Riesenmaschine

02.01.2008 | 21:43 | Anderswo | Fakten und Figuren | Listen

Year of the Year


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Auch 2008 steht wieder eine Flut an Gedenkjahren ins Haus, hier eine Übersicht der wichtigsten Termine: Beim Marktführer UNO geht das Internationale Jahr des Planeten Erde ins zweite von drei Jahren, das von der Tochterorganisation UNEP ausgerichtete Jahr des Delfins wurde wegen des grossen Erfolgs ebenfalls noch bis 2008 verlängert. Ausserdem ist exklusiv Internationales Jahr der Sprachen, der Kartoffel und der sanitären Versorgung. Ein bisher unbesetztes Themenfeld hat hingegen die EU-Verteidigungsagentur entdeckt und feiert das Jahr der Rüstung, während das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Jahr der Mathematik begeht. Ferner finden das Internationale Jahr des Riffes, das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs, das Jahr des Frosches und angeblich das Jahr des Open Content statt. Und schliesslich noch der spezielle Reiseservice für Nordwestengland (Riesenmaschine-Partnerregion 2008): Cheshire feiert das Year of the Garden, in Lancashire findet das Year of Food statt, in Manchester ist Year of Sport und Cumbria das Year of Adventure.


09.12.2007 | 18:35 | Nachtleuchtendes | Fakten und Figuren

Die nackte Eichel von Kecksburg


Quelle (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Der Dezember 1965 war ein seltsamer Monat. Erst veröffentlichten die Beatles We can work it out mit der B-Seite Day Tripper (warum?), dann kam plötzlich Weihnachten, und dazwischen, am 9. Dezember, heute vor exakt 42 Jahren, wurde auch noch ein UFO gesichtet. Es tarnte sich als Meteorit, flog irgendwie über die Wälder von Pennsylvania, um dann über den Erie-See hinweg nach Kanada zu verschwinden. So jedenfalls die wissenschaftliche Erklärung, die sich knapp vierzig Jahre lang einigermassen hielt.

Fairerweise muss man sagen, dass das nicht alle glaubten, speziell nicht die Menschen in Kecksburg/PA, das gern so wie Roswell sein würde, nämlich berühmt. Deshalb stürzte das UFO bei ihnen in ein paar Bäume und wurde von NASA bzw. Militär bzw. bösen Mächten so irre konspirativ weggeschafft, dass es dabei gründlich beobachtet werden konnte. Das UFO sieht natürlich aus, man ahnt es, wie eine sehr sehr grosse Eichel. Die Konsequenz: Die Journalistin Leslie Kean und ihre Coalition for Freedom of Information verklagen im Jahr 2003 die NASA: Sie soll endlich die Eichel herausrücken.

Fuck it, sagt sich die NASA, und wirft einfach noch eine dritte Theorie unters Volk: Das UFO könnte doch auch einwandfrei Teil eines Satelliten sein, und zwar der russischen Sonde Cosmos 96, die vorher tragisch explodiert war. Dies allerdings ist unmöglich, wie NASA-Verantwortliche bereits zwei Jahre früher bekanntgaben. Verwirrend? Vielleicht! Folgerichtig verkündete Kean unter Berufung auf dieses Statement: The Cosmos 96 question is settled once and for all. Wenn aber die Cosmos-96-Frage erledigt ist, und die UFO-Antwort Quatsch ist, wohingegen die Meteorit-Sache komplett plausibel ist, welche Frage ist genau noch offen? Genau das ist jetzt nicht mehr Keans Problem, sondern das der NASA, die nach vier Jahren Gerichtsverfahren jetzt verdonnert wurde, alle Akten herauszurücken. Aber, hey, die NASA hat Menschen zum Mond gebracht, sie wird es also wohl auch schaffen, ein schon lange gelöstes Geheimnis aufzuklären.


09.11.2007 | 23:10 | Berlin | Fakten und Figuren

Fontana Blow up


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ohne Hintergrundinformation schwer zu entscheiden: Hat hier ein Graffitimaler die aktuelle Outdoor-Kampagne für das Motorola RAZR 2 kongenial auf seine Weise interpretiert und konsequent weiterentwickelt, indem er mit scharfer Klinge das Blow-up-Plakat an der Berliner Torstrasse, Ecke Chausseestrasse perforierte, um sein an der dahinter liegenden Hauswand appliziertes Piece nicht nur freizulegen, sondern aufmerksamkeitsfördernd ins Passepartout des Plakats einzubetten? Oder hat hier die diensthabende Agentur die Spuren dieses Manövers als Pastiche emuliert, um die Kernbotschaft der Kampagne ("Noch schärfer") quasi auf einer Metaebene ins Bild zu hieven und aufmerksamkeitsfördernde Irritation zu stiften? Letzteres ist nicht ausgeschlossen: Wie im Bereich der bildenden Kunst Lucio Fontana bereits vor 50 Jahren danach drängte, die Leinwand zu durchstossen, um die dritte Dimension mit einzubeziehen, entdeckt die Outdoor- und Ambient-Werbung diesen Effekt in jüngster Zeit immer häufiger für sich. Für diese ausnahmsweise gelungene und selbstironische Anwendung gebührten den Machern dann allerdings alle Kreativpreise, die die Branche in der Sparte zu vergeben hat. Ein kleines Detail spricht jedoch gegen diese Version und für den anonymen Einzeltäter: Die vorab in hässlichem Rot mit Schatteneffekten aufgedruckten Schnitte, angesichts deren formal-ästhetischer Unzulänglichkeit sich Fontana schlechterdings im Grabe herumdrehen würde.


06.11.2007 | 03:39 | Fakten und Figuren

Orgonophorie


Energie, 19. Jahrhundert (Quelle, Lizenz)
Zum fünfzigsten Todestag des grossen Psychoanalytikers Wilhelm Reich ist es adäquat, nochmals darauf hinzuweisen, dass die Orgonomie, Reichs letztes Vermächtnis, in Deutschland immer noch als Pseudowissenschaft gilt, obwohl es sich in Wahrheit um Proto-Wissenschaft handeln soll. Kurz zusammengefasst geht es bei der Orgonomie um die primordiale kosmische Energie, die im Gegensatz zu allen herkömmlichen Energiearten nicht aus Atomen entspringt, sondern umgekehrt Atome erst hervorbringt. Orgonenergie bedeutet Überlagerung, Pulsation, aber auch orgiastische Zuckung und funktionelles Denken, und ist damit, das denke ich mir jetzt aus, praktisch synonym mit der Dunklen Energie. Orgone kann man sammeln wie Pilze im Walde, und zwar mit Hilfe des von Reich erfundenen Organakkumulators, wie ihn zum Beispiel das Orgoninstitut verkauft, ab 1175 Euro (Preisliste 2007), Lieferzeit 1-2 Wochen. Es handelt sich dabei um eine Art Kiste, deren Wände aus abwechselnden Schichten von Isolator und Metall aufgebaut sind, praktisch eine komplizierte Minihütte für den gesunden Lebensabend. Wenn man keine Lust auf Lebensabend hat, kann man die frisch gesammelten Orgone dann immer noch verwenden, um Wolken abzuschiessen.


22.10.2007 | 12:21 | Fakten und Figuren

Ein schöner Tag in H0


Im Vordergrund aktuelle Fabriken, die Aktuelles herstellen, im Hintergrund aktuelle Stromerzeugungsformen (Foto: Kathrin Passig, Standort Berlin Ostbahnhof, aber auch Bremen et al.)
Es war wieder einmal Zeit für einen Katalog mit Novitäten. Der greise Herr Faller sog nachdenklich an seiner Pfeife und betrachtete die in Öl gemalte Präsentation, die seine Untergebenen gemessenen Schrittes an ihm vorbeitrugen. Viel war draussen in der Welt offenbar passiert in den letzten Jahren. Na, da würde man eben einen VW-Bus ins Sortiment aufnehmen müssen, und auch so einen modischen Fernsehturm, wie ihn die Berliner unlängst hatten errichten lassen. Sogar einige neue Bundesländer gab es, denen man sich wohl widmen musste. "Nach der Wende renoviertes Haus mit Ruinengrundstück, Graffiti an Garage und Schutzzaun", so mochte es gehen, oder war das doch eine Spur zu gewagt? Bedenklich wiegte Faller den Kopf. Das nächste Ölgemälde zeigte den neuen Freizeittrend "Camping", hier würde man unbesorgt einen Themenschwerpunkt setzen können. Auch die "Verladerampe mit Milchkannen" schien dem Patriarchen zukunftsträchtig, das "Zaunkonzept 2007" gediegen. Blieb nur noch ein letztes Problem zu lösen: Wohin mit den unzähligen Funktürmen, die man um die Jahrtausendwende herum voll Enthusiasmus über die neue Technologie hatte anfertigen lassen? Vom Kunden wurden sie nicht recht angenommen. Konnte man sie irgendwie umfunktionieren, zu einer Art Windmühlen vielleicht? Windmühlen, davon hatte man die Fallerschen Söhne in den letzten Jahren manches Mal reden hören. Nun, er war der Letzte, der einer sinnvollen Neuerung im Wege stehen wollte. Dann also in Gottes Namen Windmühlen.

(Quelle: Neuheiten Faller 2007, PDF, 11 MB.)

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Wiederum ein Tag in der Firma


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