Riesenmaschine

28.10.2007 | 02:09 | Nachtleuchtendes | Was fehlt

Leopardenritt


Fundorte des schmerzlich Vermissten (Credit: NASA/JPL-Caltech/E. Daddi (CEA Saclay)
Nagut, jetzt gibt es also einen ausgewachsenen Leoparden für Macs. Was allerdings wenige wissen: Lange vorher schon gab es eine Software namens Leopard, die ihren Benutzer (übrigens jeden beliebigen Benutzer) befähigte, in den Archiven des Spitzer-Weltraumteleskops nach total interessanten Daten zu suchen, also Infrarotbildern von diesem Weltall da draussen. Insiderinformation: Leopard wurde noch nicht auf Leopard getestet! Jetzt aber eine Nachricht, die uns alle angeht: Spitzer hat ein paar hundert Schwarze Löcher entdeckt, was nur so mittel interessant klingt – hundert, was ist denn das für eine lächerlich kleine Zahl. Bis man folgendes erfährt: Offenbar haben uns in den letzten Jahrzehnten viele Millionen Schwarze Löcher gefehlt. Eine Meldung, die zunächst betroffen, dann erhaben macht. Die Fähigkeit, etwas zu vermissen, was man nicht mal sehen kann – ist es das, was uns vom Leoparden unterscheidet? Dazu Astronom David Elbaz diplomatisch: Jetzt können wir den Elefanten zum ersten Mal sehen.


27.10.2007 | 00:44 | Nachtleuchtendes | Vermutungen über die Welt

Kosmische Texturen

Textures are defects in the structure of the vacuum left over from the hot early universe. WHAT? Struktur? Vakuum? Defekt? Vielleicht würde man mehr verstehen, könnte man japanisch, aber vielleicht auch nicht. Einigen wir uns darauf, dass beim Zusammenbau so eines Universums einiges schiefgehen kann, wofür man dann später evtl. Nobelpreise kriegt oder zumindest berühmt wird, so wie jetzt der Kosmologe Marcus Cruz und sein Team, die im Branchenblatt Science von einem Defekt im frühen Kosmos berichten. Und zwar an einer Stelle, die unter den Pfadfindern der Hintergrundstrahlung als Cold Spot bekannt und gefürchtet ist, eine überraschend kalte Stelle in der ohnehin schon saukalten kosmischen Hintergrundstrahlung. Hier ist möglicherweise knapp nach dem Urknall die Raum-Zeit-Metrik zerbrochen und seitdem hat sich niemand die Mühe gemacht, sie wieder, naja, kann man Nichts zusammenkleben? Keine Vorwürfe von dieser Stelle. Das Tolle an Wissenschaft: Das alles ist eventuell auch Quatsch und in Wahrheit ist es dort gar nicht kalt, sondern es sieht nur so aus, und zwar, weil sich zwischen uns und dem Urknall an dieser bestimmten Stelle ein bemerkenswertes Loch befindet. Oder aber auch das ist Unfug und alles ist ein gewaltiger Zufall oder nur ein Scherz oder eine versteckte Botschaft.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Alles in allem


12.10.2007 | 18:22 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Worte, Sätze, Sensationen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Jahrmärkte sind im Wesentlichen eine Entsprechung der Riesenmaschine in analog: 1. Zahlreiche verschiedene Riesenmaschinen sind auf engem Raum vereint und bringen den Menschen Freude, 2. An allen Ecken warten flauschige und sonderbare Tiere, 3. Blinkende und nachtleuchtende Elemente werden kultisch verehrt und sind in vollkommenem Übermass vorhanden und 4. Die Macher haben die blumige Kunst des Aufschneidens und Blendens über die Jahrhunderte perfektioniert. Bloss von 5., dem vielgerühmten Bildungsauftrag der Riesenmaschine, war auf Jahrmärkten bisher leider nicht viel zu sehen.

In diese Bresche springt jetzt, todesmutig, wie man es von ihr gewöhnt ist, die Show der Sensationen, die auf dem Sonntag zu Ende gegangenen Oldenburger Kramermarkt mal wieder zu den absoluten Highlights zählte (neben der Blumenlotterie und dem Aalwürfeln). Denn bei der SdS hat man verstanden, dass gerade in den bildungsnäheren Zielgruppen die Zukunft des Schaustellergewerbes liegt. So schockierte man schon vor einiger Zeit die Konkurrenz durch eine Kooperation mit Littmann Kulturprojekte (Basel): Das Kunstprojekt Steilwand: Eine Hommage an Jean Tinguely war eine PR-Aktion, die die Jahrmarktwelt "auf den Kopf gestellt" habe, wie ein Branchenkenner zu Protokoll gab.

Diese Haltung soll nun natürlich auch am POA erlebbar werden. Zu diesem Zweck bewirbt die SdS ihr Programm mit dem vieldeutigen Sinnspruch "Nur wer Gefährlich Lebt hat wirklich Gelebt", zitiert nach Nietzsche. Das eigentlich Sensationelle daran: Dieses Zitat war bisher scheinbar unbekannt! Es findet sich weder im Internet, noch auf der CD-ROM "Friedrich Nietzsche – Werke" von Kollege Klaus Cäsar Zehrer. Spätestens an dieser Stelle wandelt sich der zarte Flirt mit dem Bildungsbürgertum in eine flammende Affäre und stellt die Show der Sensationen an die Spitze einer neuen Avantgarde. Eine Position, die mit dem Satz Die Gunst dem Volke fundamental bestätigt wird – eine erratische Neuinterpretation von "Dem Deutschen Volke", die viele Kramermarktbesucher verstört und beeindruckt zurückliess.

Jetzt, wo 5. Der Bildungsauftrag also erfüllt ist, kann sich das Schaustellergewerbe voll und ganz dem letzten offenen Punkt widmen: Einer optisch ansprechenden Aussendarstellung mit einem Logo, das selbst einschlägig bekannte C-Prominente gerne öffentlich auf dem T-Shirt tragen. Der letzte Versuch, eine ansprechende und ernstzunehmende Dachmarke zu etablieren, ging nämlich leider ziemlich in die Hose.


11.10.2007 | 11:59 | Berlin | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Vom Niedergang des Blitzes


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Geschichte des Blitzes ist traurig, weil sie stetig bergab verläuft. Dabei hatte sie vielversprechend begonnen, als der Blitz vor einigen Milliarden Jahren mitverantwortlich für die Entstehung des Lebens war. Auch einige Zeit später war der Blitz noch gut im Geschäft, als er den ersten Humanoiden das Feuer bescherte. Dann aber entschied man sich im Hause Blitz folgenschwer für ein Zusammengehen mit einer Anzahl verschiedener Götter von Zeus bis Gott: der Blitz wurde aufs Ungünstigste als Drohgebärde und Strafe instrumentalisiert. Auch die eigentlich sinnreiche Kooperation mit dem Donner, die zuvor das gewünschte Pathos auch für blinde Nutzer wahrnehmbar machte, geriet ins Bedrohliche. Daraufhin ging alles ganz schnell: um heilig gesprochen zu werden, bauschte Sankt Florian die Brandgefahr durch Blitze heillos auf. Trotzig seinem kurzentschlossenen Wesenszug folgend, liess sich der Blitz hinreissen, das frühere Vorteil zu bestätigen, und zündete praktisch das gesamte Mittelalter hindurch eine Stadt nach der anderen an. Nach der Beteiligung an den Frankensteinschen Menschenexperimenten war der Tiefpunkt erreicht, als nach dem Sieg der Alliierten 1945 klar wurde, dass der Blitz Hitlers Angriffskrieg gesponsert hatte.

Der unausweichlichen schlechten Presse folgte ein Rückzug ins Private, ein Auskommen hatte man nur durch einen langfristigen Model-Vertrag mit der Firma Opel. Einen ersten, ironischen Aufarbeitungsversuch der eigenen Geschichte wagte man erst 1976, mit dem Ramones-Hit "Blitzkrieg Bop". Einen wichtigen Schritt zur Resozialisierung brachte schliesslich die Demokratisierung des Blitzes; sie gilt inzwischen zumindest in den westlichen Gesellschaften als abgeschlossen, wo fast jeder im Schnitt zwei Blitze (Handy und Digitalkamera) mit sich führt. Dass der Blitz aber von Zeit zu Zeit hier und da über die Stränge schlägt und daher noch immer als Bedrohung angesehen wird, lässt sich an der florierenden Blitzschutzindustrie festmachen. Das Bild zeigt eine aktuelle Aufnahme eines hausnahen Bürgersteiges in Berlin Mitte, wo ein metallener Gebetsstein zum Zwecke des Blitzschutzes eingelassen ist. Genutzt hat es in diesem speziellen Fall kaum: Regungslos verharrt das beschriftete Stück Stahl im Boden, als es in der Nacht vom Blitz getroffen wird (Foto).


13.09.2007 | 02:02 | Nachtleuchtendes | Essen und Essenzielles

Nieder die Tassen!


Das kleine Frühstück "Wuppertal" (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wenn Rauchen und Kaffee trinken gut sind, wie gut muss dann erst Rauchen und Kaffeetrinken in Geschirrunion sein! Solche oder ähnlich schwungvolle Gedanken muss der russische Produktdesigner Alexander Lyapunov in sich getragen haben, als er sein Amalgam aus Aschenbecher und Untertasse ersann und hiermit eine Win-Win-Win-Situation entstehen liess: bei innenliegender, illuminierter Zigarette (optionales Zubehör) bleibt der Kaffee heiss, die hässliche Asche unsichtbar – und auf dem bekanntermassen kleinen, runden Existenzialistenfrühstückstisch ist endlich Platz für die Gesamtausgabe von Camus' Tagebüchern.


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