Riesenmaschine

07.12.2009 | 17:44 | Nachtleuchtendes

Künstliches Teelicht


Glimmender Fortschritt (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Nach elektronischen Lichterketten für den künstlichen Weihnachtsbaum und Roboterrobben in Altenheimen war es bei Kerzenlicht besehen nur eine Frage der Zeit, bis die Automatisierung das Teelicht erreicht. Für den Primärzweck der Tee-Warmhaltung im Stövchen zwar nicht geeignet, erfüllt das künstliche Teelicht mit LED doch den mittlerweile dominanten Sekundärnutzen der heimelige Ambient-Beleuchtung umso tadelloser – Flackern inklusive. Der Wirt der Yes-Bar, wo dieses erste Exemplar in freier Wildbahn gesichtet wurde, musste sie noch aus Griechenland importieren. Seit dem 5. Dezember sind sie aber auch bei uns über Amazon bestellbar. Update: In der Yes-Bar hingegen sind sie mittlerweile schon wieder verschwunden und gegen analoge Teelichte ausgetauscht. Diejenigen, die nicht von selbst kaputt gegangen sind, wurden geklaut. Das nennt man wohl Fortschrittsdialektik.


03.11.2009 | 13:03 | Berlin | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Kommst du vorbei?


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Unternehmen der Kommunikationsbranche haben zumeist in ihren Prozessen zahlreiche Fehlerkorrekturschleifen eingebaut. Der Creative Director brieft den Konzeptioner. Der Konzeptioner wiederum den Copytexter. Jener wirft dem Textpraktikanten die Brocken hin. Der Textpraktikant textet was, was der Copytexter schickschreibt. Der mailt es dann dem Konzeptioner, der alles durchstreicht und das Spiel geht von vorne los. Die fünfte oder sechste Version des Copytexts geht dann weiter an den Creative Director, der das ganze System weitere drei bis dreissig Mal wiederholt. Bis irgendwann die fertigen 250 Zeichen da stehen, wo sie hingehören. Dann schaut der Kunde drauf und will nochmal fünf andere Versionen. Und ganz am Ende kommt dann manchmal das heraus, was man als Eigenwerbung der Wall AG auf in Berlin herumstehenden, elektronischen Litfasssäulen sieht (wenn dort der Chef nicht gerade für seine gänzlich uneitle Autobiographie wirbt): Ein Text, der belegt, dass Menschen, die in Berlin unterwegs sind, NICHT an den Stadtmöbeln von Wall vorbeikommen. Ist das jetzt Anti-Targeting?


17.10.2009 | 00:36 | Nachtleuchtendes | Vermutungen über die Welt

Adiabatische Apokalypse


Der Autor bei der Erschaffung von Dänemark (Foto: Jemand, der zwar nicht so direkt gefragt wurde, Aleks Scholz aber wohl auch nicht abmahnen wird.)
Das darf doch wohl nicht wahr sein. Erst mussten wir uns mit der Idee anfreunden, dass sich der frühe Kosmos wie ein Irrer ausdehnte, viel schneller als heute so üblich. Jetzt, wo wir das endlich eingesehen haben, obschon unter Hadern und Klagen, kommen so ein paar Leute aus Princeton und behaupten, es sei ganz anders. Und zwar sei es Zeit, über die Zeit vor dem Urknall zu reden. Genaugenommen seien da zwei Welten kollidiert. Dann noch irgendwas mit Superstrings, und schliesslich kam es zu einer ultralangsamen, adiabatischen Kontraktion, an deren Ende das heisse Ding steht, aus dem das heutige Universum, flach und glatt wie es ist, sich wundersam emporquält. Das Ganze führt den schönen Namen Ekpyrosis; ein Wort, das man sich nicht mal merken muss, denn es steht schon in der Wikipedia, erklärt als das finale Feuer, der apokalyptische Weltenbrand, aus dem das Neue entsteht. Das Neue, das sind wir: Fusspilz, Zweites Deutsches Fernsehen, Mu-Neutrinos. Alle zusammen sind wir Kinder der adiabatischen Ekpyrosis.


08.10.2009 | 11:11 | Nachtleuchtendes | Effekte und Syndrome

Alles in H0

Es ist äusserst selten, dass auf dem Feld der Kultur jemandem eine wirklich genresprengende Basisinnovation gelingt – wie Brechts "V-Effekt" oder Michael Jacksons "Moonwalk". Dass auf dem jahrhundertelang ausgeforschten Feld der Fotografie noch einmal eine neue – noch dazu analoge – Technik unsere Wahrnehmung puzzelt und unsere Synapsen knirschend neu verdrahtet, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Kein Wunder von daher, dass der Finne Miklos Gaal mit seiner verblüffend simplen Methode, Szenerien wie Modellbaulandschaften aussehen zu lassen, binnen kurzem zum internationalen Star der Fotokunst aufgestiegen ist. (Nicht zu verwecheln mit dem Street-Artist Slinkachu.) Schon vor über zwei Jahren wiesen wir darauf hin, dass die "Tilt-Shift" genannte Methode auch im Amateursegment starken Zuspruch erfährt, spätestens, seit sie alternativ zur teuren Hardware auch mittels eines simplen Photoshop-Filters zu haben ist. Entsprechend durchwachsen sind allerdings auch oft die Resultate.

Nun ist der Effekt endgültig im Mainstream, genauer gesagt: bei der Deutschen Telekom angekommen, die ihn für ihre Kampagne "Millionen fangen an" in Spots und Anzeigenmotiven benutzt – um nicht zu sagen: ausschlachtet. Bis wir uns endgültig an belebten H0-Landschaften, Mini-Fussballstadien und Liliput-Strassenszenen sattgesehen haben, schnell noch ein paar andere Tilt-Shift-Videos.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Sex in H0


20.05.2009 | 13:47 | Anderswo | Nachtleuchtendes

Change we can verzicht auf!


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ein Gespenst geht um in Europa, seit die Amis einen Werbetexter zum Präsidenten gewählt haben: Change! Einer der wenigen Orte, an dem man sich bislang vor der grassierenden Geissel in Sicherheit wähnen konnte, war die Rheinfelder Bierhalle im Zürcher Niederdorf, die trotz ihrer avantgardistischen Website vor allem für eins stand: Beständigkeit! Die Schweinsleberli mit Rösti kostet seit eh und je 13,50 SFr, den Service versehen die beiden launischen Schwestern mit den Vogelnestfrisuren und die Bekleidung der Stammgäste bildet ein schräges Mode-Medley der 40er, 50er und 60er. Betritt man dieser Tage die Bierhalle, scheint auf den ersten Blick alles beim Alten: die abgewetzten Biertische und Bierfilze, die Holzpanelen und vergilbten Wände, das angesoffene Publikum... erst beim betreten der Waschräume trifft einen der Schock des Neuen mit voller Wucht. Dort nämlich hat ein verstrahlt-retro-modernistischer Geist gewütet, kubistischen Edelstahl ausgebreitet, alles in 80er-Jahre-Schwarz gefliest und die Türen in Mondrian-Farben gestrichen wie weiland die Wet-Gel-Tuben von "Studio-Line". Der Sexpielzeug-Automat wurde in den Vorraum verbannt, dafür hat Ambient-Werbung für Prostatamittel in den Pissoirs einzug gehalten, und der Gebläsetrockner spuckt einen giftigblauen Lichtkegel aus wie das Display Taiwanesischer Teenager-Handys. Wenn so der Wandel aussieht, an den wir glauben sollen, dann bleiben wir lieber noch eine Runde im Wartesaal der Geschichte, sprich: im Gastraum der Bierhalle sitzen, trinken noch ein grosses Helles und hoffen, dass die Zukunft niemals die Schwelle der Nassräume überklimmen wird.


1 [2] 3 4 5 6 7 8 9 10 ...

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Understatement

- Polizeicola (Hälfte Jack D.)

- Portland-Zement

- Superwischer schiessen

*  SO NICHT:

- Bier verstecken (als Gastgeber)

- Meisterwerke der Zerspanung (will doch keiner sehen)

- aufs Wollsiegel pfeifen

- NullBock-Haltung (ausser Ziegen)


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"Mojin - The Lost Legend", Wuershan (2015)

Plus: 14, 22, 33, 66, 69, 73, 80, 82, 94, 96
Minus: 15, 39, 46, 93, 102, 147, 195
Gesamt: 3 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV