16.11.2006 | 05:41 | Anderswo | Alles wird besser
 Kind ohne Playstation Foto: Jessica Welborn / NamasteDirectViele Menschen kennen das Problem: Auf dem Konto türmt sich das Geld zu Bergen, und man kommt mit dem Kauf von Produkten wie den hier täglich vorgestellten kaum nach. Vor allem ist die Wohnung irgendwann voll, und wer glaubt, er könne einfach ein paar überschüssige Designerregale und Playstations in der Dritten Welt unterbringen, wo die Menschen hin und wieder noch etwas Platz übrig haben, der wird von prohibitiven Portokosten daran gehindert.
Aber wo der Überfluss am grössten ist, da wächst das Rettende auch. Beklagten wir kürzlich noch, dass man gar nicht denjenigen Menschen einen Wasserbüffel schenken kann, die gern einen Wasserbüffel hätten, so müssen wir uns jetzt von Kevin Kelly eines Besseren belehren lassen: Bei NamasteDirect kann man sein Geld zwar nur in Guatemala und Mexiko loswerden (also nicht für Wasserbüffel), das aber dafür relativ direkt. Die Empfänger kaufen sich – wie man auf Wunsch haarklein erfährt – von dem Geld dann seltsames Zeug, ein Zwiebelfeld oder zwei Ferkel etwa, aber: besser sie als wir! Für ein Zwiebelfeld reicht der Platz hier beim besten Willen nicht.
15.11.2006 | 00:55 | Alles wird besser | Alles wird schlechter | Sachen kaufen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Ist es gut, dass vieles, wofür man früher einen Gegenstand kaufen musste (Wecker, Kalender, Taschenrechner, Radio, Fernseher, CD, Buch, Brettspiel, Landkarte, Notizzettel, Telefon, Briefpapier, Teleskop, Overheadfolie, Kleinstlebewesen, Fotoalbum, Spiegel), inzwischen von Software erledigt wird, die keinen Platz mehr wegnimmt und nur selten verlorengeht? Oder wäre es noch besser, wenn man stattdessen oder zusätzlich wieder ein im Weg herumstehendes Produkt hätte? Ein WLAN-Radio wie das oder das hier zum Internetradiohören, einen Ambient Orb für alles Mögliche, oder eine Ambient Clock (via Productdose), die den eigenen Google-Kalender anzeigt? Noch lebt die Ambient Clock in einem grauen Schattenreich, denn noch ist sie Software, aber schon bald soll sie Hardware werden. Bis dann müssen wir uns entschieden haben.
13.11.2006 | 01:09 | Anderswo | Alles wird besser | Essen und Essenzielles
 Das Neue Das AlteIn VivoCity, der gerade eröffneten grössten Shopping-Mall Singapurs, findet sich im zweiten Stock mit "Food Republic" der teuerste Foodcourt der Insel. Fünf bis sieben Millionen Singapur-Dollar (2,5 – 3,5 Millionen Euro) hat nach Angaben der Betreiber die Ausstattung der versammelten Garküchenstände und kleinen Restaurants mit echten Antiquitäten – Balken, Kacheln, Pferdewagen aus der Qing-Dynastie – gekostet, welche u.a. aus historischen Häusern stammen, die momentan in China beinahe flächendeckend abgerissen werden. So will man, wie Food Republic's Brand-Managerin Patsy Loo erklärt, Einheimischen und Touristen helfen "zu verstehen, wie es in Asien vor dem Krieg aussah, als es noch viele mobile Garküchen auf den Strassen gab." Das geht in Singapur tatsächlich nicht anders, denn mobile Strassengarküchen sind hier verboten, angeblich aus hygienischen, wahrscheinlich aber auch aus anderen Gründen. So kann, wer will, die Einrichtung der Food Republic auch als einen indirekten oppositionellen Akt in bester Tradition der Aufklärung lesen.
Unten im Basement 2 der Vivo-Mall hat sich dagegen das Ancien Régime eingenistet. Der Zuckerzeugsupermarkt Candy Empire ist zwar mit 1.000 qm gegen 8.000 qm viel kleiner als die Schlemmerrepublik, dafür aber auch reaktionärer. In der neu eröffneten Filiale hing bis vor kurzem ein Schild, das Rollstuhlfahrern das Einrollen untersagte. Nach heftigen Protesten ist das mittlerweile entfernt worden und die Royalisten haben sich entschuldigt, doch weitere Konfrontationen zwischen Reaktion und Fortschritt liegen in der Luft. In Singapur kursieren immer noch Aufrufe, das Zuckerimperium zu boykottieren. Damit nehmen die Brandmeldungen aus VivoCity noch kein Ende. Auf die Food Republic ist es bereits zu handfesten Übergriffen gekommen. In den ersten zwei Wochen nach ihrer Konstituierung wurden hier ausgerechnet ein sog. "Love Letter-Maker" und ein historisches Schild gestohlen. Ungeklärt ist bisher, von wem, aber die Zeichen verdichten sich, dass der auf Harmonie bedachten Waldorf-Mall ein revolutionärer Sturm bevorsteht. Naja, vielleicht auch nicht.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Shopping mit Rudi
12.11.2006 | 18:24 | Alles wird besser | Fakten und Figuren
Im Knie sitzt die Seele des Menschen, sagen jedenfalls irgendwelche Indianer. Wenn das stimmt, dann hat man nach dem Einbau künstlicher Kniegelenke endlich Ruhe vor dem faulen Schmarotzer, der seine Zeit ansonsten damit verbringt, die Füsse hochzulegen. Ausserdem erfährt man so endlich, was das (nun seelenlose) Titan-Knie den ganzen langen Tag so treibt, denn die Firma MicroStrain hat es geschafft, eine Wanze ins Knie einzubauen. Bisher meldet sie nur unnütze Testdaten, Kräfte und Drehmomente etwa, die auf das Knie wirken, einfach nur Zahlen mit Kommastellen also, aber das immerhin kabellos, energielos und vollautomatisch. Was man damit in Zukunft alles noch anfangen könnte bzw. wird! Man wird Bilder aus dem Knie (Blitzlicht) senden und live ins Internet stellen. Man wird per Skype mit seinem Knie reden können. Man wird jederzeit wissen, ob das Knie noch da ist und wie es ihm geht, also auch, wenn man auf Reisen ist. Man wird sein Knie bei Second Life anmelden, und beide Knie werden in Online-Rollenspielen gegeneinander antreten. Herrliche Möglichkeiten, dafür kann man ja wohl getrost auf die Seele verzichten.
12.11.2006 | 14:25 | Alles wird besser | Sachen kaufen
 "Das Rasterelektronenmikroskop beweist es." (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Zugegeben, die folgende Geschichte klingt schwer nach Pyramidenhut meets Antikalkulator.
Nichtsdestotrotz will sie hier erzählt werden: Es ist die Geschichte eines Patents von 1996 mit der Nummer 196 45 592. Sie beginnt mit dem Ärger von Ludwig Kemmelmeier über schnell abstumpfende Rasierklingen und endet fast schon mit der Erfindung des BladeMaster . Ein starker Dauermagnet sollte helfen, die hauchdünnen Schneidkanten von Systemklingen zu stabilisieren, zu härten und zu reparieren. Oder in der Sprache Kemmelmeiers: " Die ungeordneten Kristalle im Klingenstahl werden durch die Feldlinien des Magneten geordnet." Sämtliche Versuche, die Erfindung über einen der beiden Quasimonopolisten Wilkinson oder Gillette zu vermarkten blieben erfolglos. Kein Wunder, schliesslich gehören die Gewinnmargen bei Systemklingen zu den besonders lukrativen im Drogerie-Segment. Eine Vervierfachung der Lebensdauer von Rasierklingen? Da könnte die Industrie ja genau so gut das Nirosta-Auto, den ewigen Kalender oder die Feinstrumpfhose ohne Laufmaschen auf den Markt werfen! Der Erfinder schabte zunächst knapp an der Insolvenz vorbei und vermarktete den Scharfhalter selbst im Internet. Allmählich sprach sich der Spareffekt unter Nass-Rasierern und bei Bikini- Zonenkindern rum. Folge: Wirtschaftlich schneidet Kemmelmeier inzwischen ganz gut ab. Je teurer die 2-, 3-, 4- oder 5-fach-Klinge, desto schneller erreicht man die Gewinnschwelle . Auch wenn das jetzt schwer nach Milchbartmädchenrechnung klingt.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Vierkantmuttern
- friedlich arbeiten
- Kartoffel-Downgrading
- Patientenschonungsprinzip
SO NICHT:
- Fünfziger Jahre Plünnen (over and out)
- verkohltes Brät
- Glühbirne Helene
- schnöder Undank
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Train to Busan", Sang-ho Yeon (2016)
Plus: 11, 35, 79, 89, 119, 121, 148 Minus: 1, 46, 99, 140, 201, 202, 214 Gesamt: 0 Punkte
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