Riesenmaschine

07.08.2006 | 18:55 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Hummer statt Lobster


Schalentiere gehen anders (Foto: Eli Hodapp)
Der generelle Abrundungstrend der Welt hat jetzt auch die letzte Bastion eingenommen: Den Hummer, Amerikas sperriges und erdölverschlingendes Symbol für alles, wofür Amerika ein Symbol braucht, zum Beispiel für den Sieg über Stock und Stein. In einer Militäranalogie zum Camouflagetrend, der mittlerweile Handtaschen, Kinderkleidung und Stretchleggins erfasst hat, wird der grosse, gewaltige Hummer zum 0815-Gerät. In seiner Evolution vom H1 über H2 zum H3 verwandelt er sich graduell in ein rundes, aerodynamisches Luftei, das sich entgegen anderslautenden Behauptungen äusserlich durch fast gar nichts mehr von allen anderen handelsüblichen Geländetieren unterscheidet. Wenigstens die Produktnamen sind noch schön anachronistisch unbeeindruckt von der Massenproduktion. Und er kann immer noch interessante Kunststücke, z.B. Treppen hochfahren, was man auf der Hummer-Website mit Hilfe von zahlreichen hinreissenden Filmchen verifizieren kann (über Gallery, Movies). Der Convenience-Hummer H3, in Amerika seit 2005 für cirka 30000 Dollar im Handel, ist ab sofort auch in Deutschland erwerbbar. Er verbraucht nur doppelt so viel Benzin wie ein Kleinwagen, wo soll das hinführen, Hummer?


04.08.2006 | 14:20 | Anderswo | Alles wird besser

Chinas neue Zellen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wenn man Zellen mit China in Verbindung bringt, dann fallen einem zunächst nur gefolterte Dissidenten und Mondbären ein. Dies jedoch ist die Vergangenheit, denn die Zukunft von Chinas Zellen wird vom MIT gestaltet: Links abgebildet ist der Entwurf für das neue Institut für "Nanobiomedical Technology and Membrane Biology" in Chengdu, entstanden durch einen Zirkelschluss aus Architektur und Molekularbiologie. Von aussen sieht es aus wie eine riesige Zelle, während es von innen genau wie eine riesige Zelle aussieht, mit Mitochondrien, Endosomen und sonstigen lebensnotwendigen Features. Vermutlich sind sogar Ionenpumpen eingebaut. Vorhersehbarerweise nennen die Erfinder das Ganze "molekulares bioarchitektonisches Design" – schon allein um sich vom in Europa seit geraumer Zeit virulenten Biomorphismus abzusetzen – und sehen in ihrer und unserer Zukunft einen neuen Trend zum zellbiologischen Gebäude. Klar ist jedoch, dass die neue chinesische Zellwelle nur dann eine Chance hat, wenn sich zunächst mal jemand einen geschmeidigeren Namen oder wenigstens ein lustiges Akronym dafür ausdenkt. Vielleicht am Stammzellentisch.


02.08.2006 | 18:58 | Alles wird besser

Speichel auf Rezept


Speichelfabrik (typähnlich) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Endlich! Beziehungsweise sehr bald schon wird man künstlichen Speichel kaufen können. Die Pharmafirma BioProgress erbarmt sich dieser unfassbar klaffenden Marktlücke und bringt ein Salivaspray namens HypoSalix auf den Markt. Das war gar nicht so einfach, denn wie alle wissen ist menschlicher Speichel ein kompliziertes Sekret und besteht zudem fast ausschliesslich aus dem komplexen und schwer handhabbaren Chemieprodukt Wasser. Zum einen technologisiert das Speichelspray die alte Kulturtechnik des Anspuckens, der daher eine neue Hochphase vorausgesagt wird. Zum anderen steht mit HypoSalix endlich ein adäquates Mittel gegen die Volkskrankheit Xerostomia (oft auch "trockener Mund" genannt) zur Verfügung, die unter anderem im Zusammenhang mit Krebstherapien oder seltener nach schwerwiegendem Alkoholmissbrauch auftritt. Oder halt einfach wenn der Mund ausgetrocknet ist. Wegen der unberechenbaren Nebenwirkungen von künstlichem Wasser möchte Bioprogress sein Speichelspray verständlicherweise nur gegen ärztliche Verschreibung verkaufen. Salivajunkies, ihr müsst weiterhin am Wasserhahn schnüffeln.


01.08.2006 | 11:55 | Essen und Essenzielles

Maddeningwer Biercalculations


Sieht schon nicht ganz sauber aus
(Foto: notafish / Lizenz)
95% aller Ingwerbiere enthalten heute überhaupt keinen Ingwer mehr. Da ist es nur gerecht, dass das Ginger Beer von Gracefood, Anbieter von angeblich original karibischen Lebensmitteln, insgesamt zu 120% aus Ingwer besteht. Die logische Konsequenz: Knapp neun Zehntel aller Probanden spucken den ersten Testschluck des Getränks sofort in den Ausguss; die restlichen drei bis vier sind danach stundenlang mit Husten beschäftigt, und beklagen sich seitdem viel weniger über Nebenhöhlenentzündungen. Das wird von Ingwermasochisten in Kanada einstimmig bestätigt und erhebt Grace Ginger Beer damit in den Status des untrinkbarsten Getränks seit der Markteinführung von Mug Root Beer und chinesischem Bubbletea.


27.07.2006 | 16:10 | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Zeitlich verreisen


Schon 600 Mio. Jahre Nichtstun
Bei allem Respekt für die vielfältigen Prozesse, mit denen das menschliche Gehirn den Zeitablauf manipulieren kann: Wesentlich geschickter stellt sich immer noch die Relativitätstheorie in dieser Angelegenheit an. Mit einem einfachen, vollkommen willkürlichen Handgriff erklärt sie die Geschwindigkeit des Lichts für konstant (man muss froh sein, es hätte auch die Geschwindigkeit des Postboten sein können), woraus sofort folgt, dass man nur in den Spiegel sehen muss, um sich selbst zu sehen, und zwar vor wenigen Nanosekunden. Ausgehend von dieser Tatsache bauen imaginative, wenn auch imaginierte Geister wie der irische Wissenschaftler de Selby komplexe Anlagen, die durch Mehrfachreflexionen und sukzessive Anhäufung von Lichtwegen letztlich Bilder des eigenen Kindergesichts zu erzeugen in der Lage sind. Und obwohl nicht klar ist, ob die Relativitätstheorie so einen Quatsch im Sinn hatte, als sie so früh am Morgen aufstand, beruht ihr Meisterstück, die intergalaktische Zeitreise, doch ganz genau auf demselben Prinzip: Der Stern am anderen Ende der Galaxie ist, wie jeder weiss, in unserem Bild 100.000 Jahre jünger als in echt. Das entspannte Theoriewerk erlaubt somit auch ganz ohne de Selby eine phantastische Reise zurück in eine exotische Zeit, als man noch keine Wasserspartasten auf WCs hatte. Was natürlich gar nichts heisst, denn in 100.000 Jahren macht so ein Durchschnittsstern, die faule Sau, fast genau gar nichts, also etwa so viel wie unser Gesicht in einigen Nanosekunden. Das muss auch mal klargestellt werden.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Thementag: Das Vergehen der Zeit


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