Riesenmaschine

12.08.2007 | 13:39 | Anderswo | Was fehlt | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Pfui pfui


Voffer gör hon på detta viset...? (Rumpelwicht, Gerichtsskizze) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Märchen- und Sagenfiguren: Irgendwann zwischen Pleistozän und Flandrischer Warmzeit traten sie mit einer Plötzlichkeit aus dem Schatten der Evolution, dass es versteinerten Farn vor Neid bröckeln lässt. Meerjungfrauen, Werwölfe, schuppige Basilisken, die Ritter von der Tafelrunde, Mainzelmännchen und weisse Kaninchen mit Taschenuhren... die meisten von ihnen dienten der Hebung des Artenreichtums in germanischen Wäldern und südlicher See, einige als Kinderschreck und Alzheimer-Alibi von Urgrossmüttern, doch fast alle – bis auf Mainzelmännchen und Vorgartenzwerge – haben ihren Dienst längst quittieren müssen und wurden im Survival of the Fittest von Klingonen und Weltraumquallen abserviert.

Dies gibt Anlass zu einiger Besinnung, vorallem aber zu der Frage: Was ist eigentlich aus den schwedischen Rumpelwichten geworden? Die possierlichen Waldbewohner, kaum grösser als ein aufgetürmter Haufen Elchlosung, traten das letzte Mal in Astrid Lindgrens Lokalmäre "Ronja Rövardotter" in Erscheinung, heute aber ergeben Umfragen, dass nichtmal mehr 10% der schwedischen Kinder wissen, wer oder was so ein Rumpelwicht überhaupt ist. Die scheuen Wichte scheinen sich anderen Verrichtungen zugewandt zu haben, als Waldböden zu düngen und Statistenrollen in den Hirngespinsten alter Ammen zu übernehmen. Die Älteren unter uns erinnern sich noch: Rumpelwichte, kleine, moosbehangene Wesen mit Haselnusskollier, schrumpeliger Oberfläche und fortgeschrittenem Effluvium auf jenem Körperteil, der bei anderen Wesen der Kopf genannt wird – klein, ubiquitär, gut getarnt, aber so listig wie eine Stinkmorchel und kognitiv mehr im Pupsland beheimatet als in der lichten Realität – pflegten sie doch alles und jeden mit einer verdriesslichen Litanei von Kommentaren wie "Pfui pfui" und "Wiesu denn bluss?" zu bedenken. Was ist also aus ihnen geworden? Böse Zungen behaupten, sie seien wegen Diskriminierung aus dem Verkehr gezogen worden, denn das schwedische Wort für Rumpelwicht lautet "rumpnissar" und lässt sich auch als "Hinternkerle" übersetzen. In Zeiten, in denen die schwule Schrebergartenbewegung noch nicht sehr ausgeprägt ist, keine sehr passende Analogie.

Ruben Schneider | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


29.06.2007 | 11:08 | Vermutungen über die Welt

Endlich: Motu proprio


Papst Benedikt XVI.: Elegantia, per favore! (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Alle forderten es, Harald Schmidt forderte es, Eckhard Henscheid forderte es und Ludwig Wittgenstein, und auch wir haben an anderer Stelle verlangt, dass die lateinische Sprache umgehend abgestaubt, restauriert und rehabilitiert werden muss. Wenigstens in Rom wurde der Ruf gehört und Papst Benedikt XVI. reagierte nach italienischen Verhältnissen postwendend und hat die Heilige Messe nach dem alten lateinischen Ritus wieder freigeschaltet. Hoffnung keimt, dass sich die älteste Institution der Welt wieder auf ihre noblen Formen besinnt und einsieht, wieviel Schmerz und Leid nach der Liturgiereform durch selbstgestrickte, auf der Ökogitarre hingeklampfte Knuddelgottesdienste verursacht wurde.

Ruben Schneider | Dauerhafter Link | Kommentare (7)


23.06.2007 | 00:24 | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Noah und die veganen Fleischfresser


War Noah ein Öko? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Anachronismus ist, wenn man an das Heute den Massstab von früher anlegt und sagt, früher sei alles besser gewesen. Katachronismus ist, wenn man an das Früher den Massstab von heute anlegt und sagt: Früher war alles schlechter. Katachronismus ist es beispielsweise, wenn man meint: Die Bibel sei Mist, weil sie so unmodern unwissenschaftlich daherkommt. Präzise Begriffsdefinitionen und formallogische Klarheit sind aber eine theologische Erfindung, die es zur Zeit der Bibel einfach noch nicht gab. Zur biblischen Zeit war die Stimmung noch exaltierter und weniger pedantisch. So kommt es, dass in der Bibel paradoxerweise der Veganismus die Quelle allen Übels und zugleich die Errettung davon darstellt: Hätten Adam und Eva die Schlange gefressen, statt den Apfel, wäre die Welt noch in Ordnung – hätte aber Noah in der Arche die Tiere verspeist, wäre die Welt hingegen im Eimer.

Ein bisschen anachronistisch ist es auch, wenn Greenpeace auf dem Berg Ararat in der Osttürkei eine Arche Noah nachbaut, um damit gegen den G8-Gipfel und für die Umwelt zu demonstrieren. Denn am Berg Ararat setzte die Arche auf, als die Umweltkatastrophe der Sintflut bereits vorüber war (1 Mose 8,4). Katachronistisch dagegen ist die Meinung, derjenige, der damals die Schöpfung rettete, könnte nur ein moderner, tierfreundlicher Öko gewesen sein: Denn nicht nur die Bibel berichtet von der Sintflut, es gibt auch noch das Gilgamesch-Epos, in dem der uns bekannte Noah der sumerische König Utnapischtim ist. Und was macht Utnapischtim, bevor er mit seiner Arche die Anker lichtet: Er frisst (abgesehen von seinem Feldvieh) alles Leben und Getier in einer rauschenden Orgie auf.

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11.06.2007 | 04:56 | Anderswo | Was fehlt

Religion im Kühlschrank


Live aus dem Kühlgehäuse: Galileo Tucci (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Vor knapp 400 Jahren gab es in Rom einen Mordskrach zwischen einem Physiker und der Kirche: Die Kirche versuchte vor Gericht einem altersstarren Naturforscher namens Galileo Galilei die höchst moderne Idee zu vermitteln, dass alle wissenschaftlichen Theorien nur als falsifizierbare Hypothesen vertretbar seien, kurz: dass seine Forschungen möglicherweise auch kompletter Humbug sein könnten. Für Galilei ein inakzeptabler Affront. Wofür er auch Hausarrest bekam. Die Kirche war beleidigt und die Lorbeeren für ihre bahnbrechende Idee der prinzipiellen Falsifizierbarkeit erntete im 20. Jahrhundert dann der Wissenschaftstheoretiker Karl Popper.

Rom, 400 Jahre später: Galilei ist rehabilitiert, doch es herrscht schon wieder Krach vor Gericht zwischen Physikern und Kirche. Die Sendemasten von Radio Vatikan funken so stark, dass es in Rom aus Kühlschränken erklingt. Ein inakzeptabler Affront, finden sachverständige Physiker. Wofür der zuständige Kardinal Roberto Tucci auch zehn Tage Knast bekam. Doch jetzt wurde Tucci rehabilitiert. Es muss sich noch zeigen, ob seine bahnbrechende Idee Schule macht: Religion aus dem Kühlschrank. Vielleicht ernten auch wieder andere die Lorbeeren, die missionierenden Mormonen zum Beispiel, die nicht mehr mühsam an der Haustüre klingeln müssen, wenn sie die Leute direkt an der Kühlschranktüre erreichen können. Aber dann aufpassen, sagt Popper: Vielleicht alles nur haltloser Quatsch, was Ihnen Ihr Kühlschrank erzählt.

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26.05.2007 | 12:59 | Was fehlt | Sachen anziehen

Heiligendamm leichter gemacht


Dank Mithril: In Zukunft weniger Staatsmasse. (Bild: Wikimedia, Lizenz)
Für G-8-Gegner ein Reizsymbol, für den Staat keine Zier: Die klobigen beschusshemmenden Westen, die Polizisten in kniffligen Situationen tragen müssen. Bis zu 30 kg Schlagschutzkleidung schleppt der Amtmann bisweilen am Oberkörper mit sich herum – bei den sommerlichen Temperaturen in Heiligendamm sicher keine Freude, und nicht jeder kann sich eine kugelsichere Weste in Form eines klimatisierten Papamobils leisten oder lässt wie der ugandische Diktator Idi Amin Bomben an seinem Brustkorb abprallen. Noch unfairer: Für Staatsoberhäupter ist das Risiko, vom aufmüpfigen Pöbel eins abzubekommen, ohnehin wesentlich geringer als bisher vermutet: Die Wahrscheinlichkeit eines Anschlags beträgt lediglich 0,3 Prozent. Also wäre doch eigentlich alles easy, Herr Schäuble, warum dann dieses Aufgebot? Jedoch, die Leichtigkeit, mit der Staatsleute durchs Leben flanieren, könnte nun auch dem Schutzpersonal zuteil werden, denn jetzt stehen leichtgewichtige Nanotube-Textilien in den Startlöchern des technischen Fortschritts, so leicht wie eine Feder und so hart wie ein Drachenpanzer. Um Humanität zu demonstrieren also sofort vorbestellen, Innenministerium!

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