Riesenmaschine

25.11.2005 | 02:27 | Anderswo

Glücklich sein in Pforzheim


Foto: wallyg
Die BBC hat ein neues, crazy Crossoverformat aus Reality TV, Dschungelcamp und Lebensberatung erfunden: "Making Slough Happy". Die Stadt Slough (sprich: Slau) liegt geringfügig im Westen Londons, wird vom benachbarten Windsor Castle überschattet und schreibt sich exakt wie die englische Vokabel für "Dreckloch", slough, ein Dreckloch, das zudem den meisten Briten, seien sie gebildet oder religiös, via John Bunyans protestantischstem aller Gleichnisse "The Pilgrim's Progress" als "Sumpfloch der Verzweiflung" ein Begriff ist. Schwere Zeichen haben sich über Slough zusammengebraut, das auch in der Serie "The Office" bekannt wurde. "It never rains but cats and dogs" wie der Engländer sagt. Oder auf deutsch, weil das ja auch eine schöne Sprache ist: Wer nicht im Dreckloch sitzt, werfe den ersten Schleim.

Prima Idee also, die Menschen in Slough, die, scheint's, ein wenig mürrisch sind, die zu ihrer Stadt ein tendenzielles Dooffinde-Verhältnis haben, aufzuheitern. Was konkret durch ein "happiness manifesto" geschehen soll, konkreter dadurch, dass man mit ihnen die schöne Natur aufsucht, die den Vorteil hat, schöner zu sein, als – Beispiel jetzt: – Slough, oder indem man sie auf einen Friedhof führt, wo sie lernen, es geht anderen in echt schlechter als dem Slougher an sich. Weil andere beispielsweise tot sind. Manche sogar schon seit längerer Zeit. Und keine Blumen.

Nachdem Programme, in denen man erfuhr, wie man einen Kreativdirektor verpflanzt in die Zeiten der Reformation ("und ich sage ihm noch, 99 Thesen? Ma geule, das ist doch soo Beigbeder"), bis zum Überdruss aus GB stibitzt und umgemendelt wurden, wäre es ziemlich mucho weit vorn, jetzt mutig zu sein – Impossible is Nothing! Warum sich nicht was Neues einklauen? And now for something completely Überraschendes: Zurück zum Textbeginn. Wie wäre es als Titel mit: "Glücklich sein in Pforzheim"? Na? Ja? Noch fucking surprisingly überraschender aber: Das war in echt noch gar nicht das Ende des Textes. Noch weiter vorne sind in diesem Fall nämlich – nein, nicht die Japaner, nicht die Koreaner –, sondern, scheiss die Wand an, ausgerechnet die Amerikaner: Big Brother TV mit Realitytieren aus dem Dschungel.

Martin Bartholmy | Dauerhafter Link


14.11.2005 | 11:15 | Anderswo | Zeichen und Wunder

Totalitarismusrebranding


Foto: benpaarman
Diktatoren und Branding, verschwisterte Welten sind's, lange schon. Im Regelfall lässt der Autokrat sich auf Briefmarken drucken, auf Münzen prägen, benennt einige Städte nach sich, Strassen und Flughäfen sowieso, vielleicht auch ein Gewässer, besser noch einen Berg. Manche gehen weiter und veranstalten ein Rebranding von Monatsnamen, siehe Juli und August, wobei dieses Beispiel, das lange in Vergessenheit geraten war, nun wieder Schule zu machen scheint. Der Herrscher Turkmenistans nämlich, Saparmyrat Nyýazow, auch bekannt als Turkmenbashi ("Führer aller Turkmenen"), liess den Januar umbenennen in – genau – Turkmenbashi. Der April dafür bekam den Namen seiner Mutter.

Und mit der Mutter hat er's. Da Nyýazows Bild und Name im Lande inzwischen allgegenwärtig sind, kam er auf eine neuartige Idee. 2002 änderte er das Wort für "Brot" (chorek) um in, wiederum, den Namen seiner Mutter. Brot heisst in Turkmenistan seither Gurbansoltan edzhe. Im übrigen gilt: Nenne Brot nie "chorek", sonst wächst dir dort, wo der Kopf sitzt, vielleicht bald keiner mehr. Ob Turkmenbashi auch nach seinem Vater etwas benannt hat, wissen wir nicht. Anbieten würde sich das Elektrokabel, könnte man dann doch, das lange schon langweilende ödipale Muster variierend, den Vater löten und anschliessend die Mutter dick mit Butter beschmieren.

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23.10.2005 | 20:33 | Supertiere | Alles wird besser

Würg die Vogelgrippe ab


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
In – natürlich – Taiwan hat man ein neues, sinn- und lehrreiches Spielzeug gebaut, das Choke-A-Chicken, ein Hühnchen, das, packt man es am Hals und würgt es, wild kreischt und mit den Flügeln zappelt. Australische Tierschützer finden das nicht lustig, denn, so meinen sie, das Spielgerät könne kleine Kinder dazu verführen, auch Hansi, dem Wellensittich, eben mal den Hals umzudrehen.

Wobei, auch solch ein Missverständnis kann eine lehrreiche Erfahrung sein. Das Choke-A-Chicken watschelt nämlich einher, spielt eine Melodie und führt dazu den Entchentanz auf. Erwürgt man es, ist es aber gar nicht kaputt, sondern, lässt man von ihm ab, watschelt und tanzt es unverdrossen weiter und lehrt so das Kind, dass Dinge mit Batterie anders ticken als solche, die bloss Körner fressen. – Gut zu wissen!

Viel wichtiger aber ist der volksgesundheitliche Effekt. Bei der Massentötung von Geflügel im Kampf gegen die Vogelgrippe kommen zur Zeit entweder die Behörden nicht nach, oder aber die betroffenen Bauern wehren sich. Was wäre also sinnvoller als ein Spielzeug, das schon die Kleinen zu Experten im Hühnerwürgen macht. Würde nur die WHO überall Würgehühnchen verteilen, Geflügel-Pandemien müssten sich bald schon sehr warm anziehen.

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12.10.2005 | 14:10 | Zeichen und Wunder

Lange Leitung (schnurlos)


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Bei base hatte man eine ungefähr lustige Idee: Für angeblich günstige Handytarife werben, indem man ein Wortspiel mit "Länge" macht, zum Beispiel "Hier kommt es nicht auf die Länge an", darunter Kleingedrucktes setzen, das die Tarifdetails erklärt, dann auf A4-Plakate drucken und über – hihihi – Pissoirs aufhängen. 'Sie verstehen? Hier kommt es nicht auf die Länge an? – Ulkig, nicht?'
Naja, eher ist es so eben mal mittellustig. Lustig jedoch, wenn das Spässchen Nachhintenlosgoing macht, nämlich das bewusste Plakat auf der Lesehöhe von 1 Meter 65 grossen Menschen hängt und jeder, der wie der Korrespondent ein Quantensprünglein diese Mädchengrösse überragt, auf den ersten Blick erkennt: Wohl kommt es auf die Länge an. Wonach man sich die Mühe spart, in die Knie zu gehen, um das Kleingedruckte zu lesen – wird es ja gleichmassen unwahr sein.

Martin Bartholmy | Dauerhafter Link


23.08.2005 | 12:42 | Was fehlt | Sachen anziehen

Eidechsentrikots

Im Fussball hört man oft von Textilfouls. Seit einiger Zeit soll dieses Zerren am Trikot des Gegenspielers vom Schiedsrichter hart abgestraft werden. Nichts gegen gewisse Neuerungen im Regelwerk. Aber liesse sich die Sache nicht auch interessanter, und – bionisch gesprochen, man lernt ja vom Tier dieses und jenes – eleganter lösen?

Auftrag also an die Biotechnologen: Schafft ein, zwei, elf Eidechsentrikots. Solche Leibchen nämlich, die sich, sobald der Gegener sie grapscht, nicht in die Länge ziehen und den so Gegrapschten zu Fall bringen, sondern die statt dessen, der Eidechse Schwanzende analog, abfallen um sich danach noch einige Zeit lang dribbelnd auf dem Rasen zu winden, während der verbliebene, enthuschte Rest-Kuranyi den Ball unterdessen gemütlich im kurzen Eck verstaut. Wir sähen das gerne. Und auch in den Zeitlupen, die dann ggf. im Splitscreen-Modus, hier abgeworfenes Trikot, da Stummeltrikot, wiederzugeben wären – mit doppelter Trikotwerbung! – gäbe das einiges her, den Sponsoren-heischenden Vereinen sogar das Doppelte.

Martin Bartholmy | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


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