die Schrift Helvetica (über die im übrigen gerade ein Dokumentarfilm in Umlauf ist, aber das gehört nicht hier hin). Und, als wenn es noch eines Beweises für die Germanophilie des Hausdesigners bedurft hätte, findet sich im Sortiment auch ein Shirt namens German Logo. Allerdings ist dessen Aufdruck ausnahmsweise auf Englisch.


20.05.2007 | 14:28 | Anderswo | Alles wird besser

Fernbedient


Tut das nicht weh? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Beim Dyson Design Award 2007 fielen zahlreiche Erfindungen positiv ins Auge, u.a. sah man dort eine Kreuzung aus Fahrrad und Rucksack und einen gutaussehenden Stuhl namens Emotion, der "sekundäre" Zwecke erfüllt, zum Beispiel als Ablageplatz oder Rennfahrzeug. Aber darum soll es hier nicht gehen. Stattdessen erfand Angelene Ozolins ein zweiteiliges Gerät namens Assure Flow (via Medgadget): Zum einen hätten wir da ein Ventil aus drei konzentrischen Röhren, zwei davon aus Nitinol, einem shape memory metal, das je nach Temperatur oder Druck hart (Austenit) oder weich (Martensit) wird. (Interessant, oder?) Dieses Ventil wird, das ist der wichtige Teil, in die Harnröhre eingesetzt und tut dort das, was ein Ventil so tut: Es lässt ab und zu Dinge durch. Und zwar, wenn man den zweiten Teil von Assure Flow ins Spiel bringt, eine technisch schlichte Fernbedienung mit USB-Port und Speicherfunktion, damit kein, ähm, Tropfen verloren geht. Insgesamt also eine 100%ig dichte, fernbediente Blase, für alle, die das nicht alleine hinkriegen. Auf die ganzen üblichen Scherze mit Behinderten, Inkontinenz und Verlegen von wichtigen Kleingegenständen soll hier grosszügig verzichtet werden.


20.05.2007 | 02:25 | Supertiere | Zeichen und Wunder

Käferkuchenschlacht

Dass Insekten zu den finstersten Hervorbringungen der natürlichen Weltprozesse gehören, ist der Standpunkt dessen, der innerlich selbst hart ist wie ein Chitinpanzer, und fortwährend mit tausend Beinchen und Fühlern nach Dingen sucht, die er besudeln und in den Schmutz ziehen kann, kurz, der selbst ein niederes und verdammenswertes Seelenungeziefer und inneres Insekt vorstellt. Trotzdem aber der fühlende Mensch also seinem krabbelnden Bruder freundlich und interessiert gegenübertreten sollte, wenn er zum Beispiel als Lebensmittelmotte aus dem halb gegessenen Müsli aufsteigt, fällt ihm das nicht immer leicht. Hat man indes gesehen, wie Wespe und Konsorten auch mal mit kleinen Kuchensachen beworfen und beschämt werden, statt dieselben uns aus eigenem Antrieb vom Teller wegzulüpfen, und uns womöglich auch noch zu stechen dabei, fallen einem Grundhöflichkeit und Gleichmut dem Reich der Insekten gegenüber wieder so leicht, wie es die gute Sitte erfordert.

Man muss den Film allerdings abschalten, ehe ganz am Ende die Kleintierschinderei als Werbevehikel für kleine Telefone erkennbar wird. Man übertrüge sonst noch den Krabbeltierekel auf diejenigen, die einem klebrige Werbebotschaften ins Gesicht schleudern wo man nur einen kleinen Rundflug machen wollte, und der schöne Höflichkeitszugewinn welkte wieder dahin.


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