Riesenmaschine

24.04.2009 | 22:26 | Berlin | Sachen anziehen

Genderwäsche


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
In der Ohlauer Strasse hat ein neuer Waschsalon aufgemacht, das Waschhaus 38 (Claim: "Hier geht es rund – von weiss bis bunt"). Es ist trotz seines Namens speziell geeignet für Zahlenanalphabeten, denn die Maschinen sind nicht durchnummeriert, sondern mit Namen versehen. Was an sich okay ist, aber es gehört dann doch eine gewisse Schmerzbefreitheit dazu, sämtlichen Waschmaschinen Frauennamen zu geben: Clara, Ida und Dora dürfen den Kreuzberger Junggesellen also die Socken säubern. Männliche Namen (Heiko, Bernd) sind hingegen nur für die Trockner vorgesehen, die entsprechend grösser und wuchtiger daherkommen, aber bei weitem nicht so viel zu tun haben.

Das erinnert doch sehr an das Geschlechterrollenbild von Ikea, wo Stühle, Schreibtische und Regalsysteme männliche Vornamen tragen, während Stoffe, Gardinen und Decken nach Frauen benannt sind. Wie sich das Waschhaus 38 in seiner ausgewählt genderbewussten Nachbarschaft etablieren will, könnte interessant werden. Aber vielleicht wird ja verfahren wie beim Institut für Meteorologie der FU, wo Hoch- und Tiefdruckgebiete jahresweise das Geschlecht wechseln dürfen. Bis dahin muss man sich damit begnügen, dass die Frauen (3,50 Euro) immerhin deutlich besser bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen (0,50 Euro).


17.03.2009 | 14:23 | Alles wird besser | Sachen anziehen | Vermutungen über die Welt

Der Baumarkt der Zukunft


Abt. "Trennendes" (Foto: Lars Weisbrod)
Im Baumarkt der Zukunft behauptet man nicht, in den Kopf des Kunden sehen zu können und dort zu lesen, was jener mit der Ware plant. Muss jemand, der ein Beil kauft, sich nicht in seiner Absicht, Weib und Kind zu erschlagen, verkannt fühlen, wenn man ihn dazu in die Abteilung für Gartenartikel oder Holzheizungszubehör schickt? Der Baumarkt der Zukunft ist nicht nach schlecht erratenen Einsatzzwecken gegliedert, sondern nach dem eigentlichen Sinn der Dinge.

Wie es im amerikanischen Marketingphrasenwesen heisst: Der Kunde will keinen Bohrer kaufen, er will ein Loch. Aber natürlich hat der Kunde auch kein Interesse an einem Loch, sondern er möchte zwei vormals getrennte Dinge miteinander verbinden, zum Beispiel einen Bilderrahmen mit der Wand oder den Raum ausserhalb der Umkleidekabine mit dem Raum innerhalb der Umkleidekabine.

Dabei hilft ihm die Abteilung "Verbindendes", hier finden sich Nägel, Leim, Draht, Vorhängeschlösser, Bohrer und Schnur, unter "Trennendes" aber Fensterscheiben, Beile, Abflussreiniger, Heckenscheren und Energiespartiere. Haken und Regalbrettwinkel gibt es bei den Schwerkraftantagonisten, Umgrabewerkzeuge und Mixer bei den Entropievermehrern, Staubsauger, Kühlschränke, Aufbewahrungslösungen und Besen bei den Entropieverminderern. Dunkle Farben und Glitzischwämme befinden sich bei den Absorbenten, helle Farben und Polituren bei den Reflektoren. Die Abteilung Energieformwandler enthält Leuchtmittel, Schraubenzieher, Trampoline und Öfen.

Im Baumarkt der Zukunft der Zukunft dann schliesslich wird man eingesehen haben, dass hierarchische Kategorien keine Zukunft haben, und es wird (wie in allen anderen Branchen) nur noch eine einzige Abteilung geben ("Sachen", 1.-4. Stock).

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Die Ordnung der Bücher


26.01.2009 | 02:05 | Anderswo | Fakten und Figuren | Sachen anziehen

Mimicry '09


Foto, Lizenz
Karneval nähert sich mit grossen Schritten. Auch 2009 sind die Verkleidungstrends wieder an die Actionfigurtrends des Vorjahres gekoppelt, womit die Prognose so eindeutig ist wie selten: Obama oder Stauffenberg!

Die Entscheidung zwischen den beiden fällt dafür um so schwerer. Für Obama spricht, dass er im Gegensatz zu Stauffenberg Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist und schöne Reden hält, ausserdem kann man die Gesichtsfarbe vom Sternensingen noch einmal auftragen, bevor sie eintrocknet. Ein Stauffenberg-Kostüm (jetzt auch als kleiner Pilz) ist andererseits mit einfachen Mitteln schnell zusammengestellt: Augenklappe, Hakenhand, vielleicht noch ein Papagei auf die Schulter. Am wichtigsten natürlich die Aktentasche, die für die anstrengenden Tage zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch statt mit Bombe auch mit Bier gefüllt werden kann.

Bevor entscheidungsschwache Menschen nun völlig verwirrt als erster schwarzer Offizier aus dem Hitler-Widerstand den Strassenkarneval der Weltgeschichte aufmischen, hier der Expertentipp der rheinländischen Riesenmaschine-Korrespondenten: Sich selbst als Stauffenberg verkleiden, damit der Lebensabschnittsgefährte sich den langersehnten Traum erfüllen kann, einmal als Hitler zu gehen, ohne politisch unkorrekt rüberzukommen. Yes, we can! Es lebe das heilige Deutschland!


04.01.2009 | 08:18 | Was fehlt | Sachen anziehen | Vermutungen über die Welt

Trendvorhersage 2009: Wende im Brillenzyklus


Foto: clickflashphotos / Lizenz
Beim Mistkäfermännchen verhält sich die Grösse der Hörner umgekehrt proportional zu der des Penis. Ganz ähnlich ist es auch im echten Leben: Da wir im Brillenzyklus im Moment wieder auf Windschutzscheibenformat zusteuern, werden im Gegenzug auch die letzten Kopfhörer vom Modell "Ich bin voll DJ, Alder!" verschwinden und Ohrstöpsel so klein werden, dass man leicht vier bis fünf in jedem Ohr tragen kann. Wozu sich die Höhe eines Irokesenhaarschnitts antiproportional verhält, bleibt hingegen auch im letzten Nuller-Jahr dieses Jahrhunderts ungeklärt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Trendvorhersage 2009: Individual Clubbing


16.11.2008 | 07:13 | Berlin | Alles wird besser | Sachen anziehen

Die Revolution ist das Shirt


Vorher: Das revolutionäre Shirt über dem Plakat unter den Yorck-Brücken in Berlin-Kreuzberg

Nachher: Das Plakat ohne das revolutionäre Shirt, das sich jetzt auf mysteriöse Weise ins rote China verflüchtigt hat
Auf wohl einzigartige Weise wirbt man zur Zeit an einigen Orten in Berlin für die noch bis zum 25. Januar 2009 laufende grosse Beuys-Ausstellung "Die Revolution sind wir" im Hamburger Bahnhof. Über dem Plakat zur Ausstellung, das einen Menschen zeigt, der ein weisses T-Shirt mit der Aufschrift "Die Revolution sind wir" trägt, hängt, mit schwarzem Gaffer-Band befestigt, ein echtes weisses T-Shirt mit der Aufschrift "Die Revolution sind wir". Dabei handelt es sich keineswegs um Billigware aus China, sondern um ein echtes "Fruit of the Loom" "Heavy Cotton"-Qualitätsshirt in XL aus El Salvador. Nimmt man dieses jedoch ab, kommt gleich darunter ein Foto des zerknitterten Mannes mit dem Hut zum Vorschein, der 1971 das Ausstellungsmotto formulierte, damals allerdings auf Italienisch : "La rivoluzione siamo noi".
Das ist nun tatsächlich einmal revolutionär geworben, und von uns aus könnte dieses Beispiel Schule machen. Die Modekette pappt also demnächst echte Röcke, Unterwäsche oder Pullunder an die Plakatwände, der Bierwerber stellt je einen vollen Kasten Bier davor, an der Zigarettenwerbung klebt eine ganze Stange Zigaretten, und ein jeder, der eines solchen Produkts bedarf, kann sich jederzeit direkt am Werbeträger frei bedienen. Damit entfiele dann allerdings auch die Notwendigkeit eine Revolution zu machen, denn wenn "jedem nach seinen Bedürfnissen" gegeben wird, wäre das ja bereits Kommunismus. Wer aber braucht dann noch Ausstellungen, die für die Revolution revolutionäre Werbung machen? Und wieso ist Joseph Beuys bzw. die Revolution eigentlich ein Shirt?

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (12)


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