20.11.2007 | 22:35 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder
Nach der seit Erich Fried tradierten Methode "Schreibs untereinander und es ist ein Gedicht!" lässt sich fast jedes vorgefundenes Alltagsmaterial in Poesie verwandeln – und dabei mitunter erheblicher Effekt erzielen, wie das Beispiel Donald Rumsfeld demonstriert. Nicht selten tauchen selbst im niedersten Schlagermilieu ungewohnte Versatzstücke humanistischer Bildung auf, wie bei den Puhdys die Vokabel "jegliches". (Die Erklärung in diesem Fall lautet, dass Ulrich Plenzdorf ihnen den Text geschrieben hat.) Ein vergleichsweise neues Phänomen (auch wenn bereits ein Institut zu seiner Erforschung gegründet wurde) ist, dass auch in Porno-Spam-Mails immer öfter Einsprengsel einer längst verflossen geglaubten Hochkultur aufscheinen. Neu ferner, dass diese nicht durch blosse formale Manipulation erzeugt werden, sondern von umfangreicher literarischer Prägung und Sensibilität der Verfasser künden – und die Rede ist nicht von wahllos zerhackten Shakespeare-Fragmenten am Ende, die einzig dazu dienen, Spam-Filter auszutricksen, sondern von echter Verschmelzung von Form und Inhalt. So erreicht uns jüngst jene Mitteilung aus der Feder eines gewissen Newton Heyes, nahezu formvollendet abgefasst in jambischen, bzw. daktylischen Hexametern:
Gaenzlich faustdicke hinter den Ohren hat es die knusprige Aleksandra! So jungfraeulich schaut sie aus und dann bumst sie wie ein Haeschen. Als der Riesen Pimmel danach schlagartig in ihren Knack-PoPo eintaucht, Dreht die reizvolle Hure beinahe durch vor Geilheit! Besser geht es schon so gut wie nicht mehr, oder? Das sensationelle verdorbene Angebot, koste es gleich.
Fast meint man, hinter der ersten Zeile eine ironische Anspielung auf Schillers "drinnen waltet die züchtige Hausfrau" zu vernehmen – ein Detail, das echte Meisterschaft erkennen lässt. Dass das Versmass stellenweise hoppelt wie ein Häschen, muss man bei eingehender Betrachtung als gekonntes Stilmittel auslegen. Wie viel Sorgfalt der Verfasser, der unter wechselnden Absender-Pseudonymen zu schreiben scheint, darauf verwandt hat, lässt sich ermessen, wenn man eine ältere und unausgereiftere, noch halbherzig mit Endreimen operierende Variation desselben Stoffes daneben hält, die, schon vor geraumer Zeit publiziert, unser initiales Interesse wachgerufen hatte:
So richtig faustdigge hinter den Horchern hat es die heisse Anni. So unschuldig schaut sie aus und dann nagelt sie wie ein Bunny. Als der Mega Schwanz dann blitzartig in ihren Popo verschwindet, Dreht die junge Hure fast durch vor Begierde! Perfekter geht es bereits gar nicht mehr, oder?
Nein, gemessen am mittlerweile erreichten Perfektionsgrad ist viel Luft nach oben wahrlich nicht mehr. Wahrhaftig ist hier ein sprachbegabtes und feinsinniges Talent am Werk, das gleichwohl vor der Anwendung sprachlicher Drastik nicht zurückschreckt. Dennoch wollen wir uns noch nicht ganz zufrieden geben und stattdessen mehr noch vom sensationell verdorbenen Angebot kosten. Lieber anonymer Autor: Jetzt bloss nicht "abschlaffen"! Zu astreinen Distichen fehlt nur noch das allergeringste Quentchen. Und zur Not schicken wir einen lyrisch versierten Fluffer aus unseren Reihen vorbei.
20.11.2007 | 06:00 | Alles wird besser
 Nebelernte (typähnlich) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Die Israelis Joseph Cory und Eyal Malka haben einen Preis gewonnen, für ein neues, portables Gerät zur Gewinnung von Wasser aus Luft: Man faltet eine invertierte Pyramide aus einer Art Stoff auf, hängt sie an Bäume und wartet, bis sie aus der Luft der Umgebung Wasser gemacht hat, das sich in der Spitze der Pyramide ansammeln wird – angetrieben von den einfachen physikalischen Mechanismen Schwerkraft und Geduld. Damit kann man nicht nur Nebel ernten, wie mit herkömmlichen Wunderplanen, sondern auch Morgentau, Abendtau, Klammfeuchte und Inkontinenz (die von Vögeln), vermutlich auch Regen, wenn man's drauf anlegt. Ökonomisch kaum verständlich, warum das Gerät ausgerechnet in Gegenden verkauft wird, wo es überhaupt kein Wasser gibt. Schottland dagegen scheint kein Interesse zu haben.
(via Technovelgy)
18.11.2007 | 00:43 | Anderswo | Alles wird besser
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Länder! Was wären wir ohne sie. Doch – es gibt solche und solche, und es gibt Island. Island ist das jüngste unter allen Ländern überhaupt, erdgeschichtlich ist es mit 20 Millionen Jahren gerade mal in der Pubertät, während die anderen Kinder in der Klasse mindestens 200 Millionen Jahre alt sind und auch noch alle aus der gleichen Familie stammen. Diese Aussenseiterposition hat Island frech umgedeutet und ist nun die coole Sau in der Kontinenteschule, und zwar in den Fächern Aussehen, Natur, Action und Bewohner. Nur Klima verhagelt Island regelmässig das Zeugnis. Aber sonst herrscht angenehme, drucklose Innovation. Es wird nicht einfach bei der Inneneinrichtung mit Copy & Paste gearbeitet wie so oft, sondern auch scheinbar notwendige Standards werden hinterfragt. Bäume etwa hat Island als ständig im Weg herumstehend erkannt und abgeschafft, stattdessen stehen überall hübsch geformte (und wesentlich haltbarere) Dekofelsen herum. Auch auf Beschwerden ("ist ja gar nicht grün") hat Island reagiert und seine gesamte Oberfläche mit grünem, weichem Moos überzogen. Die Klimaschwäche, ausgelöst durch eine hartnäckige Regenveranlagung und übertriebene Kühlheit, gleicht Island von innen wieder aus: Island ist das einzige Land mit eingebauter Fussbodenheizung. Die felsigmoosige Landschaft auf dem Foto etwa, ein Teil der blauen Lagune, gewinnt noch an Attraktivität, wenn man weiss, dass das weisslichblaue Wasser etwa 37 Grad warm ist und an Menschen gewöhnt; dazu kann man sich den weissgrauen Schlamm vom Grund des Wassers ins Gesicht schmieren und wird gefühlte Verbrennungen neunten Grades erleiden, aber schon nach dreissig Minuten klingen die Schmerzen ab und die Gesichtshaut fühlt sich an wie ein frisch aus der Plazenta geschältes Kaiserschnittkälbchen. Stehend warmes Wasser mit Peelingmöglichkeit auch im Winter – andere Länder könnten ruhig einmal ihre vulkanischen Aktivitäten feinjustieren, anstatt lange nichts zu tun und dann alles aufeinmal nachholen und mit heissen Steinen um sich werfen. Dieser Beitrag soll der Start sein zu einer losen Serie über Island, einem Ort, der sehr viel mehr richtig macht als falsch und wer kann das schon von sich behaupten.
16.11.2007 | 12:11 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder
 Man darf hoffen, dass solcherart dunkle, nur von in Duschköpfen integrierte LEDs beleuchtete Räume bald der Vergangenheit angehören werden. Bild: Luccon.Es soll der Bauindustrie später niemand vorwerfen, sie hätte sich nicht bemüht. Das Gegenteil ist der Fall: bereits vor zwei Jahren brachte sie das Licht aus der Leitung auf den Markt und neu gibt es jetzt lichtdurchlässigen Beton zu kaufen.
Er ist zwar noch sehr teuer, aber trotzdem: Es geht rasant voran auf dem steinigen Weg zur Erfüllung des uralten Menschheitstraums, Tageslicht nicht nur draussen, sondern auch im Haus zu geniessen. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, wird demnächst irgend jemand sogenanntes Glas erfinden – ein Zauberstoff, von dem SciFi-Autoren seit Jahren fabulieren. In dieser gut ausgeleuchteten Zukunft wird man von der Dusche aus die Passanten auf der anderen Seite der Wand klar und deutlich und komplett in Farbe sehen können!
13.11.2007 | 17:33 | Alles wird besser | Sachen kaufen | In eigener Sache
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Noch sechs Wochen bis Weihnachten – Anlass und Gelegenheit, sich wieder verstärkt den uralten, fundamentalen Menschheitsfragen zu widmen, die im besinnungslosen Trubel des Jahreslaufs allzu schnell unter den Tisch fallen, nämlich: "Was soll ich dieses Jahr zu Weihnachten verschenken?", sowie: "Was soll ich mir dieses Jahr zu Weihnachten wünschen?" Diesmal wird es so leicht fallen wie noch nie, die richtigen Antworten zu finden, denn es gibt mit dem brandneuen, exklusiven Shoposkop eine bequeme Möglichkeit, den Persönlichkeitstyp des zu Beschenkenden sowie geeignete Geschenkvorschläge zu ermitteln. Das Shoposkop wurde von führenden Wissenschaftlern der Zentralen Intelligenz Agentur entwickelt, von Riesenmaschine-Chefgrafiker Martin Baaske illustriert, es operiert nach der eigens erfundenen Rated Tagging Method und irrt sich nie.
Machen wir einfach einmal einen Testdurchlauf, indem wir ein Weihnachtsgeschenk suchen für – nun, wir wollen es der Maschine nicht zu einfach machen, deshalb wählen wir probehalber einen durch und durch unsympathischen Menschen, für den uns überhaupt kein Geschenk einfällt. Wir suchen also – wie gesagt, es handelt sich nur um ein Experiment, eine Versuchsanordnung, um die Leistungsfähigkeit des Shoposkops zu prüfen – ein passendes Weihnachtsgeschenk für Adolf Hitler.
Das Shoposkop lässt uns mit diversen Schiebereglern und Koordinatensystemen spielen, wobei wir fünfzehn kurze Fragen zur Person zu beantworten haben. Nichts leichter als das: Der Betreffende wollte schon immer etwas mit Menschen machen, aber auch mit Medien. Er geht nicht aus dem Haus ohne Taschenmesser. Lieblingsfarbe: Braun. Ein klares Nein zu den Aussagen "Weniger ist mehr" sowie "Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geliehen", ein ebenso klares Ja zum Satz "Was uns nicht tötet, macht uns hart". Andere Fragen sind kniffliger: Was findet er wichtiger, Kunst oder Sport? Beides ungefähr gleich, soweit wir informiert sind. Und ist er mehr nett oder mehr sexy? Hm, eindeutig nichts von beidem. Aber beim Schnick-schnack-schnuck entscheidet er sich doch wohl für den Stein.
Schon können wir auf den Auswertungsbutton klicken, und das Shoposkop teilt uns sofort das Resultat mit: Adolf Hitler, so erfahren wir, ist "der naturverbundene Kitschkopf". Das trifft den Nagel ebenso auf den Kopf wie die nachfolgende Charakteranalyse: "Man ist, was man hat! Das Leben ist zu kurz um es ernst zu nehmen! Und Spass kennt keine Stilvorgaben und keine Regeln. (...) Sie wissen was gut ist. Und dass Sie das wissen, das dürfen gerne alle wissen." Eine luzideres Psychogramm haben auch sechzig Jahre Faschismusforschung nicht erbracht.
Und die Hauptsache: Das Shoposkop schlägt sechs konkrete Geschenkideen vor, aus denen wir wählen können. Gut, die RayBan-Sonnenbrille kann man sich wohl eher nicht so vorstellen, auch das Businesssocken-Geschenkset ist vielleicht nicht das Richtige, aber hier: Das Geniesserset Churchill. Perfekt, das nehmen wir. Ein paar weitere Klicks, und das Ding ist gekauft. Weihnachten kann kommen.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- flexibel reagieren
- Daniel Hechter
- Tiegel-Teuerling
- Expropriateure expropriieren
SO NICHT:
- Physiknobelpreis einfach aufessen
- Preisgelder versteuern müssen (außer Lebenswerk)
- RAZR V3 (hallo Software?)
- Topf-Teuerling
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Yakuza Apocalypse", Takashi Miike (2015)
Plus: 3, 33, 50, 96, 97, 103, 118, 143, 148, 149 Minus: 97, 102, 203 Gesamt: 5 Punkte
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