Riesenmaschine

28.02.2007 | 12:43 | Vermutungen über die Welt

Die Leiden von Fujiya & Miyagi


Kulturelle negative Rückkopplung (Foto: photocapy / Lizenz)
Europhilie vermutet man törichterweise, wenn sich Ostasiaten Kopien europäischer Bausubstanz in ihren Dschungel oder so stellen, deren Gegenwert wie beim japanischen "Huis ten Bosch" etwa einer Million Flugreisen nach Holland entspricht. In Wirklichkeit nämlich wird Europa damit zu einem niedlichen, technisch unterlegenen Kuriositätenkabinett stilisiert, dessen Errungenschaften eben nicht mehr wissenschaftlich rational sind, sondern sich auf eine vormoderne folkloristische Ästhetik beschränken (steht jedenfalls hier). Dass jemand das Wakizashi umdreht, ist überfällig.

Die britische Band Fujiya & Miyagi referiert netterweise keine Visual-Kei-Zitate, sondern bastelt sich eine Klangwelt, in der Zen und Krautrock hübsche Synergisten sind und der Rest irgendwie den Geruch von Bordeaux und Baguette verströmt. Klar erkennbar ist der Versuch der subversiven Rückeroberung des absoluten Geltungsanspruches europäischer Kultur nicht. (Das amüsant verzerrte Stereotyp des Japan-Sounds findet man eher bei der Französin Michiko Kusaki.) Es gab keinen Fujiya-Miyagi-Hype, trotz dieser Kritik. Das aktuelle Album erscheint bald zum dritten Mal. Das Label wird von Herbert Grönemeyer getragen. Kein Blog hat sie begleitet.

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22.02.2007 | 18:24 | Anderswo | Vermutungen über die Welt

Feiner Energierüssel


Der bösen Methankuh Helferlein (Foto: Gaetan Lee / Lizenz)
Der Schlund der Treibhaushölle öffnet sich und heraus kullert diesmal, neben Kuh und Auto, die Glühlampe.
Die Australier werden den Wolf im Jahr 2010 zum letzten Mal schäumen, während hierzulande wohl die Top-Runner ans Netz kommen.

Die Weltklimarettung geht allerdings viel entspannter, sagte Hanns Günther schon 1931 und entsann das Thermikkraftwerk. Damit werden Treibhaus und Kamin paradoxerweise zu Antagonisten des malignen Treibhauseffekts – indem Luft, durch die Sonne erhitzt und von einem Kamin angesaugt, durch grosse Turbinen gepustet wird. Um die Rentabilität zu sichern, muss man jedoch für eine monströse Betonerektion sorgen, ein kleiner Ventilator vor dem Kachelofen ist leider nicht genug. Abseits des Anti-Glühlampen- Aktionismus soll dieses Vorhaben demnächst von einer Firma namens EnviroMission umgesetzt werden, die ernsthaft eine 500 m hohe Betonröhre mit zwei Kilometer Treibhaus drumrum (Video) in den heissen australischen Wüstensand setzen will, wenn es sich denn bezahlen lässt, und zur Not könnte man da alle alten Glühlampen und Rinder reinwerfen.

Im trüben Europa sollte man darüber nachdenken, sowas über jede grössere Stadt zu stülpen, was dann auch unabhängig von der Sonneneinstrahlung funktionieren müsste. Ein netter Nebeneffekt des Riesenkaminbaus wäre auch die Verlangsamung der Erddrehung, so dass man noch mehr Zeit zum Klimaschützen hätte. Jetzt kann einem nur noch der verrückte kleine Ire Orbo zuvorkommen, der zwar die Welt retten, aber die Physik kaputtmachen würde.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Insellösung

Jan-Christoph Deinert | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


09.11.2006 | 01:04 | Alles wird besser | Vermutungen über die Welt

Systeme aufpolieren


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

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Ein Windows-PC mit dem Look and Feel eines Macs wäre doch ähnlich komisch wie ein intelligentes Schwein, das verwurstet werden würde, obwohl die Menschheit nur Äpfel essen will.
Trotzdem ist das Ganze nichts wirklich Neues. Das schmucke Programmpaket namens Flyakite OS X ist mehr als eine schlabbrige Skin, denn es betreibt ein totales Rebranding, das heisst: Alles, was nach Windows riecht, wird gründlich aus den Festplatten-Banlieues gekärchert.

Die Umkrempelung der Optik führt das kognitiv konditionierte Kleinhirn und seinen verlängerten Arm namens Mauszeiger zwar anfangs auf Abwege, die nach oben gewanderte Taskleiste sollte aber niemanden wirklich aus der Fassung bringen. Ausserdem ploppt alles Mögliche plötzlich auf enorm juvenile Weise durch die Gegend und macht dabei Geräusche, die wie die Vertonung eines Films mit kleinen Kätzchen klingen.

"Na und?" mag sich der Mac-Benutzer denken, der schon lange Windows in seinem Boot Camp herumexerzieren lässt. Die Ähnlichkeit von Windows-Sytemen mit der unberechenbaren, verdorbenen realen Welt ist allerdings nicht zu leugnen. Der Umstieg in die Apfelwelt führt zu einer Menge blinder Flecke. Mit Flyakite OS X dagegen hält man es ambivalent wie Salinger:
Thousands of little kids, and nobody's around – nobody big, I mean – except me. And I'm standing on the edge of some crazy cliff. What I have to do, I have to catch everybody if they start to go over the cliff.

Jan-Christoph Deinert | Dauerhafter Link | Kommentare (9)


01.11.2006 | 13:43 | Gekaufte bezahlte Anzeige

Wider die fruchtlose Saftsuche mit DoorOne


Gib mir deinen Saft, ich geb dir meinen. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Saft ist mehr als Flüssigkeit in oder von organischen Körpern, und fliessende Säfte sind für biologische Prozesse ähnlich essenziell wie der Cashflow für die Wirtschaft. Man merke: Saft ist Spass und hat ausserdem noch die allseits beliebten Vitamine. Der kreative Umgang mit Saft ist allerdings durch die Restriktionen der Fruchtsaftverordnung völlig am fruchtnektarverklebten Boden, sodass der konsumsensitive Mensch am Safteuphemismus Multivitamin wohl nicht vorbeikommt.

Historisch eigentlich nichts Neues: Mit dem richtigen Entsafter kann man die Missstände überwinden. Auf den tautologisch korrekten Weg zur Saftautarkie hilft der vitaminschonende Netzentsafter: DoorOne. Hier findet man eine willige Armada von Maschinen, die organische Körper zentrifugal zerschnipseln oder dezent zermalmen, nur um eines zu erhalten: Saft – so frisch und biologisch aktiv, dass er dann auch bald mal getrunken werden muss. Damit einem der matschige Perikarpkuchen nicht in Form von Trester um die Ohren fliegt, bietet DoorOne unter vielem die Wahl zwischen Geräten mit und ohne Fruchtfleischauswurf und erhöht die Mündigkeit des Suchenden noch durch kompetente Begriffserklärungen: Der automatische Auswurf erlaube laufendes Entsaften ohne Arbeitsunterbrechung – ein mächtiges Feature, das selbst die grösste Safttüte nicht bieten kann. Dazu sollte man auf eine ordentliche Ausgangsleistung achten, so 850 Watt klingen ganz gut, und schon präsentiert DoorOne ein Gerät, das aussieht wie R2-D2 mit Rucksack, aber ohne piepsende Sentimentalitäten daherkommt.

Den sprichwörtlich nostalgischen Weg des Saftköchelns, weg von mechanischem Rumgewirble, geht der Rommelsbacher EE 1505, der mit seinen 1500 Watt auch das zäheste Exokarp versaftet und dessen robustes Äusseres härter wirkt als Kruppstahl. Fast könnte man meinen, hinter dem Sunkist Saftprofi stecke doch ein Unterminierungsversuch der Saftlobby, aber der originäre Tropfschutz mit angedübelter Sunkist-Orange verwischt jeden Verdacht der Unauthentizität. Mit DoorOne steht man bald voll im Saft und gräbt der einfallslosen Industrie die Südfrüchte ab. Das ist mehr als nur Pürieren.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Das neue System der Dinge

Jan-Christoph Deinert | Dauerhafter Link


03.10.2006 | 05:37 | Alles wird schlechter | Vermutungen über die Welt

Reichtum und Selbstbetrug


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Mal angenommen, eine autoritäre Instanz wie das Bundesverfassungsgericht behauptete, das Deutsche Reich bestünde fort, es würde allerdings mangels ausführender Organe nichts mehr reissen können (1973), so ermöglicht die praktische Dismembrationstheorie, die den Untergang des Überstaates durch Zerstückelung in neue Einheiten erklärt, dennoch einen ruhigen Schlaf.

Da schnellt jedoch ein Arm empor und ein Stimmlein brüllt: "Hier, ich. Ich bin das fehlende Organ. Und ich bin Präsident und Kanzler und Verkehrsminister." Diese Stimme ist nicht nur real, sondern meint es auch ernst. Bis vor einiger Zeit noch gehörte sie allein Wolfgang Ebel, der von einem Zehlendorfer Wohnzimmer aus das deutsche Reich kommissarisch betrieb. Die scheinbar restaurative Energie der Post-DDR-Phase brachte allerdings eine unübersehbare Zahl von Staatsoberhäuptern hervor, die meist ihre Legitimation und Anweisungen per Post vom alliierten Oberkommando beziehen. Das Staatsvolk besteht freilich nur aus den Regierungsmitgliedern selbst, die sich (dokumentiert vom "Lügensender ZDF")* im Nebel von Verträgen und Gesetzestexten verlieren.

Da sollte man stark hoffen, dass sich die Veranstaltung "Deutschland zu Gast in Schleswig-Holstein" (sic) nicht zu einer wüsten Klopperei entwickelt. Denn ohne einen Friedensvertrag* sind wir alle wohl noch mitten im Krieg.


*Anmerkung: Nazis und Ähnliche verlinken wir nicht. Daher hier zur eigenverantwortlichen Nutzung die URLs: http://friedensvertrag.info/cont/cms/front_content.php?idcat=423
http://friedensvertrag.info/cont/cms/front_content.php?idcatart=28&lang=1&client=1

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