Riesenmaschine

24.07.2007 | 11:21 | Was fehlt | Fakten und Figuren | Papierrascheln | In eigener Sache

Lexikon des Unwissens


Lexikon des Unwissens, unbekleidet (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Zu den ungeklärten Rätseln der Menschheit gehören die Texte, die Herausgeber oder Verleger oder wie auch immer Verantwortliche auf Buchrückseiten und in Einbände drucken lassen. Zu Kriminalromanen werden die gesamten Ermittlungen und ermordeten Hauptpersonen zusammengefasst, Liebesromane werden mit rhetorischen Fragen dekoriert, die jedweden Zweifel ausräumen, welchen der beiden Schönen die Heldin am Ende wählt, und wenn man sonst nicht weiter weiss, druckt man aus dem Zusammenhang gerissene Zitate von Zeitschriften der eigenen Verlagsgruppe drauf. Dabei sollten doch Käufer längst gewohnt sein, die Informationsattrappen systematisch zu ignorieren, die damit von der Buchevolution eigentlich erbarmungslos ausgeräumt werden müssten.

Das Lexikon des Unwissens der Riesenmaschine-Autoren Kathrin Passig und Aleks Scholz, soeben erschienen im Verlag Rowohlt Berlin, untersucht diesen Sachverhalt trotz ebensolcher Begleittexte leider nicht, enthält aber eine erkenntnisreiche Rundschau, was wir beispielsweise doch nicht über Wasser oder die Besiedlung von Amerika wissen. Man wird über dieses oder jenes Ereignis wie das in Tunguska, Schnurren von Katzen oder Leben auf diesem Planeten schon mal gestolpert sein, die Grenzen zwischen gesichertem Wissen und dem hypothesenspeienden, grauen Nichts sind allerdings präzise umrissen, sodass man auf ihnen amüsiert und sicher flanieren kann, ohne in den Sumpf der Ignoranz zu gelangen oder sich zum Mondfahrt-Dissidenten-Affen zu machen.

Die Kakerlakenherrscher, die den Transhumanoiden als intelligente Lebensform nachfolgen, werden sich an einigen der erörterten Fragen immer noch Scharten in die Maxillen beissen. Andere Wissenslücken werden bald aufgefüllt sein; da wir nicht wissen welche, empfiehlt sich die baldige Lektüre, um den Augenblick der Erkenntnis voll auszukosten.

Nachtrag: Eine Liste mit Korrekturen gibt es unter lexikondesunwissens.de


24.07.2007 | 00:40 | Anderswo | Fakten und Figuren

Vögel ganz oben


Schnepfe (Gallinago gallinago), Quelle, Lizenz
2007 ist das Jahr der sinnlosen Unternehmungen, 2008 übrigens auch, und 2009 wird es schon 100 Jahre her sein, dass Bernhard Adolf Hantzsch nach Baffin Island aufbrach, zu einer für moderne Verhältnisse geradezu übertrieben sinnlosen Expedition. Hantzsch, renommierter Ornithologe mit reichlich Felderfahrung in Sachsen, Island und Labrador, plante nicht etwa die Eroberung des Nordpols oder so einen sinnvollen Quatsch, sondern eine gründliche Erfassung der arktischen Vogelwelt, ausgerechnet in einer Gegend, in der man täglich dreimal stirbt. Irgendeiner muss es ja machen. Es ging gleich gut los, denn sein Schiff sank samt Ausrüstung kurz vor Baffin Island. Nach einem miserablen Hungerwinter unter Wilden brach er unbeirrt auf und zog in monatelangen Qualen einen Schlitten mit einem darauf befestigen Walfangboot einmal quer durch Baffin Island, das ungefähr so gross ist wie Skandinavien. Und wenn er Brennstoff gehabt hätte, hätte er nicht die grossen Mengen Fleisch roh essen müssen, die er hätte jagen können, hätte er nur ausreichend Munition besessen. Im Winter 1910/11 schliesslich erlegte einer der beiden begleitenden Eskimos einen Eisbären, von dem Hantzsch, halt ein Vogelexperte, roh ass, und so im Frühjahr 1911 elendig an Trichinen starb, bevor er verhungern konnte. Die letzten Worte von Aggakdjuk: We made a nice grave of stones and it is in a good place.

Bernhard Hantzsch, an dem man sich echt ein Beispiel nehmen sollte, hinterliess seine leider nicht mehr verfügbaren Tagebücher sowie knapp 30 epische Publikationen. Besonders gern erinnert man sich an Über das Weichen der Vögel im Fleische (1906), Der Durchgang des Felsenschneehuhnes (1907) und Vergiftete Lachmöwen (1902).

(Quelle: The work of Bernhard Hantzsch in Arctic Ornithology (PDF), eine Laudatio von Rudolph Martin Anderson)


15.07.2007 | 22:30 | Alles wird schlechter | Fakten und Figuren

Flugzeuge in keinem Bauch

Automobil und Flugzeug sind die Verkehrsmittel des vergangenen Jahrhunderts, so wie Eisenbahn und Dampfschiff die des vorgegangen sind. Es wird hier daher nur selten über sie berichtet.

Der 787 "Dreamliner", den Boeing kürzlich vorstellte, wird sich auf dem Rollfeld kaum von einem A300 einer Schäbigfliegerlinie unterscheiden und enthält die Innovation eines Schoko-Wuppis. Was nützen grosse Fenster, wenn die wenigen Glücklichen, die in einem Twin-Aisle-Liner einen Fensterplatz haben, ohnehin wieder über den Flügeln sitzen? Gibt es somit gar nichts Interessantes über Flugzeuge zu berichten?


Tiefe des Abgrunds der Hässlichkeit: 12.000m Reiseflughöhe. (Foto: 42809587@N00) (Lizenz)
Wenigstens gibt es einen neuen Superflieger, mit dem die Teile des Dreamliners unter anderem aus Italien eingeflogen werden. Die Zweckmässigkeit, Flugzeugteile per Flugzeug zu transportieren, entspricht in etwa der Junk-DNA im menschlichen Genom. Die aufgeblähte 747, die dafür zum Einsatz kommt, jedoch demonstriert das ganze Elend der Luftfahrtindustrie.

Zu forden wären flügge Flugzeuge, die nur Fensterplätze haben, Gulfstreams beispielsweise. Klimaschutz wird durch die einsetzende Verknappung erreicht und ausgeglichen durch Fortschritte im Riech-Fühl-Internet. Und bei entsprechenden Investitionen in Teledildonics wird sowieso niemand mehr fliegen. Das Fortbewegungsmittel der Zukunft ist gar keines.


15.07.2007 | 04:38 | Anderswo | Fakten und Figuren

Enuf is enuf


Spelling Bees (Bild typähnlich)
Foto: Emelobi, Lizenz
Ausflug in ein fremdartiges Universum: Ein Spelling Bee ist nicht etwa eine hyperintelligente Biene, sondern ein Buchstabierwettbewerb, dokumentiert im Science-Fiction-Klassiker Spellbound und im angenommenen Universum ein sehr populäres Ereignis. Bei der letzten Weltmeisterschaft, dem Scripps National Spelling Bee Ende Mai in Washington D.C., gewann Evan O'Dorney durch richtiges Buchstabieren des Wortes "serrefine", was auch immer das bedeuten mag. Pickets of English Spelling sind dann auch nicht etwa alphabetisch angeordnete Zaunpfosten, sondern Bestreikungen eines Spelling Bee. Auftritt der Simplified Spelling Society (SSS): Seit fünf Jahren bestreikt die SSS mit ihrem Maskottchen BeeMan (es ist ein seltsames Universum) den National Spelling Bee, zusammengenommen das 5th Annual Picket of National Spelling at National Spelling Bee, ein Fachbegriff, den man sich merken muss.

Die Stimmung ist schlecht im fremden Universum. Seit 99 Jahren versucht die renitente SSS eine Buchstabierreform durchzusetzen, die im Vergleich zur deutschen Rechtschreibreform aussieht wie etwas sehr Grosses neben etwas sehr Kleinem. Anlässlich des 5th Annual Picket of National Spelling liess die irdische BBC kürzlich Experten über das Spelling Dilemma diskutieren, konkret SSS-Schergin Masha Bell und Prof. Vivian Cook, bekanntgeworden mit dem Gemüsebuch Accomodating Brocolli in the Cemetary. Mit vorhersehbaren Argumenten, hier nur ein Beispiel (in korrekt vereinfachtem Englisch): Worldwide, English spelling wastes zillions, not onely in terms of time and effort, but in real munny too: for remedial education and to suport functionally illiterate adults. The latter ar also mor likely to becum yung singl parents, end up in jail, be adicted tu drugs and alcohol and hav poor helth.

Zustände sind das. Ins Gefängnis wegen schlechter Rechtschreibung? Drogenabhängig durch zerschmetternde Niederlagen beim Buchstabieren? Und die alles umgreifende Frage: Gibt es eine Sprache, die wirklich jeder Idiot schreiben kann? Gut, dass es solche Probleme bei uns nicht gibt.


11.07.2007 | 01:25 | Fakten und Figuren | Sachen kaufen

Renderkannen am Rand erkennen


(Foto: Moritz Metz)
Hoppla, denkt sich der auf offener Strasse von diesem Teekannenangebot überrumpelte Passant, ist es jetzt so weit? Ist all das in den 90ern mühsam Hingerenderte endlich Realität geworden, kann man fliegende Toaster kaufen, während Raubsaurier durch die Strassen stapfen? Ein Vergleich mit dem Original Utah Teapot zeigt aber leider, dass es sich trotz der überzeugend surrealen Texturen lediglich um Raubkopien aus Fernost handelt. Gedulden wir uns halt noch ein paar Monate.


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