Riesenmaschine

12.07.2006 | 18:33 | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

I-Punkt Torpedos


Zurechtgebogene Wirklichkeit (Foto: kansas_city_royalty) (Lizenz)
Alle menschliche Tätigkeit ist ja in irgendeinem Sinn illusionär, oder jedenfalls nicht beweisbar real. Das kommt auf eins hinaus, sofern man als Sechzehnjähriger im hormonellen Neinsagemodus steckengeblieben ist. Aber selbst wenn man aus diesem Kontra-Alter raus ist und das volle Bock-Ramsch-Regelwerk der Welt akzeptiert hat, bewahren sich schöne Illusionen ihren Kitzel. Dass etwas nicht so sei, wie es uns erscheint, erinnert uns fundamental daran, dass alles ist, was es ist, indem es zu dem wird, was es nicht ist (oder umgekehrt), und sieht jedenfalls meistens ganz gut aus.

Die Illusion betrügt den hilflosen Wahrnehmungsapparat, der aber im Allgemeinen und abgesehen von epistemologischen Grundfragen, recht zuverlässig operiert. Sie ist deshalb stets von Randbedingungen abhängig. In besonderem Mass gilt das für perspektivische Täuschungen, (zum Beispiel U-Bahn-, Strassen- oder Wandmalerei, die Werke von Calum Colvin oder auch transparente Bildschirme), die oft nur von einem einzigen Standpunkt aus ihren Illusionscharakter entfalten, und aus anderen Blickwinkeln mehr oder weniger viel von ihrem Getriebe herzeigen. Steht man aber an diesem speziellen I-Punkt, oder schiebt stellvertretend eine Kamera da hin, dann kitzelt das den Wahrnehmungsapparat und eine kleine Explosion ereignet sich. Gesundheit.


09.07.2006 | 20:57 | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Lumen de lumine


Physikotheolökonomie (Bild von Mark Hjandel) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Nicht erst seit Galileo Galilei ist das Verhältnis von Naturwissenschaft und Theologie ein verkorkstes. Schon seit Philon von Alexandrien schwelt die Debatte um die richtige Regelung des nachbarschaftlichen Nebeneinanders von Glaube und Wissen. Wie überall, gibt es auch auf diesem Feld einige Extrempositionen, z.B. Fideisten und Rationalisten, sowie einige Entgleisungen wie etwa den US-amerikanischen Neokreationismus. Mit Schaudern denkt man auch an die seit Siger von Brabant durch die Hörsäle geisternde Möglichkeit einer duplex veritas, einer Doppelwahrheit in dem Sinne, dass die Sonne sich zugleich um die Erde drehen und auch nicht drehen könnte. Auf dem Mittelfeld aber tummeln sich weiterhin viele Zwischenpositionen, von denen vor allem Thomas von Aquin mit seiner berühmten Harmonie zwischen Lumen naturale (natürlichem Licht des Wissens) und Lumen supernaturale (übernatürlichem Licht der Offenbarung) erwähnt sei.

Viel einfacher war seit jeher das Verhältnis von Theologie und Wirtschaft. Für kostenintensive Unternehmungen, wie die Realisierung kunstgeschichtlicher Epochen, wurden schnell effiziente Lösungen gefunden. Wie in italienischen Kirchen schon seit längerem gesichtet, bahnt sich aber inzwischen auch im deutschen Sprachraum eine noch höhere Verbindung zwischen übernatürlichem, natürlichem und ökonomischem Licht an, nämlich in Form von elektrischen Opferkerzen, die gegen Münzeinwurf eine festgesetzte Zeit lang leuchten. Wenn eine solche triplex veritas in heiligen Hallen selbstverständlich wird, dann sollte in profanen Seminarräumen doch bald auch eine betriebswirtschaftliche Elektronentheologie möglich sein.

Ruben Schneider | Dauerhafter Link | Kommentare (10)


08.07.2006 | 09:22 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird besser | Alles wird schlechter

Bikini Badabumm


Kopfkino, auch mal schön.
Wer derzeit aus Furcht, ein Gewitter könnte die sorgfältig gelegte Haarfrisur zerstören, auf aushäusigen Filmkonsum lieber verzichten möchte, braucht nicht unbebildert zu verzagen. Denn kindskopfgrosse Hagelkörner, Ärger mit dem stark behaarten Nachbarn oder unangenehm bemooste Wohnungen wirken gleich viel weniger nervenaufreibend, wenn man sich, dem Hinweis des New Scientist Short Sharp Science Blog folgend, auf die Seite des Nuclear Film Declassification Project begibt. Eine ganze Reihe historischer Filme demonstriert hier deutlich, dass alles noch viel, viel schlimmer hätte kommen können: Trinity, Nougat, Plumpbob und ihre reizbaren Cousins spielen die Hauptrollen in einer sinistren Variante der klassischen Familienserie, in der es schon mal ordentlich kracht, auch ganz ohne Dolby Surround.

Wer das alles als zu zynisch und atombombenverachtend empfindet, der labe stattdessen sein wundgelebtes Inneres an "The warm coat", einer frühen Dekosoap über den explosionsfreien Zwangsumzug eines pfiffigen Kalans namens Harvey. Da mal ne Scheibe von abschneiden, Guido Knopp!


07.07.2006 | 16:39 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird besser | Was fehlt | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Assoziationskettenmassaker: Behirne Gehirne!


Systemmeldungen auf Flickr als Beweis für irgendwas (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Heute vor 1000 Jahren fand die hellste Supernova der Welt statt. Sie leuchtete -9,5 mag hell, das mag auch die beeindrucken, die mag bisher für den österreichischen Titel mit der Bedeutung "ich habe zu Ende studiert" gehalten haben. Damit handelt es sich um die am wenigsten beeindruckende Abkürzung, die man dort an seinen Namen anflanschen kann. Schöner zum Beispiel: StGVKF oder NÖGKmtK/St. Der erste dieser beiden Orden kommt aus der Steiermark, einem Bundesland, dessen grösste kulturgeschichtliche Errungenschaft zweifellos das steirische Kürbiskernöl ist. Dieses ist nicht nur besonders reich an den tollsten Ölfeatures, sondern schmeckt auch hervorragend. Eine Eigenschaft jedoch wird oft genug unterschlagen, das Öl ist nämlich dunkelbraun, wenn es in grösseren Mengen auftritt, und wenn nur noch ein einzelnes Tröpfchen vorhanden ist, ist es grün. Es taugt damit hervorragend als reziprokes Sinnbildöl für ökofaschistische Parteien.

Ökofaschistisch nur ohne öko nennen bösartig Unterstellende die schon mal hier vorgestellte Partei BüSo. Deren Vorsitzende heisst nicht nur lustig – Helga Zepp-LaRouche – sondern tritt auch für Transrapid, Kernkraft und umfassende Kulturkontrolle ein: "Ständiges Behämmertwerden mit Gewalt, Pornographie und Techno-Lärm zerstört das Denkvermögen. Klassische Theater müssen sich wieder am gedanklichen Inhalt der von ihnen aufgeführten Werke orientieren". Der Zusammenhang zwischen zerstörtem Denkvermögen und Kultur ist aber nicht nur Thema bei der BüSo, sondern schon eine ganze Weile inspirierend für Dichter und Denker, zum Beispiel für Gottfried Benn, dessen Novelle Gehirne mit einer berühmten freien lyrischen Assoziationskette endet, angeschlossen an eine Erklärung der Hauptfigur Werff Rönne, die als teilweise autobiografisch angelegt verstanden werden muss. Gottfried Benn selbst starb exaxt heute vor 50 Jahren an den Spätfolgen der Supernova von 1006.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Assoziationskettenmassaker


30.06.2006 | 01:15 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Sphärenmusik


Nix, Garnix, Schlumpf und Stäubchen (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Es war höchste Zeit, dass der moderne, frische Geist, dem wir die Sternbilder Luftpumpe, Teleskop, Grabstichel und Tafelberg verdanken, auch in die Planetenbenamung einzieht. Es ist ein schöner Anfang, dass einer der beiden Krümelmonde, die kürzlich beim Kreisen um Pluto ertappt wurden, nicht nach einem der Titanen oder einem Zweig der Weltesche, sondern seiner Grösse angemessen Nix getauft wurde. Nun sollte die zuständige Internationale Astronomische Vereinigung den Impuls nutzen und bei der Entrümpelung des restlichen Sonnensystems endlich den antiken Ballast vor die Tür stellen. Die Erde könnte zum Beispiel "Biber" heissen. Oder halt der Wahrheit entsprechend "Dreck". Oder vielleicht "Hörnchen"?


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Gesamt: 9 Punkte


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