Riesenmaschine

22.02.2006 | 12:04 | Anderswo | Alles wird besser

Kanada hat Bälle


Attraktive Kreuzung
Kanada als Land muss regelmässig und ausgiebig gerühmt werden, weil es in vielerlei Hinsicht an der Spitze steht: Es hat den welthöchsten Turm, die weltbesten Eishockeyspielerinnen, die weltschönsten Ortsnamen, die weltmeisten Kabel über den Strassen und 150 Fernsehprogramme, wobei auf mindestens einem immer die Simpsons laufen. Und obwohl es schon so ein grossartiges Land ist, denkt es ständig über Verbesserungsmöglichkeiten nach. Neulich erst wurde in Kanada das Verbot von Gruppensex aufgehoben, und wäre es nicht so kalt, hätten sich Millionen Menschen auf den Strassen zum fröhlichen Treiben zusammengefunden.

Stattdessen nutzen die Kanadier die kalte Jahreszeit, um eine brandneue, spektakuläre Sportart aus dem, ähm, gefrorenen Wasser zu heben: die Schneeballschlacht. Leider sind die Pläne des kanadischen Teams ungoogelbar und die dazugehörige Webseite zeigt keinen einzigen Schneeball. Aber wie immer erfährt man in DOSE alles Wesentliche: Nachdem die Schneeballschlachtdemonstration von Craig Bridgman und Co. in der Drittelpause des Eishockeyspiels Schweiz-Kanada von den Olympiazuschauern in Turin begeistert aufgenommen wurde, will man 2010 in Vancouver offiziell um olympische Medaillen kämpfen. Und, so Bridgman, die Welt sollte gewarnt sein: "Niemand wirft einen Schneeball wie ein Kanadier."

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


20.02.2006 | 22:12 | Fakten und Figuren

Pilze sind kein Spielzeug


Nahaufnahme (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
An einem Montag vor mehreren tausend Jahren zog der Indianerjunge mit dem unaussprechlichen Namen in den mexikanischen Dschungel, um, auf Geheiss seiner Mutter, Pilze für die Suppe zu sammeln. Leider war er nicht richtig bei der Sache. Schillernde Pilzgewächse sprangen in sein Tragetuch und taten so, als wären sie vollkommen harmlos. Die Männer kehrten gerade von der Spinnenjagd zurück, alle hatten grossen Hunger und begannen unverzüglich mit dem Pilzmahl. Kaum dreissig Minuten später kamen die schillernden Zeitgenossen aus ihren Verstecken, lösten jedes einzelne Hirn im Dorf auf und zwangen die armen Indianer, grosse, unförmige Pyramiden in den Wald zu setzen. "Teonanacatl", das "Fleisch der Götter", war entdeckt.

Während die Geschichte bis hierhin erfunden ist, kann man den Rest an zahllosen Orten nachlesen, zum Beispiel hier. 1957: Die Pilze benutzen das Ehepaar Wasson, um dem Dschungel zu entfliehen. 1960: Sie entdecken Timothy Leary und verwenden ihn, um sich in Harvard und im neuzeitlichen Amerika zu etablieren. Und schliesslich 1958 (also nur kurze Zeit später): Der Wirkstoff Psilocybin springt mit Hilfe von Albert Hofmann aus den Pilzen und treibt sich seitdem isoliert in der Welt herum.

Seitdem sind wir ihnen ausgeliefert. Wir versuchen es mit Verboten, Forschung, Informationszentralen, Verschwörungstheorien, Abstinenz, Verblendung, das gesamte Arsenal an Wunderwaffen eben, aber wir kommen so nicht weiter. Pilze durchleuchten unsere Seelen, zwingen uns, alberne Strassenlaternen und ganze Skulpturenparks aufzustellen (in und bei Zürich, noch mehr Fotos hier), Baumhaushotels zu errichten (bei Görlitz), sie verlangen nach pilzförmigen Freizeitparks und Drive-In Lokalen, und in Mexiko, wo nie jemand hinkommt, stampfen sie höchst merkwürdige Dinge aus dem Dschungelboden. Es ist nicht der Mensch, der den Pilz kauft; der Pilz kauft den Menschen (lässt ihn aber die Rechnung bezahlen, was ganz schön clever ist). Sie trennen uns nicht nur von Raum und Zeit, sondern reissen ausserdem eine tiefe Schlucht auf, eine Schlucht des Misstrauens zwischen uns und ähm uns. Hoffentlich erfahren sie nie etwas von diesem Beitrag, haben Pilze eigentlich Internet?

Aleks Scholz (wahrscheinlich) | Dauerhafter Link


18.02.2006 | 14:33 | Fakten und Figuren

Mittwoch: Denkpause


Sieht keinem Massenmörder ähnlich (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Heute ist der 18. Februar. Es sind also noch volle vier Tage bis zum "World Thinking Day", aber weil man den "World Thinking Day" natürlich ignoriert (ungefähr so wie den "Internationalen Frauentag" am 8. März), sollte man das Ereignis besser jetzt schon kommentieren. Dieses Jahr geht es unter anderem darum, über die "Gefahren von Drogen", die "Entdeckung des eigenen Potentials", "Rauchverbote überall" und "gesunde Ernährung" nachzudenken, an diesem Weltdenktag. Das ist sicherlich eine extrem spannende Beschäftigung, aber es bleiben ja noch vier Tage, es wieder zu vergessen.

Wie sicherlich jeder weiss, wäre am 22. Februar Sir Robert Stephenson Smyth Baron Baden-Powell von Gilwell 149 Jahre alt geworden. Baden-Powell, ein Mann, der aus verschiedenen Gründen hätte berühmt sein können, zum Beispiel wegen seines schillernden Namens oder wegen seiner Frau Lady Olave, die seltsamerweise genau am selben Tag Geburtstag hat, zog es vor, sein Leben im englischen Militär mit Buren und Afghanen zu verbringen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er zu dumm für die Universität war. Mit 44 hatte er auch keine Lust mehr auf Kriegsspiele, und nur sechs Jahre Pensionierung reichten ihm, um auf die tolle Idee zu kommen, die erste Pfadfindergruppe der Welt zu gründen. Baron Baden-Powell verdanken wir das Prinzip "Learning by doing" und so wichtige Kalenderweisheiten wie "Versucht, die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, als Ihr sie vorgefunden habt."

Ein Lehrsatz, gegen den er selbst allerdings irgendwie verstossen hat, denn hätte er sich einfach im Burenkrieg erschossen, dann gäbe es weniger Kalenderweisheiten, weniger gute Menschen und gar keine Pfadfinder. Alte Frauen wären noch in der Lage, alleine über die Strasse zu gehen, und die Hutmode wäre deutlich weniger zurückgeblieben. Niemand kann beziffern, wieviel Leid und Missbehagen die Pfadfinderbewegung über die Menschheit gebracht hat, und zwar weil es so unermesslich viel ist. Darüber könnte man nächsten Mittwoch vielleicht wirklich mal nachdenken.


16.02.2006 | 06:33 | Anderswo | Essen und Essenzielles

Gepresste Känguruhs


Wallabyriegelzutat (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Australien ist seit langem bekannt für Unbekömmliches; immerhin hat es die meisten Giftschlangen, die meisten Giftspinnen, die meisten Giftkröten und die meisten Giftquallen. Jetzt hat sich das Land etwas Neues ausgedacht, den "Australian Wallaby Bar" – "neu" nur fürs Ausland, denn im australischen Outback leben vermutlich schon seit Jahrtausenden braune Männer von gepressten Känguruhs. Der Wallaby-Riegel erreicht die nichtaustralische Welt in der Geschmacksrichtung "Macadamia & Ginger", überzogen mit einer gelbweissen Joghurtpastenhülle. Das ist interessant, denn einerseits vertraut man ganz konservativ auf die Trendnuss 2005 (Macadamia), andererseits begibt man sich ins progressive Fahrwasser der irrlichternden Dualverbiegungen der Eis- und Zahnpastaindustrie (Ingwer). Zusammengenommen ist es eine Aromakombination, auf die man auch nach längerem Nachdenken nicht von alleine gekommen wäre. Wahrscheinlich muss man es gar nicht erwähnen, aber der Wallaby-Riegel schmeckt weder nach Ingwer, Nuss, Joghurt oder Känguruh, sondern nur nach gesüsster Dachpappe, was jeden, der schonmal gesüsste Dachpappe gegessen hat, ganz sicher vom Kauf abhält. Alle anderen können es ja mal ausprobieren.


13.02.2006 | 11:38 | Vermutungen über die Welt

Was man herumtragen soll


Man kann's auch übertreiben. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Nichts. Das muss das Ziel sein, auch wenn wir uns zur Zeit extrem schnell davon wegbewegen. Denn genauso, wie der moderne Mensch zu Hause in rasender Eile immer mehr Gegenstände anhäufelt, nimmt er immer mehr davon mit, wenn er das Haus verlässt. Vor 100 Jahren noch, es waren paradiesische Zeiten, weder Handy noch Weltkrieg erfunden, trug niemand etwas auf der Strasse. Die Hände frei, die Taschen leer, andächtig dem Verkehrslärm statt dem iPod lauschend und die Augen forschend in der Umgebung. Es waren Zeiten des Aufbruchs, der Begeisterung; Röntgenstrahlen wurden gefunden, Quanten entdeckt, Atomkerne, nur weil man es vorzog, sich die Realität genau anzusehen, anstatt sich mit Telekommunikation und Mikroelektronik zu befassen.

Die Washington Post hat das "Carry stuff" Phänomen jetzt kurz und oberflächlich untersucht, und gleich ein paar Erklärungen anzubieten, die alle irgendwie stimmen. Man wiegt sich im Glauben, man könne ohne dreihundert Gegenstände am Körper nicht mehr leben, man erhebt Sekundär- zu Primärbedürfnissen, weil man sich um letztere scheinbar keine Sorgen mehr machen muss. Ohne das unsichtbare Netz aus Dingen um ihn herum aber wäre der moderne Mensch hilflos, zappelt aufgeregt und überfordert hin und her, weil er nicht mehr weiss, was ein Kanaldeckel ist, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Nachdem wir den Kelch mit vergifteten Dingen ausgetrunken haben, bleiben wir überlebensunfähig zurück und die Welt der Sachen hat leichtes Spiel mit uns. Sie werden uns solange quälen, bis wir genauso leblos sind wie sie.

Deshalb ist es vollkommen falsch, öffentlich Empfehlungen abzugeben, was man unbedingt dabei haben sollte. Hier stattdessen der Weg zum Heil: 1) Staatlich verordnete Stromausfälle an geheimen Tagen. 2) Drastische Steuern auf Hosentaschen, ach, Taschen generell. 3) Vorgeschriebenes Mindestgewicht für alle im Handel erhältlichen Gegenstände (cirka 18 Kilogramm). Sie werden sich noch wundern, diese hirnlosen Dinger.


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Minus: 7, 43, 99, 118, 138, 166, 183, 184, 202, 214 doppelt
Gesamt: 1 Punkt


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