08.08.2005 | 15:18 | Papierrascheln | Vermutungen über die Welt
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) "Eines der hervorstechendsten Merkmale unserer Kultur ist es, dass es so viel Bullshit gibt. Jeder weiß das. Jeder von uns trägt auf seine Weise dazu bei." Mit diesen Sätzen beginnt die kurze Abhandlung "On Bullshit" des in Princeton lehrenden Moralphilosophen Harry G. Frankfurt aus dem Jahre 1988, die aus gebotenem Anlass kürzlich wieder aufgelegt wurde und nun als schmales Bändchen verfügbar ist. Frankfurt geht es darin zunächst weniger um die Erforschung der Ursachen des hohen Aufkommens als um eine genaue Bestimmung des Wesens von Bullshit, den er als dritte Kategorie neben der Lüge und der Wahrheit in gewissen Nähe zum Bluff ansiedelt. Während Lüge und Wahrheit jeweils noch einen Bezug zu einer objektiven Realität aufwiesen – sich der Lügner mithin seiner Lüge bewusst sei –, zeichne den Bullshit-Redner eine profunde Indifferenz gegenüber der Frage aus, wie die Dinge wirklich liegen. Das macht Bullshit, resümiert Frankfurt, letztlich zu einer noch größeren Bedrohung für die Wahrheit als die dreiste und vorsätzliche Lüge. Die Essenz des Bullshits sei demnach weniger, dass er vorsätzlich falsch sei, sondern vielmehr phoney, was mit "windig" oder "erflunkert" wohl nur unzureichend übersetzt ist. Damit sei Bullshit, so Frankfurts durchaus kulturpessimistisches Fazit, "in gewisser Weise analog zu sorglos hergestellten, schrottigen Waren" das zwangsläufige Signet einer Zeit, in der zu wenig Leute noch an die Objektivität des Guten, Schönen und Wahren glaubten und statt dessen von zu vielen Dingen redeten, von denen sie keine Ahnung hätten. Vorsichtshalber räumt der Autor zum Schluss ein, dass es sich auch bei dieser pauschalen Schlussfolgerung um Bullshit handeln könnte.
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04.08.2005 | 10:52 | Was fehlt | Papierrascheln
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Vorsicht, es folgt ein Wort, das Screen-Spezialisten wegen seiner hartnäckigen Nichtexistenz seit 1998 Tränen in die Augen treibt: e-Ink. Seit Jules Verne sich in "Robur, der Sieger" ein Fluggerät aus Papier ausgedacht hat, wird Papier regelmäßig zum Werkstoff der Zukunft erklärt. So auch im Bereich Displays und Flatscreens, denn e-Ink ist nichts anderes als das papierne Display. Das Prinzip ist genial und schnell erklärt: ins Papier sind reibungsarm gelagerte, winzige Kügelchen eingewoben, die auf einer Seite schwarz gefärbt und negativ geladen sind, auf der anderen Seite weiß und positiv (es gibt mehrere Varianten). Durch Ansteuern eines Punktes mit einem Strom dreht sich das Kügelchen entsprechend der Ladung und zeigt seine schwarze oder weiße Seite – fertig. Leider erlangte die genannte Firma zwar die Großmeisterschaft im Ankündigen, die Erfüllung hinkte jedoch eine Idee hinterher. Jetzt aber, nur sieben Jahre nach dem Einsammeln von bizarr viel Venture Capital (und erneut Anfang des Jahres von Intel), gibt es ein, zwei, funktionierende Prototypen! Es handelt sich um die nebenstehenden Uhren von Seiko und Citizen. Das elektronische Papier bringt ein so hohes Faszinationsmomentum mit sich, dass sich Unternehmen, zum Beispiel Sony mit dem Librié vor anderthalb Jahren, immer mal wieder dazu hinreißen lassen, es zwischendurch anzukündigen. Und jedesmal, jedes verdammte einzelne Mal kommt es wieder in die Presse. Wir lernen natürlich daraus und kündigen hiermit an: noch dieses Jahr wird die Riesenmaschine auf elektronischem Papier erscheinen! Wirklich! Glauben Sie uns!
28.07.2005 | 10:15 | Papierrascheln | Vermutungen über die Welt
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Ohne hier jede Woche aufs neue die Jungle World anpreisen zu wollen, wobei das wirklich eine sehr lesenswerte Zeitung ist: Das Sommerloch bringt ein paar erstaunliche Grundsatz-Titelgeschichten hervor, diese Woche über die 68er, eine Abrechnung mit der Abrechnung mit 68, sozusagen. Was es mit "dem Politischsein" auf sich hatte, fragt Diedrich Diederichsen in seinem Beitrag "Wir waren so politisch" und schreibt Sätze wie: "Die Politisierung fragte das Alltagsleben: 'Alles markieren?' Der Imperativ des Politisch-sein-Müssens klickte auf das Ja-Feld." Bzw.: "Da man Intellektueller war, konnte man nicht sagen: Ich will die BRD der mittleren sechziger Jahre verlassen und in einen Film von Godard oder eine Schallplatte der Rolling Stones hineinkriechen, aber man konnte genau aus diesem Wunsch ein Konzept für eine umfassende Umgestaltung des Lebens entwickeln, das man 'Politischsein' nannte." Das ist der gute alte Diederichsen-Sound, den wir so gerne lesen. Nun ja, zumindest einige von uns. Zumindest ab und an, wenn Sommer ist.
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27.07.2005 | 15:14 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Papierrascheln
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Über das Moleskine-Notizbuch an sich muss fast nichts mehr gesagt werden, außer natürlich, dass sein Wiederauftauchen einer der großen weltverbessernden Momente des 21. Jahrhunderts war. Die Riesenmaschine selbst wäre ohne Moleskine nicht denkbar gewesen bzw. der Plan sofort wieder in Vergessenheit geraten (s. Abb.). Alles weitere zu diesem Wunderding steht z.B. unter More Moleskine Hacks oder Mike's Moleskine Hacks (darunter wichtige Tipps wie "Cargohosen tragen, damit das Moleskine in die Beintaschen passt").
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Aber um das Moleskine vollzuschreiben, braucht man einen Stift. Stifte haben wie Feuerzeuge und Nagelknipser die Eigenschaft, nie da zu sein, wo man selbst ist. Zum Glück gibt es für alle diese Probleme eine einfache Lösung: Festbinden, und zwar das Feuerzeug am Raucher, den Nagelknipser an der Wand und den Stift am Moleskine. Prädestiniert für diesen Zweck ist der Diplomat "Grip", weil er nämlich 1. klein ist, 2. bereits eine Festbindeöse mitbringt, 3. die immerschreibende Space-Pen-Mine enthält (die man später keinesfalls durch eine andere, blödere ersetzen sollte) und 4. fast nichts kostet. 5. ist, wenn man Glück hat, sogar noch ein praktisches Befestigungsband mit Stift-Abmach-Funktion enthalten:
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Diese Kombination verbessert die Lebensqualität um etwa drei Prozent. Your mileage may vary.
23.07.2005 | 16:35 | Sachen kaufen | Papierrascheln
Die Tatsache, dass Christina Aguilera ihren neuen Song mit dem intelligenten Titel "Hello" exklusiv an Mercedes verkauft hat, nimmt der Wirtschaftsteil der ZEIT zum Anlass, in einem ziemlich langen und durchaus gehaltvollen Riemen mal grundsätzlich über das Thema "Branded Entertainment" nachzudenken und festzustellen, dass globale Unternehmen ihre Marken mit der Popkultur fusion- und so gleichermaßen Werbung wie Medienindustrie revolutionieren. In diesem Zusammenhang kommt auch ein BMW-Marketingchef namens Torsten Müller-Ötvös zu Wort, der erkannt hat und androht: "Die Entertainmentindustrie war schon immer die größte Marketingmaschine der Welt. Das werden wir uns zu Nutze machen."
Nichts anderes predigen wir den lieben langen Tag. Und nichts anderes haben die vielgescholtenen Adorno/Horkheimer schon in den 40ern gepredigt und in ihrem Kulturindustrie-Kapitel notiert: "Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit. Film, Radio, Magazine machen ein System aus. Jede Sparte ist einstimmig in sich und alle zusammen. ... Indem unterm Zwang des Systems jedes Produkt Reklametechnik verwendet, ist diese ins Idiom, den 'Stil' der Kulturindustrie einmarschiert."
Die eifrigen Rechercheure von der Zeit waren zudem so freundlich, ein paar Filmbeispiele zu sammeln, die jedoch größtenteils weniger eine neue aufregende Qualität im Verschmelzen von Kommerz und Kultur beweisen, sondern die langweilige alte Qualität von -Gähn!- Testimonial-Kampagnen.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Am besten gleich zwei kaufen
- Übergangsriten
- Badelatschen nach Athen tragen
- urige Schuhe
SO NICHT:
- Gardinen mit Goldkante
- Cocktail "Flüssigsprengstoff" auf der Karte
- Kühlschrank "abtauen" mit Dynamit
- Felsenmeer (rockt nicht)
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"The Green Inferno", Eli Roth (2013)
Plus: 1, 52, 69, 80, 101, 117, 138, 142 Minus: 9, 13, 197 Gesamt: 5 Punkte
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