Riesenmaschine

01.08.2009 | 09:48 | Anderswo | Alles wird besser

Ein Tag im Finanzamt


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Füllgrabe standen die Schweissperlen auf der Stirn, aber gleich würde er es ihm zeigen. Keine zwei Monate waren vergangen, seitdem Niewöhner ihn in der vorletzten Sitzung des Arbeitskreises "Nutzeroptimierte Fassadengestaltung am Neubau Finanzamt Samuel-Beckett-Anlage 3-7" unangekündigt hatte auflaufen lassen. "Wenn ich Sie alle kurz nach draussen bitten dürfte", hatte er gesagt, und alle, stellvertretender Amtsleiter, Abteilungsleiter, Gleichstellungsbeauftragte, Personalrat, und Füllgrabe selbst in seiner Eigenschaft als Schwerbehindertenbeauftragter, waren ihm vor die Türe gefolgt, dorthin, wo die neue Briefeinwurfanlage projektiert war. Niewöhner hatte sich in einen von der Prothesenausgabestelle des benachbarten Sozialamtes eigens für diesen Anlass herbeigeschafften Rollstuhl geschwungen und demonstriert, wie sein Einfall, den normierten Standard-Briefeinwurfschlitz auf eine Höhe von 80 cm zu senken, es problemlos ermöglichte, ohne einen separaten Einwurfschlitz für Rollstuhlfahrer auszukommen. Das anerkennende Schulterklopfen des Etatverantwortlichen Vordemvenne für Niewöhner und der fast schon höhnische Blick in die Richtung, in der Füllgrabe sich etwas abseits postiert hatte, hatten sich tief bei ihm eingebrannt.

Die ersten Tropfen begannen bereits, an Füllgrabes Nase herunterzulaufen, als unter TOP 17 die "abschliessende Beschlussfassung zur Gestaltung der zentralen Briefeinwurfanlage" aufgerufen wurde. Er meldete sich sofort, kam auch als Erster auf die Redeliste und hob an: "Sie haben bei ihrer Planung die Belange der contergangeschädigten Rollstuhlfahrer vollkommen unterschlagen!"


05.07.2009 | 17:24 | Anderswo | Supertiere | Vermutungen über die Welt

Polizei, Osterei


Beim naturwissenschatlichen Überbau haben wir mal hemmungslos aus der Wikipedia abgeschrieben (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Schutzmimikry ist eine hübsche Form evolutionärer Anpassung: Tier 1 versucht wie das wehrhaftere und/oder ungeniessbare Tier 2 auszusehen, um von Tier 3 nicht gefressen zu werden. So ahmen beispielsweise Schwebfliegen das Aussehen von Bienen nach und Bockkäfer das von Wespen. Das ist übrigens nicht mit der Mimesis, der Tarnung durch Anpassung an die Umgebung, zu verwechseln.

Das umgekehrte Prinzip ist als Peckham'sche Mimikry bekannt: Hier tarnt man sich, um anzulocken, wie beispielsweise der Seeteufel oder die Orchideengattung Spiegel-Ragwurz, deren Blüten dem Dolchwespenweibchen ähneln und entsprechend von den Wespenmännchen befruchtet werden. Diese Form der aggressiven Mimesis betreibt auch die New Yorker Polizei: Mit harmlosen, nach den Prinzipien des japanischen Kawaii-Designs gestalteten Dreiradrollern patroulliert sie durch die Strassen. Am liebsten möchte man den kleinen Autos Nüsschen geben und sie streicheln, doch dann wird man verhaftet.

Es dürfte einige Generationen dauern, bis sich die Verbrecherpopulation New Yorks an die Veränderungen im Habitat angepasst hat und sie muss aufpassen, nicht in einen evolutionären Flaschenhals zu geraten. Vielleicht wird sie sich Flügel oder einen dritten Daumen wachsen lassen müssen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Spionadeversuch und Gogo-Gadgetto-Polizei


28.06.2009 | 07:34 | Anderswo | Papierrascheln | In eigener Sache

Automatische Literaturkritik Preis der Riesenmaschine für Karl-Gustav Ruch


Preisträger Karl-Gustav Ruch
Foto: Angela Leinen
Anderthalb Jahre hatten Autoren und 3sat-Autorenporträt-Teams Zeit, sich mit den öffentlich einsehbaren Kriterien der Automatischen Literaturkritik auseinanderzusetzen. Anderthalb Jahre, in denen offenbar vor allem darüber nachgedacht wurde, wie sich die Minuspunkte der Liste möglichst zahlreich abarbeiten lassen – an sich ein ehrenwertes Verfahren, vergleichbar etwa mit Josef Škvoreckýs "Sins for Father Knox", in dem der Autor mutwillig gegen die zehn von Ronald Knox aufgestellten Regeln für einen fairen Kriminalroman verstösst.

So konnte allein der Minuspunkt "Spiegel, Spiegelungen. Zwei Punkte für zerbrochene Spiegel, Brillengläser etc. (im Text oder im Porträt)" sechs Mal vergeben werden, davon einmal doppelt. Gleichauf lag Minuspunkt 93, "Paarbeziehungsthematik", dicht gefolgt vom fünf Mal fälligen Punkt 95, "Eltern-Kind-Thematik". Der Alison-Bechdel-Pluspunkt ("1. Zwei oder mehr Frauen, die 2. miteinander reden und zwar 3. nicht über einen Mann.") blieb – wie übrigens auch seit Jahren in der Automatischen Filmkritik der Riesenmaschine – ungenutzt.

Aber der Automatische Literaturkritik Preis wird nicht für sportliche Fingerübungen im Ansammeln von Minuspunkten vergeben, auch wenn Wolfgang Herrndorf vorschlug, 2010 vorzeichenunabhängig den höchsten absoluten Punktwert zu prämieren. Der mit 500 Euro und einer schönen Urkunde dotierte Preis geht daher um 10:45 an Karl-Gustav Ruch für seine Erzählung "Hinter der Wand", die mit zwei Pluspunkten den Bewerb für sich entschied. Gegen dieses Ergebnis ist umso weniger einzuwenden, als Ruch einer von nur zwei Autoren ist, die durch Erwähnung von Nagetieren den begehrten Pluspunkt 36 erlangen konnten. Zu Ehren des Autors ergänzt die Redaktion den Kriterienkatalog für 2010 um einen Karl-Gustav-Ruch-Pluspunkt für uncoole Einrichtungsgegenstände im Autorenporträt (hier: Hometrainer).

Knapp abgeschlagen hinter Ruch liegt Ralf Bönt mit 1 Punkt, gefolgt von Caterina Satanik, Andreas Schäfer, Lorenz Langenegger, Karsten Krampitz und Bruno Preisendörfer (je 0 Punkte). Alle Texte sind unter bachmannpreis.eu nachzulesen. Herzlichen Glückwunsch, Karl-Gustav Ruch!

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Automatische Literaturkritik Preis der Riesenmaschine für Tilman Rammstedt


27.06.2009 | 10:16 | Anderswo | Papierrascheln | In eigener Sache

Automatische Literaturkritik Preis der Riesenmaschine 2009 – Tag 3

Dieser Beitrag wird nach jeder Lesung aktualisiert. Auf übersehene oder falsch vergebene Punkte bitte in den Kommentaren hinweisen. Kriterienliste. Achtung: Einsendeschluss für übersehene Punkte ist Mitternacht von Samstag auf Sonntag.

Was bisher geschah:
Der Preis erklärt (2008)
2008, Tag 1
2008, Tag 2
2008, Preisverleihung
2009, Tag 1
2009, Tag 2

#11: Gregor Sander, "Winterfisch"
Plus: 2, 7, 10 doppelt, 11, 18, 26 einfach, 36
Minus: 4, 5, 6, 7, 16, 31, 43, 47, 54, 70 einfach, 76, 93, 95 einfach
Gesamt: -5 Punkte

#12: Andrea Winkler, "Aus dem Gras"
Plus: 1, 5, 7, 49
Minus: 7, 12, 32, 35, 46, 51, 61, 72, 91
Gesamt: -5 Punkte

#13: Katharina Born, "Fifty Fifty"
Plus: 1, 5, 7, 18
Minus: 1 einfach, 4, 5, 10 einfach, 22, 23 einfach, 36, 43, 63 einfach, 67, 75, 76, 93, 95 einfach, 100
Gesamt: -11 Punkte
(Minuspunkt 100 übersehen, nachgetragen)

#14: Caterina Satanik, "leben ist anders"
Plus: 1, 7, 10 doppelt, 11, 18, 33, 38 einfach
Minus: 10 einfach, 13, 17 einfach, 22, 24 doppelt, 93, 100
Gesamt: 0 Punkte

Kathrin Passig, Angela Leinen, Maik Novotny | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


26.06.2009 | 10:45 | Anderswo | Papierrascheln | In eigener Sache

Automatische Literaturkritik Preis der Riesenmaschine 2009 – Tag 2

Dieser Beitrag wird nach jeder Lesung aktualisiert. Auf übersehene oder falsch vergebene Punkte bitte in den Kommentaren hinweisen. Kriterienliste.

Was bisher geschah:
Der Preis erklärt (2008)
2008, Tag 1
2008, Tag 2
2008, Preisverleihung
2009, Tag 1

#6: Linda Stift, "Die Welt der schönen Dinge"
Plus: 1, 7, 11, 18, 22
Minus: 10 doppelt, 16, 24 einfach, 54, 73
Gesamt: -1 Punkt

#7: Ralf Bönt, "Der Fotoeffekt"
Plus: 1, 2, 7, 10 einfach, 14, 18, 20, 27
Minus: 18 doppelt, 29, 39, 53 einfach, 95 einfach, 109
Gesamt: 1 Punkt
(Minuspunkte 39 und 53 übersehen, nachgetragen. Minuspunkt 79, "Krankheit als Metapher" nach Beratung wieder entfernt.)

#8: Karl-Gustav Ruch, "Hinter der Wand"
Plus: 1, 2, 7, 10 einfach, 17, 22, 36, 38 vierfach
Minus: 5, 7, 8, 53 doppelt, 60, 70 doppelt, 73
Gesamt: 2 Punkte
(38 um einen übersehenen Punkt gekürzt, 36 nachgetragen)

#9: Jens Petersen, "Bis dass der Tod"
Plus: 1, 2, 7, 9, 10 doppelt, 11, 22, 28
Minus: 2, 6, 7, 16, 23 einfach, 31, 41, 73, 89 einfach, 93
Gesamt: -1 Punkt

#10: Andreas Schäfer, "Auszeit"
Plus: 1, 2, 7, 15, 18
Minus: 14, 24 einfach, 32, 85, 95 einfach
Gesamt: 0 Punkte
(Minuspunkte 32 und 85 übersehen, nachgetragen)

Kathrin Passig, Angela Leinen, Wolfgang Herrndorf | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


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"Swiss Army Man", Dan Kwan, Daniel Scheinert (2016)

Plus: 5, 8, 9, 10, 11, 25, 41, 45, 122, 135, 155, 156, 157, 158
Minus: 26, 38, 39, 59, 138, 185, 197, 212
Gesamt: 6 Punkte


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