30.11.2006 | 01:53 | Anderswo | Sachen kaufen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Die Schweizer sind ein upgradefreudiges und -williges Völkchen, wie sich allein an den erfolgreich lancierten eigenen Premium-Linien der Supermarktketten Migros und Coop ablesen lässt. "Ganz nett, aber gibt es das nicht auch in etwas teurer?", so scheint sich der eidgenössische Konsument tagein, tagaus zu fragen und bekommt in jüngster Zeit zunehmend positiv Bescheid.
Kein Wunder, dass sich IKEA die Schweiz als Testmarkt für die Premium-Linie IKEA Stockholm ausgesucht hat. Lustiger- und listigerweise arbeitet die Teaser-Aussenkampagne genau mit der Verkehrung, die verglichen mit dem normalen IKEA-Preisniveau deutlich hochpreisigeren Objekte angesichts besseren Designs, Materials und Verarbeitung als regelrechte Preisbrecher erscheinen zu lassen. In rollenden Wohnzimmer-Anhängern kann man sich per Augenschein davon überzeugen, dass es sich bei der Handschrift zwar unverkennbar um das schwedische Gerümpelhaus mit Hang zum Sekretärinnen-Pop handelt, jedoch versehen mit einem deutlichen Einschlag evangelisches Gemeindezentrum-Mobiliar der 1970er, vulgo skandinavische Designtradition – am deutlichsten nachvollziehbar vielleicht beim aufgebockten Billy-Regal aus stellenweise massiver Eiche für 199 Euro.
Die Website hinwiederum schlägt in eine ganz andere Richtung aus, nämlich Schweinebauch-Werbung: Eine Flash-Hölle, die auf der einzigen konzeptionellen Idee beruht, überall "Super" davorzuschreiben und dieses vielleicht zu Unrecht in Verruf geratene Super-Präfix superdreist und superbrachial überzustrapazieren bis hin zur "supernatürlich" geformten Vase. Ach, in der Schweiz möchte man Werber sein, und das leicht verdiente Geld sofort wieder für all die schönen Superpremiumprodukte raushauen.
29.11.2006 | 02:29 | Anderswo | Was fehlt
Eigentlich alles, was es gibt, kommt ursprünglich aus China. Allein während der Tang-Dynastie (618 – 907) wurde hier so unterschiedliches Zeugs wie der Buchdruck mit Stempeln, die tickende Wasseruhr, Diabetes, der Kometenschweif, Hartporzellan, Streichhölzer oder die Zeitung erfunden. In den letzten Jahren allerdings tun sich die Chinesen, wie man weiss, etwas schwerer mit eigenen Kreationen. Das mag daran liegen, dass sich eine Innovation in China noch nicht richtig auszahlt. Dieser interessante Würgefriseurladen an der Pekinger Chao Nei Dajie beispielsweise ist schon wieder geschlossen. Vielleicht liegt aber auch die Besitzerin hinter dem seit Monaten geschlossenen Rollgitter auf dem Boden, alle Viere von sich gestreckt und an der eigenen Erfindung erstickt. Tragisch? Wie man's nimmt. Auf jeden Fall wird sie so nie erfahren, dass sie eventuell nicht die erste Würgefriseurin war. Und das hätte ihr dann doch einen harten Schlag versetzt.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: The Writing on the Wall (is the wall)
27.11.2006 | 11:17 | Berlin | Anderswo | In eigener Sache
 Von der Hand in den Eimer (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Und wieder veranstalten verschiedene Riesenmaschineautoren öffentliche Aktion um öffentliche Aktion, um den Geist der Riesenmaschine in die Welt zu tragen. Gleich heute abend um 19 Uhr stellen Holm Friebe und ich unser Erfolgsbuch "Wir nennen es Arbeit – Die überstrapazierte Bohème oder: Medial totgerittenes Leben jenseits des Festanstellung" vor, und zwar bei Bücher Rüffer in Flensburg und die Strasse, wo das ist, heisst auch noch Holm. Genau das gleiche Buch wird am Dienstag, 28.11., um 20 Uhr in Bremen, Alte Stauerei, Cuxhavener Str. 7, nochmal vorgestellt, bzw. eben in einer aufwendigen Multimedia-Lesung (das "Multi" in der PPT-Präsentation wird durch den Einsatz eines animierten GIFs erreicht).
Es folgt am Mittwoch um 20 Uhr im nbi in Berlin das Après Bunny Format Vol. 11: Die Zeitspar-Show – von der ich zu behaupten wage, dass sie sehr lustig wird, bzw. weniger langweilig als Riesenmaschine Quadruple Play. Dort wird sich vom Supatopcheckerbunny samt Hilfscheckerbunny über Kathrin Passig und Michael Brake bis hin zu Holm Friebe und dem raren Jochen Schmidt mehrere Stunden lang die weltgrösste Riesenmaschineautorenagglomeration verdichten, bis alle nach Hause taumeln.
Als wäre das allein nicht schon wochenfüllend, wird am Freitag, 1. Dezember, ab 22 Uhr die Buch-Release-Party von Jörn Morisses (Hrsg.) Driving Home im Golden Gate Club in Berlin stattfinden; bei diesem Buch über Weihnachten, erschienen im sich derzeit "im Umbruch befindlichen" Suhrkamp-Verlag haben gefühlte zehn Riesenmaschinisten mitgeschrieben. Die Feier wird bereichert durch Mitherausgeber Stefan Rehberger, Reimund Spitzer, Linus Volkmann, Live-Musik kommt von der ehemaligen Jens-Friebe-Band Bum Khun Cha Youth und Plemo, die DJs sind Audiobeauté und Jake the DJ.
Um die ganze Breite der riesenmaschinesken Themenfelder abzudecken, wird am selben Nachmittag Dr. Aleks Scholz in Toronto in der Cody Hall schon wieder über seinen Lieblingstopos "Braune Zwerge" öffentlich reden, das sind Sterne, die es nicht ganz bis zum Schwarzen Loch gebracht haben, sondern aus Massemangelgründen vorher schräg rechts von der Autobahn abgebogen sind.
Die Woche endet jedoch keinesfalls da, sondern muss auch noch die allerletzte (!) Wiederauflage von Powerpoint Karaoke in Berlin ertragen, das am Samstag, den 2. Dezember im Radialsystem, Holzmarktstrasse soundso, stattfinden wird. Dafür haben wir auch extra neue abstruse Präsentationen besorgt, zum Beispiel "Versandhandel im Web 2.0" oder die beliebte "Ethanoldosierung im Aquarium". Kommen Sie in Scharen.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Riesenmaschine plant ihre Woche II
26.11.2006 | 13:37 | Anderswo | Fakten und Figuren
 Historic Reenactment (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Geschichte ist ein seltsames Fach, weil es oft von denen betrieben wird, die gerade den letzten Krieg gewonnen haben, und daher die Massstäbe relativistisch durcheinanderverzerrt werden. Man hat sich mittlerweile daran gewöhnt, dass Amerikaner beim Anblick jeder fünfhundert Jahre alten Mauer in ekstatische Verzückung ausbrechen, und aus diesem Grund selbst Heidelberg oder gar England gut finden. Man weiss, dass sie alles, was sie vor dem zweiten Weltkrieg gebaut haben, "historic" nennen, warum auch nicht. Und man weiss, wie verbittert sie sich wünschen, eine eigene, reichhaltige, uralte, kontinentale Besiedlungsgeschichte zu haben, so wie die blöden Europäer eben. Aber bitte nicht mit irgendwelchen Wilden, und darum ist es nur konsequent, wenn lediglich 500 Jahre alte Irokesendörfer in der offiziellen amerikanischen Archäologienomenklatur nicht nur als historisch, sondern gar als prähistorisch gelten – und damit über den Ozean gerechnet auf einer Stufe mit den Höhlenmenschen landen.
Das ist ein bisschen unverschämt. "Prähistorie" bezeichnet in der Regel den Teil der Geschichte, aus dem keine schriftlichen Aufzeichnungen vorliegen, man muss sich also anders behelfen. Natürlich hinterliessen die Irokesen nichts richtig Schriftliches, sie erzählten sich alles lieber am Lagerfeuer, schliesslich hatten sie nicht mal elektrischen Strom, geschweige denn Internet. Aber dafür hatten sie eine Art Langhäuser, ein schwer verständliches Wirtschaftssystem, eine "egalitäre Konsensdemokratie", eine Art grossräumige Gesellschaftsordnung, eine strategische Militärplanung, eine Religion ungefähr auf dem Stand der alten Griechen und zudem das mythische Ballspiel Lacrosse, den ohne Zweifel attraktivsten Sport in Nordamerika. Haben die Neandertaler etwa Tischtennis oder etwas ähnlich Anspruchsvolles erfunden? Sie hatten ja nicht mal Tische, im Gegensatz zu den Irokesen übrigens. Also. Einigen wir uns darauf, dass die Irokesendörfer aus der prä-olympischen Lacrossezeit stammen, dann sind alle zufrieden.
26.11.2006 | 00:54 | Berlin | Anderswo
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Als in schwarzweisser Vorzeit das Röhrenradio krächzend verkündete: "Moderne erfunden!", jauchzten die Architekten laut auf. Es schien alles so einfach: Man würde ein einziges richtig gutes Haus entwerfen, diese Industrie, von der man neuerdings so viel hörte, würde das rund um den Globus reproduzieren, und man selbst würde den Rest seines Lebens mit dem Automobil im reichlich vorhandenen Abstandsgrün zwischen den Wohnblocks herumrasen. Natürlich kam alles ganz anders, die Moderne stiess sich an der Realität wund und banal, und unschöne Dinge wie Wolfsburg entstanden. Die Architekten sahen also davon ab, herumzurasen und designten eben weiter an Dingen herum, für die die Industrie alleine zu dumm war. Und weil es so viele von ihnen gab, entstand eine Masse an Gebautem, das weder herausragend noch abstossend war, und somit unbemerkt von Hochglanzmagazinen und Schmähungen im Graubild der Stadt herumstand.
Der Architekturkritiker Oliver Elser und der Fotograf Andreas Muhs haben sich seit 2002 auf der Website restmodern.de dieses diskreten Charmes des Durchschnitts angenommen und ihn mit bewusst uninszenierten Fotografien vor konsequent bewölkten Himmeln dokumentiert. Zu Beginn ausschliesslich auf Berlin fixiert, ohne dabei ausgetretenen Retro-Chic-Pfaden zu folgen, haben sie ihr Archiv (aktuelle Fotos sind auf flickr zu sehen) mittlerweile auf die Grauzonen von Hamburg und Frankfurt ausgedehnt. Trotz aller kühlen Distanz der Fotografien erkennt man die Freude, in vermeintlich tristen Rastern plötzlich eine überraschend individuelle Kunst am Bau zu entdecken, und den Willen, dies zumindest fotografisch zu sichern, bevor es verschwindet.
Eine Auswahl an Fotografien ist noch bis zum 11.12. in der Galerie Fenster61 in Berlin zu sehen. Für das geplante Buch fehlen noch ein paar Interessenten, die sich bitte schnell unter subscribe@restmodern.de melden sollten, denn wir wollen das Ding so bald wie möglich auf dem Riesenmaschine-Coffeetable liegen sehen.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Fang-den-Hut beim KKK
- Doors
- gut gemachte Immanenz
- Spätsommer
SO NICHT:
- Kinderbetten verkeilen
- Windows
- etwas überinstrumentiert
- Frühwinter
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"The Green Inferno", Eli Roth (2013)
Plus: 1, 52, 69, 80, 101, 117, 138, 142 Minus: 9, 13, 197 Gesamt: 5 Punkte
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