16.12.2006 | 14:09 | Anderswo | Alles wird besser | Was fehlt | Vermutungen über die Welt
 keine autonomen Systeme (Foto: brappy / Lizenz)Man kann der Natur so einiges und manches vorwerfen. Dass sie Kraut und Rüben sei zum Beispiel. Und dass der Wald nicht gekachelt ist, auch. Doch eines nicht: Dass Maikäfer abstürzen, wenn ihre zwei AAA-Zellen leer sind, Katzen sich alle zwei Stunden heimlich in die Ladestation im Flur setzen, um ihre Lithium-Ionen-Akkus aufzuladen und Ameisen auf die Strasse gehen, wenn Vattenfall die Strompreise erhöht.
Das liegt daran, dass die Natur im Gegensatz zum Menschen ihre Gadgets häufig als autonome Systeme gestaltet. Während der Mensch darunter eine Gruppierung versteht, die alljährlich zum ersten Mai die schöne Oranienstrasse kaputtwirft, statt zum Beispiel mal den Potsdamer Platz, meint die Natur damit, dass sich ihre Gimmicks die Energie, die sie zum Sachen-und-Dinge-Tun so brauchen, einfach selber machen. Es ist ja nicht so, dass die Fernsehfernbedienung beispielsweise keine Gelegenheit hätte, ihren Energiehaushalt zu decken: Im Laufe eines durchschnittlichen Fernsehabends wird zumindest auf die Kanalinkrementierungs- und -dekrementierungstasten eine Menge an mechanischer Energie ausgeübt, die umgewandelt den Strombedarf einer Kleinstadt deckt. Für sehr kurze Zeit zumindest. Genug jedenfalls für das kleine Infrarotlämpchen einer Fernbedienung, die dann ganz ohne Batterien auskäme.
Dass so etwas und noch viel tollere Dinge (Tapeten, die aus dem Lärm der Nachbarskinder Strom für die eigene Stereoanlage erzeugen, Mobiltelefone, die sich aufladen, wenn man seinen Gesprächspartner nur laut genug anschreit) tatsächlich funktionieren, beweist das Graduiertenkolleg Micro Energy Harvesting der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, obwohl es das überhaupt erst seit Oktober gibt. In einer Pressemitteilung heisst es: "Die Umsetzung dieser Vision wird zahlreiche neue Produkte ermöglichen und unsere Lebensumwelt in Zukunft vielfach beeinflussen." Eines dieser neuen Produkte könnte zum Beispiel die Rotationsenergie von Fahrradrädern dazu nutzen, Front- und Heckscheinwerfer mit Strom ... schon gut.
14.12.2006 | 05:35 | Alles wird besser | Listen | Zeichen und Wunder | Papierrascheln
 Mag jemand Götterfunken darauf reimen? (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) In irgendeinem schlimmen Film gibt es eine Autorin, die aufgeschnappte Schönworte säuberlich in ihre Kladde notiert, um sie später wieder von sich zu geben. Man könnte sich trefflich darüber aufregen, täte man es nicht auch, zum Beispiel bei Büchern, die nicht in der Muttersprache verfasst sind. Aber statt Kladden, Umschlagresten, Fahrkarten, oder Kassenbons, die man ins Buch klemmt, kann man seit ein paar Wochen endlich das Internet nutzen. Wordie, kürzlich in Wired vorgestellt, eignet sich vortrefflich zum Anreichern des eigenen Vokabulars mit Begriffen von Listen fremder Leute. Da viele dieser Worte lateinische oder griechische Wurzeln haben, lassen sie sie sich bequem ins Deutsche transferieren. Die Anschuldigungen der Anti-Anglizismenfront kann man geschickt mit der Wordie-Hitliste retournieren: Ganz oben steht mit Schadenfreude ein Germanismus. Ha. Fragt sich, ob in dem noch zu gründenden WortVZ auch Regio.Call ganz oben stünde – vielleicht könnten die Samwer-Brüder dafür mal ein paar Tausender versenken.
Für den obigen Beitrag wurden die folgenden Wortspiele geschont: Das ist ein mal ein Wort, jemanden beim Wort nehmen, mit eigenen Worten, zu Wort kommen, das Wort ergreifen, wortgewaltig, Wordiegung sowie der Unterschied zwischen Worten und Wörtern. Wir bitten um freundliche Beachtung.
13.12.2006 | 03:04 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt
 Hatte noch Keusches im Sinn: Pierre Teilhard de Chardin (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Als der Naturforscher Pater Teilhard de Chardin seine Noosphère postulierte, meinte er damit diejenige künftige Phase der Evolution, in der die Menschheit zu einem einzigen Geist verschmelze, also quasi den letzten grossen Aufstieg der Materie zum Geist. Auch wenn seine Idee heute noch recht platonisch im Global Consciousness Project in Princeton weiterverfolgt wird, dreht sich stellenweise die Entwicklung naturalistisch um, vom Geist hin zur Materie: Die Verschmelzung der Menschheit zu einem einzigen Orgasmus. Am 22. Dezember sollen als Vorstufe dazu in einem Global Orgasm Project alle Menschen am selben Tag ihre Liebesenergie orgastisch gebündelt in das Weltbewusstsein einfliessen lassen, um so dem Weltfrieden einen ordentlichen Ruck zu verpassen – "at the time of your choosing and in the place of your choosing". Wenn also am 22.12. auf dem Weg zur Arbeit der Busfahrer auf freier Strecke Halt machen sollte, um sich für den Weltfrieden zu betätigen, wäre dies sogleich eine konkrete Gelegenheit, sich in Selbstbeherrschung und Friedfertigkeit zu üben.
12.12.2006 | 21:20 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser
 JCMT am Tage, die grösste Klorolle der Welt (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Laut Wikipedia steht die Abkürzung TES wahlweise für "Tropospheric Emission Spectrometer", "Tertiary Entrance Score", "Texniki Epagelmatiki Sxoli" oder "The Eulenspiegel Society", eine BDSM-Gruppe in New York. Das ist alles schön und gut, aber in Wahrheit ist TES natürlich "Transition Edge Sensor", ein neuartiger Lichtempfänger aus supraleitendem Material, der vor kaum zehn Jahren erfunden wurde und bald, das ist wirklich wichtig, alles revolutionieren wird. Denn schon im nächsten Jahr wird es SCUBA-2 geben (nein, zukunftsfeindliche Wikipedia, das hat nichts mit Tauchen zu tun), Nachfolger von SCUBA am JCMT, dem grössten Submillimeter-Teleskop der Welt. Was SCUBA-2, bestehend aus knapp 10000 TES, kann: Es sieht kalten Staub im Weltall, was normalerweie sauschwer ist, wie jeder bestätigen kann, der schon mal einen Kühlschrank saubergemacht hat. Invers betrachtet: Während herkömmliche Kaltstaubseher bessere Glühlampen sind, ist SCUBA-2 ein Flutlichtstrahler (invers!). Es sieht viel mehr kalten Staub als alles bisherige, weil schon ein einzelnes Photon, das dem Staub entkam, die Supraleitung unterbricht und so, ach, das wird zu kompliziert. Kalter Staub ist übrigens viel wichtiger als man so denkt, zum Beispiel weil er die Geburtsstätten von Sternen und Galaxien umgibt und durchdringt usw, aber wenn es nicht wichtig wäre, würde man ja auch kaum das ganze Geld aus diesem Fenster werfen.
12.12.2006 | 12:01 | Anderswo | Alles wird besser | Vermutungen über die Welt
 An der Typo könnte man noch feilen (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Im Jahr 2006 werden für Werbung insgesamt schnuffige 391 Milliarden Dollar ausgegeben werden. Das also ist der "Werbekuchen", von dem medial ständig herummetaphert wird. Dabei sei laut dem Zentralorgan der deutschen Werbewirtschaft, der W&V, "weltweit ein Trend erkennbar, Budgets von above-the-line- in below-the-line-Aktivitäten umzuschiften, um stärker den direkten Dialog zum Kunden zu fördern." Gut und schön, bzw. schlecht und hässlich, je nach dem, wie man zum direkten Kundendialog so steht, solche Massnahmen reichen ja vom Blutspendebus in der FuZo über Spam bis zum gesponsorten Guerilla-Event, das man doof findet, ausser man wird selbst gesponsort oder es gibt umsonst zu trinken.
Für den direkten Kundendialog hatten wir schon vor einiger Zeit einen neuen Trend ausgemacht, nämlich die Neue Werbeehrlichkeit. Jetzt gesellt sich zur Ehrlichkeit offenbar auch der Neue Minimalismus, folgend dem besten Werbeclaim jemals, "reduce to the max". Jedenfalls beim Immobilienmarketing in Bremen, wo die nebenstehende Aufnahme entstand. Zum einen ist mit dem Leuchtschild "Ladenfläche 160qm" bereits alles gesagt, denn der Ort steht fest und der Preis ist sowieso Verhandlungssache. Zum anderen zeugt es von solidem Glauben an die eigene Sache, wenn der Vermieter die Ladenfläche über die naturgegebenen Leuchtmittel des Ladens selbst kommuniziert. Hurra, die Welt wird endlich wieder einfacher, die Überforderung durch Überkomplexität, unter der alle (Jeder!) leiden, hat bald ein Ende. Ausser der Laden heisst wirklich so und es hat mit Metaebenen zu tun. In diesem Fall ist Bremen zu meiden.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Melkfett statt Nivea
- über den Verbleib von F.R. David rätseln
- Photoshop-Fälschungen (manchmal)
- Bergschrund
SO NICHT:
- Arbeitgeberweihnacht
- Stanzabfälle (scharfe Kanten)
- in der Traufe taufen
- hadern und zaudern
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Syriana", Stephen Gaghan (2005)
Plus: 3, 42, 68, 69 Minus: 45, 106 Gesamt: 2 Punkte
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