Riesenmaschine

11.04.2007 | 10:25 | Anderswo | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Wiedergutmachungsbäckerei


Der Böse, Brecht's Bar, Hongkong

Angestelltenschliessfächer Bäckerei "Das Gute", Hongkong
Der böseste Deutsche aller Zeiten ist nicht wegzukriegen aus dem globalen Gedächtnis. Nicht durch noch so viele Imagekampagnen der Bundesregierung oder den Export von Juli Zeh nach China. Durch Spiegel-Artikel schon gar nicht. Hier sieht er mit Hakenkreuzaugen auf die Gäste einer Szene-Bar in Hongkong herab. Wie das gemeint ist, ist nicht hundertprozentig deutbar. Die von Hongkongern geführte Bar heisst Brecht's; das Bildnis des guten Menschen aus Augsburg ziert die Speisekarte (Erdinger Weissbier, Hoegarden, Stella Artois). Ein paar Meter weiter hängt Mao an der Wand, in ähnlicher Manier karikiert wie der Führer. Besäuft man sich im Brecht's also totalitarismustheoretisch? Wahrscheinlich ist das nicht. Eher soll die Bebilderei komplette Craziness signalisieren, die vollhippe Libertinage oder so was. Das glauben jedenfalls seine Besucher.

Der böse Deutsche kann aber nicht überall sein. In Hongkong stellt sich ihm "Das Gute" entgegen, eine deutsche Bäckerei mit zwei Filialen, eine davon im traditionsreichen Western Market. "Das Gute" repräsentiert das neue, grüne, eben grundgute Deutschland, das, weil es anders kaum geht, auf Werbetafeln auch gleich und ausschliesslich in der grünsten aller Sprachen beworben wird: "Die Natur ist unser Vorbild. Rezepte nach traditioneller Herstellung mit reinem Quellwasser und naturbelassenen Getreide." Serviert werden – zu Erdinger Weissbier – klassische deutsche Gerichte wie "Angel Hair with Korean Beef & Vegetable", zu kaufen gibt's "Brot wie aus dem Berchtesgadener Land." Das kommt gut an, auch bei Engländern, die allenfalls die vermeintlich falsche deutsche Rechtschreibung bemängeln. Doch halt, "wie aus dem Berchtesgadener Land"? Stand eben dort nicht einst ein einsamer Berghof? Arrgh, da ist er wieder, der Böse. Einfach nicht wegzukriegen aus dem deutschen Image, nicht in Asien, nicht auf der ganzen Welt. Auch nicht in tausend Jahren.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Deutsch China

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (8)


10.04.2007 | 13:59 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Abschied vom Virtuellen


Ein Blick in die Zukunft (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Produkte, wie wir sie bisher kennen, bestehen aus virtuellen Zutaten wie Marke, Markenmehrwert, Wiedererkennungswert, Gesundheitsversprechen, Alleinstellungsmerkmal, Corporate Design und der Überlegung, was dieser Joghurt sagen würde, wenn er unser Freund wäre und wir ihm auf der Strasse begegneten. Nur Grossbritannien geht neuerdings einen Sonderweg: Echte Zutaten (Kartoffeln, Fett, Salz, Pfeffer) werden nach Geschmackskriterien ausgewählt, gemeinsam in eine Tüte gesteckt und dem Kunden ausgehändigt. Noch weiss man nicht so genau, was mit dem Inhalt anzufangen ist. Aber das war bei der Erfindung des Buchdrucks ja auch nicht anders.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Neu! Jetzt auch mit Geschmack!


08.04.2007 | 10:59 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Speichermedien zu Bierbrauereien


So schön kann Bierbrauen sein; Bild: Fluxxion
Es gibt in der modernen Warenwelt kaum Traurigeres als Technologien und Standards, die mit grossem Aufwand entwickelt werden, sich auf dem Markt nicht durchsetzen können und dann von herzlosen Managern ohne Standing vom Markt genommen werden. Die entsprechenden Entwicklungsabteilungen werden aufgelöst, Produktion und Support eingestellt und die übrig gebliebenen Patente werden in die Sklaverei verkauft – und dann haben sie noch Glück gehabt. Allenfalls wird ihnen in Nerdforen ein virtueller Friedhof gebaut. Das vielleicht aktuellste Beispiel dieser oft verdrängten Schattenseite des Kapitalismus ist PPD, ein Ableger der BD, einem Medium, das sich gegenwärtig noch mit HD-DVD und HD-VMD einen brutalen Kampf um Leben und Verschwinden liefert. Verdrängt wurde PPD übrigens von UDO, was die Vermutung nahe legt, dass weniger technologische Überlegenheit als viel mehr eine eingängige Namensgebung über das Schicksal eines digitalen Standards entscheiden könnte.

Rechtzeitig zu Ostern erreicht uns nun die Nachricht der Auferstehung von DCC (*1992, +1996), einem digitalen Speichermedium, das von Philips einst als Nachfolger der Musikkassette entwickelt wurde. Peter Sygall, der Vater von DCC, verliess Philips nach dem Tod von DCC und gründete Fluxxion. DCC wird jetzt zum Bierbrauen eingesetzt – Siliziumplatten mit Milliarden von kleinen Löchern filtern dabei die Überreste der Hefe und sogar Bakterien aus dem Bier. Dabei wird DCC nun in den nächsten Jahren das bedauernswerte Kieselgur verdrängen, ein Material, das einst schon bei der Dynamitherstellung von Kollodiumwolle verdrängt wurde. DCC ist nämlich viel leichter und benutzerfreundlicher als Infusorienerde und ausserdem schimmert es in den schönsten Farben, was vom hellgrauen Kieselgur sicher nicht behauptet werden kann.

Unsere Gedanken gelten dem Kieselgur, trotzdem: eine letzlich begrüssenswerte Entwicklung im Kampf gegen die Verschwendung menschlichen Erfindergeistes. Wir warten auf den Einsatz von Zip-Discs bei der Kelterung von Wein, von 5,25"-Disketten in Bäckerstuben oder von Lochkarten als Teefilter.


05.04.2007 | 12:47 | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Sportsaufen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Auf von aussen zugefügtes, emotionales Leid reagiert der Mensch häufig durch zusätzliches, von innen zugefügtes Leid, eine Art Ausgleichsleid. Warum, weiss niemand, es handelt sich aber um spezielle, vielschichtige Schmerzen, die man sich dann zufügt, wie mit Hilfe von Sport oder Alkohol. Vermutlich existieren ausschliesslich diese beiden Leidbewältigungsstrategien: Bewegung oder Substanzeinnahme.

Interessant ist nun, dass Versuche, diese beiden grossen, akzeptierten Kulturtechniken zu verschmelzen, bisher in der Absonderlichkeit verharren, etwa der Sauflauf, bei dem ein Kasten Bier über ein Laufdistanz von 8 Kilometer geleert werden muss. Oder die Drunken Master Kampfballette von Jackie Chan. Nun startet Adidas offenbar einen neuen Versuch, Sport und Trunk zu kombinieren, ganz behutsam nämlich: mit gebrandeten Bierdeckeln. Sinn und Zweck bleiben zunächst verborgen, aber vielleicht wird die Zeit es zeigen. Der Witz von der Olympischen Disziplin "Einarmiges Reissen" jedoch ist zu alt und naheliegend, um hier noch gemacht werden zu können.


04.04.2007 | 20:51 | Anderswo | Supertiere | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Nachtretende Rohstoffe


Algenfarm, ca. 1850 (Foto: jurvetson) (Lizenz)
Das Gute an der Zukunft ist dass sie immer etwas zu wünschen übrig lässt. Auf viele Neuerungen kann man sich sein ganzes Leben freuen. Gutzuheissen ist jedenfalls, wenn sich junge Leute an die Zukunftspläne der Alten erinnern und sich beispielsweise mal wieder an Biosphäre-Experimenten versuchen, wobei sie sich für 14 Tage in eine Unterwasser-Box einsperren lassen, in der Algen Nahrung und Sauerstoff erzeugen, der Jungforscher aber den Strom über Muskelarbeit. Besser wäre es aber gewesen, wenn er sich vorher über Alternativen informiert hätte. Als Australier hätte er nun wirklich wissen sollen, dass man zur Stromerzeugung Pinguine einsetzt.

Roland Krause | Dauerhafter Link


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